Heidelberg. Zwischen Lieferschwierigkeiten und Personalmangel – welche Sorgen treiben Apothekeninhaber gerade am meisten um? Der Heidelberger Bundestagsabgeordnete Alexander Föhr (CDU) wollte es genau wissen – und bekam eine Einladung zu einem „Schnupperpraktikum“ von der Landesapothekenkammer. Von der Rezeptannahme über die umfangreiche Dokumentation und die Bestückung des Lagers reichen die Aufgaben in der „Stern-Apotheke“ im Stadtteil Bergheim, die weit über eine reine Abgabe von Medikamentenschachteln hinausgehen.
Alexander Föhr hat schon 20 "Praktika" absolviert
Ohne weißen Kittel geht auch für den prominenten Praktikanten nichts. Ob Bauarbeiterhelm oder Blaumann – das Überstreifen der Berufskleidung „macht etwas mit Einem“, hat er beobachtet. Mehr als 20 solcher „Praktika“ hat Föhr, seit Juni Bundestagsabgeordneter und unter anderem für Gesundheitsfragen zuständig, bereits absolviert.
Apothekeninhaberin Karin Pekkip und ihre Mitarbeiter nehmen sich viel Zeit, um dem Politiker Föhr, der zuvor in der Verwaltung einer Krankenkasse arbeitete, einen möglichst klaren Eindruck von ihrer Arbeit zu vermitteln.„Wir Apothekerinnen und Apotheker können nicht länger still bleiben“, betont Silke Laubscher, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg.
Weiterer Apotheken-Streik möglich
Der Aktionstag am 14. Juni, an dem fast alle Apotheken in Heidelberg streikten, soll möglicherweise nicht der letzte gewesen sein. Das größte Problem im Moment: „Lieferschwierigkeiten“. Pekkip, die mit Mitarbeitern in rund 17 Vollzeitstellen von morgens halb acht bis abends acht Uhr geöffnet hat, hat im Computer eine Liste mit knapp 400 Medikamenten, die eigentlich immer im Bestand sein sollten.
Apothekenschwund
- 160 000 Menschen arbeiten in deutschen Apotheken.
- Das Einstiegsgehalt eines Apothekers liegt nach fünfjährigem Studium etwa so hoch wie bei einer Pflegekraft mit dreijähriger Ausbildung.
- Statistisch gesehen schließt alle 16 Stunden eine Apotheke in Deutschland.
„Mindestens alle halbe Stunde“ schaue eine Mitarbeiterin, ob eines dieser Arzneien inzwischen ein grünes Häkchen bekommen habe: In diesem Fall werde das Präparat umgehend beim Großhändler nachbestellt. Die Rabattverträge der Krankenkassen vermutet Pekkip als einen Grund dafür, dass kaum noch Medikamente in Deutschland produziert würden. Immer wieder sei sogar eines der meistverkauften Schmerzmittel vom Markt gefegt: Aspirin.
Großer Probleme mit Lieferschwierigkeiten
„Der Zeitaufwand ist für uns groß, wenn Medikamente nicht lieferbar sind“, erklärt Laubscher: Dann müsse geprüft werden, welches die vier ebenfalls günstigsten Präparate zu haben ist. Die Lieferschwierigkeiten müssten zudem dokumentiert werden, damit bei Reklamationen der Krankenkassen später belegt werden kann, warum dieses und nicht das verordnete Medikament abgegeben wurde.
„Dabei dürfen wir natürlich keinesfalls eines mit einem anderen Wirkstoff oder abweichendem Konzentrat wählen.“ Aktuelles Beispiel: Ein Pumpspray, das das Atmen erleichtert, ist nicht zu bekommen. Telefonate mit dem Arzt sind nötig, um dem – im Laden wartenden – Patienten etwas Vergleichbares mitgeben zu können. Der Mehraufwand soll nun mit 50 Cent abgegolten werden – „21 Euro wäre nötig“, sieht Laubscher hier noch Nachbesserungsbedarf.
Fiebersaft schmeckt nicht
Schlagzeilen machte, dass Fiebersäfte für Kinder in einer der Hochphasen der Erkältungswelle im Frühjahr praktisch nicht zu bekommen warne. Pekkip, die während ihrer Ausbildungszeit sogar noch das manuelle Pillendrehen lernte und bei der im Reinlabor unter anderem Salben und Zäpfchen hergestellt werden, versuchte sich mit ihren Kolleginnen daran, selbst einen solchen Saft zu mischen, um die Eltern versorgen zu können. „Sie können sich nicht vorstellen, wie widerlich der geschmeckt hat – trotz aller Bemühungen, Süße hineinzubringen.“ Finanziell habe sich das überhaupt nicht getragen – im Gegenteil.
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Ein formales Versäumnis eines Arztes, das den Apotheker, wenn er nicht aufpasst, einen fünfstelligen Betrag kosten kann? Auch das gehört zum Alltag. So hatte ein Arzt laut Laubscher auf dem Rezept nicht die verordnete Dosierung eines teuren Krebsmedikaments vermerkt. Bei der Ausgabe des Medikaments war das nicht korrigiert worden. Die Krankenkasse stellte sich quer und bezahlte das bereits an den Patienten weitergegebene Medikament nicht. „Retaxationen“ – kurz Retax – heißen solche Rechnungen, auf denen Apotheker im schlimmsten Fall sitzenbleiben. „Kein Einzelfall“, betont Pekkip.
Bei der Gesundheitsministerkonferenz vor knapp einer Woche in Friedrichshafen setzten sich die Spitzen der Gesundheitsministerien für eine Stärkung der Vor-Ort-Apotheken ein. Um die Arzneimittelversorgung zu gewährleisten – betonen die Apothekeninhaber – brauche es neben qualifiziertem Nachwuchs und Rechtssicherheit beim Umgang mit Lieferengpässen auch eine deutliche Anhebung des seit elf Jahren stagnierenden Apothekerhonorars.
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