Ebert-Gedenkstätte

Nahles kritisiert in Heidelberg Politikverständnis der „Letzten Generation“

Das Politikverständnis der sogenannten "Letzten Generation" widerspreche teilweise den Grundsätzen der Demokratie. Das sagt die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles in einer Rede in der Ebert-Gedenkstätte

Von 
Konstantin Groß
Lesedauer: 
Prominente Festrednerin: Andrea Nahles im Friedrich-Ebert-Haus. © Konstantin Groß

Heidelberg. „Ist ja ganz schön munter hier“, sagt die Festrednerin: „Das ist man bei uns im Rheinland nur zu bestimmten Zeiten gewohnt.“ Doch die gute Stimmung hat ihren Grund: Erstmals seit der Corona-Pause kann die Reichspräsident-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg wieder zum Neujahrsempfang einladen und zudem mit Andrea Nahles eine hochkarätige Festrednerin präsentieren.

Doch bereits der zweite Satz der früheren SPD-Vorsitzenden zeigt, dass es keine gänzlich ungetrübte Freude ist: „Aber auch ein gutes Jahr für die Demokratie wünsche ich uns allen in Deutschland.“ Denn, und das ist die zentrale Botschaft der früheren Bundessozialministerin und heutigen Chefin der Bundesagentur für Arbeit: Die Demokratie ist unter Druck. „Das ist etwas, das wir an diesem Ort besonders wahrnehmen.“

Facebook-Account mit 150.000 Followern

Denn sichtbar werden hier die Parallelen zwischen Friedrich Ebert und der von ihm personifizierten ersten deutschen Demokratie mit der heutigen Lage. Der Reichspräsident musste sich in 200 Prozessen gegen Beleidigungen vor allem von Rechts zur Wehr setzen. Auch heute gibt es, so konstatiert Nahles, eine „Verrohung der politischen Kultur bis hin zu persönlichen Angriffen“.

Da weiß sie, wovon sie spricht. In ihrer aktiven Zeit hatte sie einen Facebook-Account mit 150 000 Followern. Eine Mitarbeiterin war alleine damit beschäftigt, Beleidigungen, Anfeindungen und Drohungen herauszufiltern. „Nach einigen Monaten merkte ich: Der Frau geht‘s immer schlechter“, berichtet Nahles: „Man kann es nicht aushalten, wenn man das den ganzen Tag liest. Dann wird man krank.“ Diese Tonlage im Netz greife auch immer stärker auf die reale Welt, die Gesellschaft, über.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Zweite Parallele: Wie in Weimar, so wird die Demokratie heute sowohl von Rechts, aber auch von Links in die Zange genommen. Und da nennt Nahles ein Beispiel, das manche von ihr als ehemaliger Juso-Vorsitzender nicht unbedingt erwarten würden: „Eine Generation, die sich zur letzten Generation erklärt, erinnert mich an Untergangsrhetorik“, kritisiert sie: „Wenn Leute sagen ,Ich bin der einzige, der es geschaut hat‘ und ,Ich verkündige Euch’ - diese Figur, die findet man sehr häufig in Weimar, und die findet man immer wieder bei Rechts, aber die findet man komischerweise, und das sage hier bewusst, auch bei Links.“

"Gefährliche Geringschätzung für Prozesse der Demokratie"

Ihre Position dazu ist eindeutig: „Es kann nicht sein, dass man sagt: Wir können bei allem Kompromisse machen, nur nicht bei dem Thema, das für mich am wichtigsten ist.“ Und mit Schaudern berichtet sie von einem Treffen mit prominenten Vertretern von Fridays for Future in Berlin, die „mir bewundernd die Effizienz und Durchschlagskraft der chinesischen Klimapolitik vorgetragen haben“. Darin komme eine gefährliche Geringschätzung für die zwar sicher langwierigen, aber eben notwendigen Prozesse der Demokratie zum Ausdruck, klagt Nahles.

Mehr zum Thema

Kolumne #mahlzeit

Warum die Letzte Generation nichts mit Terrorismus zu tun hat

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren
Reaktionen

Mannheimer planen Fahrt zur Demo nach Lützerath

Veröffentlicht
Von
Timo Schmidhuber und Vanessa Schmidt
Mehr erfahren
Interview

Andrea Nahles sorgt sich wegen Angriffen der Letzten Generation auf Demokratie

Veröffentlicht
Von
Konstantin Groß
Mehr erfahren

In einer solchen Lage seien Gedenkstätten wie die hiesige wichtig, betont die Festrednerin: „Ich glaube, dass wir Orte brauchen, an denen wir uns die Demokratiegeschichte vergegenwärtigen.“ Die Resonanz ist zumindest ermutigend: 2022 verzeichnet selbst unter noch-Corona-Bedingungen 37 500 Besucher. Das Vor-Corona-Niveau von 70 000 werde bald wieder erreicht, zeigt sich Geschäftsführer Walter Mühlhausen überzeugt. Inhaltlich steht die Arbeit der Gedenkstätte in diesem Jahr im Zeichen des 150. Geburtstags von Friedrich Eberts Ehefrau Louise.

Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen