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Mannheimer planen Fahrt zur Demo nach Lützerath

Die Ereignisse im Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen beschäftigen auch viele Mannheimer - Politikerin, Letzte-Generation-Vertreter, Polizei-Gewerkschafter. Das denken sie über Kohle-Abbau und Proteste

Von 
Timo Schmidhuber und Vanessa Schmidt
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Auf dem Paradeplatz gab es am Mittwochabend eine spontane Solidaritätskundgebung für Lützerath. Es war aber nur eine kleine Gruppe. © Thomas Tröster

Mannheim. Ein Demonstrant sitzt auf einem Drahtseil. Ein anderer trägt eine Sturmhaube und hat sich einige Meter entfernt auf einem Holzpfahl positioniert. Noch weiter oben über dem Boden gibt es außerdem Demonstrierende, die an Seilen gesichert auf Hausdächern ausharren. Diese Szenen haben sich am Mittwoch im nordrhein-westfälischen Dorf Lützerath abgespielt. Der Energiekonzern RWE will die unter dem Ort liegende Braunkohle fördern, Klimaschützer demonstrieren dagegen, und die Polizei hat nun mit der Räumung des Orts begonnen.

Der Streit um den Braunkohleabbau bewegt auch viele Mannheimerinnen und Mannheimer, am Mittwochabend gab es auf dem Paradeplatz eine spontane Solidaritätskundgebung einer kleinen Gruppe. Manche Mannheimer werden am Samstag auch zur geplanten Demonstration gegen die Räumung nach Lützerath fahren.

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Unterstützung aus Mannheim

Nina Wellenreuther als eine der beiden Grünen-Fraktionschefinnen im Mannheimer Gemeinderat unterstützt die Proteste in dem Dorf. Der geplante Abbau der Kohle dort sei durch einen letztinstanzlichen Gerichtsbeschluss gedeckt und damit rechtmäßig, das stellt Wellenreuther gar nicht in Abrede. „Aber im Jahr 2023 sollte gar keine Kohle mehr abgebaut werden, weil die Kohleverbrennung dem 1,5-Grad-Ziel im Weg steht. Zu dieser Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs hat sich Deutschland bekannt, wir können keine Dinge machen, die diesem Ziel im Weg stehen“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion.

Im April war Wellenreuther selbst bei einer Demonstration in Lützerath dabei. Auch am Samstag würde sie gerne hinfahren, muss aus Zeitgründen allerdings passen. „Das ist sehr schade. Wenn es dort später nochmal eine Demonstration geben sollte, werde ich hinfahren.“

Am Samstag zur Demo

Der geplante Abriss Lützeraths für Kohle sei auch parteiintern umstritten, auch wenn der vorgezogene Ausstieg im Rheinischen Braunkohlerevier wichtig sei, sagt Wellenreuther. Beim Bundesparteitag im vergangenen Jahr scheiterte ein Antrag der Grünen Jugend zur Rettung von Lützerath knapp. „Persönlich“ verstehe sie den Frust der Demonstrierenden, dass in Lützerath weiter Braunkohle abgebaut werden soll, erklärt Wellenreuther. „Als Politikerin“ will sie nun sozusagen die Flucht nach vorne ergreifen - und den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen. „Je schneller wir die erneuerbaren Energien ausbauen, desto weniger Kohle muss abgebaut werden.“

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Der Mannheimer Raúl Semmler vom Klimaschutz-Netzwerk Letzte Generation wird am Samstag mit vielen anderen Letzte-Generation-Vertretern aus der Region zur Demonstration nach Lützerath fahren, wie der 38-Jährige am Telefon erklärt. Am Mittwoch ist er aus Zeitgründen leider nicht vor Ort, was er bedauert. „Die weitere Verbrennung von Kohle befeuert die Klimakatastrophe, und Lützerath steht symbolisch dafür“, so Semmler. „Viele politischen Entscheidungen werden zugunsten von Energieunternehmen wie RWE getroffen statt zugunsten der gesamten Gesellschaft.“ Die Letzte Generation unterstütze alle Proteste gegen solche Entwicklungen, sofern die Proteste „friedlich und gewaltfrei“ seien.

Die Letzte-Generation-Vertreter werden am Samstag aber nicht die einzigen aus der Region im Lützerath sein. Auch Günter Bergmann und seine Frau Cilli Bauer aus der Neckarstadt wollen sich auf den Weg machen. Die beiden haben dafür eigens die schon lange geplante Führung einer Wandertour des örtlichen Alpenvereins übertragen. Man müsse hier eingreifen, findet Bergmann, der auch beim Protest im Hambacher Forst dabei war. „Es ist nachgewiesen, dass diese Kohle zur Sicherung der Energieversorgung nicht gebraucht wird. Sie wird abgebaggert, weil RWE die Kohle verkaufen kann“, ärgert er sich. „Deshalb muss es jetzt darum gehen, dass der Aufwand zur Förderung und der politische Schaden für die Verantwortlichen so groß wie möglich wird, damit in Zukunft solche Genehmigungen - die sicher nicht mehrheitsfähig sind - nicht mehr erteilt werden.“ Dass diese Kohle unter dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck abgebaut wird, „dafür wurde er bestimmt nicht gewählt“. Statt „spekulativ zweifelhafte“ Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 anzuschieben, könne er „viel einfacher und direkter dafür sorgen, dass alles Fossile im Boden bleibt“.

Ähnlich argumentiert Gabriele Baier vom BUND Mannheim. „Es gibt Gutachten, die belegen, dass es diesen Abbau dort eigentlich gar nicht braucht. Wir haben genügend Kohle. Die Braunkohle muss im Boden bleiben“, erklärt sie in einem Telefonat. Mit dem Vorhaben in Lützerath sieht Baier das Erreichen des Klimaziels gefährdet, da durch den Abbau viel CO2 ausgestoßen wird. Daher kann sie die Proteste verstehen. „Solange die Proteste friedlich bleiben, geht das alles in Ordnung. Aber wenn es Randale gibt, würde das vom eigentlichen Thema ablenken.“ Auch BUND-Mitglieder seien aktuell vor Ort, sagt Baier.

Erinnerung an Stuttgart 21

An die vielen Polizisten, die die Räumung in Lützerath durchsetzen müssen, denkt Thomas Mohr von der Gewerkschaft der Polizei in Mannheim. Wenn er die Bilder sieht, erinnert er sich an die Räumung des Stuttgarter Schlossgartens vor zehn Jahren für das Projekt Stuttgart 21, Mohr war damals selbst dabei. „Auch jetzt müssen die Polizisten einen Gerichtsbeschluss umsetzen und werden dabei die Spielverderber sein. Aber die Durchsetzung von geltendem Recht ist nun mal unsere Aufgabe.“ Während der Einsatz im Schlossgarten damals völlig aus dem Ruder lief, blieb es in Lützerath am Mittwoch aber weitgehend friedlich.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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