Social Media - Fake News oft politisch motiviert

Nach Amoklauf in Heidelberg: Mannheimer Professor erklärt Hintergründe von Fake News

Von 
Larissa Hamann
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Insbesondere auf Social Media verbreiten sich viele Fake News. © Sri Loganathan

Heidelberg/Mannheim. „Was ist in #Heidelberg #Neuenheim los? Hunderte Polizisten, zivil und uniformiert, etliche Krankenwagen“, schreibt ein Nutzer am Montagmittag auf Twitter. Ein anderer antwortet: „Es gab wohl mehrere Schüsse beim Botanischen Garten und mehrere Verletzte!“ Einige Minuten danach, schickt die Polizei per Mail ihre erste Mitteilung heraus. Sofort gehen die Spekulationen auf Social Media los. Es kursieren Fotos und Videos vom vermeintlichen Täter – ein Schauspieler, der für eine Serie mit Waffen posiert, wie sich später herausstellt.

Woher kommen diese falschen Informationen? Professor Doktor Matthias Kohring vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Uni Mannheim sieht den Ursprung von Fake News meistens politisch motiviert. „Fake News werden erfunden, weil es nicht genug Nachrichten gibt, die in ein bestimmtes Narrativ passen.“ Die falschen Nachrichten sollen dann wie Argumente oder Belege die Erzählung stützen. Diese Narrative oder Erzählungen können beispielsweise die vermeintliche Bedrohung durch Ausländer sein oder Verschwörungstheorien, die uns in der Corona-Pandemie begegnen. Insbesondere in Krisenzeiten treten diese Phänomene auf, erklärt Kohring. „Sie dienen in unsicheren Zeiten den Menschen als Orientierung. Wenn Menschen unsicher sind und sich bedroht fühlen, kursieren alternative Erklärungsmöglichkeiten.“ Einzelne Ereignisse wie die Tat in Heidelberg könnten dann genutzt werden, um in ein größeres Narrativ eingebettet zu werden.

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Mutmaßungen über Religion und Impfstatus

Auf Twitter vermutet ein Nutzer einen islamistischen Hintergrund der Tat. Die zuständige Polizei Mannheim reagiert. „Wird da wieder unnötig spekuliert? Kann man sich sparen…“ und geht gegen zahlreiche andere Behauptungen vor. Sie warnt vor Fake News und bedankt sich fürs #NichtSpekulieren. Auch auf den falschen Täter reagiert sie: „Der User hat sich auch bereits bei uns gemeldet und Anzeige erstattet. Der verleumderische, ursprüngliche Beitrag wurde bereits ebenfalls Twitter und den Ermittlern gemeldet und gelöscht. Sollten Sie weitere entdecken, die solche verleumderischen Nachrichten teilen, bitte melden!“

Polizeipräsident Siegfried Kollmar äußert sich bei einer Pressekonferenz am Montagabend zu der Tat auch zu diesem Thema. Das Social Media Team der Polizei sei aufgerufen gewesen, gegen falsche Informationen vorzugehen und sachlich zu informieren. „Es ist für uns extremst schwierig, bei solchen Lagen dagegen zu halten. Wir haben das, denke ich, einigermaßen hinbekommen, aber es war eine schwierige Nummer.“

Auch über den Impfstatus des Täters wird diskutiert. Ein vermeintlicher Screenshot von einem Nachrichtenportal mit der Überschrift, dass er ungeimpft sei, geht herum. Sehr wahrscheinlich Falschinformationen, die Schriftarten in der Überschrift variieren und auf dem Nachrichtenportal findet sich die Überschrift nicht. Die Polizei reagiert auf eine Nachfrage zum Impfstatus auf Twitter: „bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Ermittlungen derzeit andauern.“ Auch auf Facebook berichtet eine Nutzerin, dass sie gelesen hat, dass der Täter nicht geimpft ist und fragt, ob das stimmt. „Dass die Menschen spekulieren, kann ich in so einer Situation sehr gut nachvollziehen. Kritisch wird es, wenn man das einfach so als Gerücht hinausposaunt“, sagt Kohring.

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Fake News verbreiten sich schneller als Nachrichten. „Das liegt daran, dass sie das bedienen, was idealen Nachrichten entspricht. Sie sind auf die Sensation ausgerichtet. Hast du schon gehört…?“, erklärt Kohring. Außerdem seien sie schwierig zu korrigieren. Selbst wenn jemand überzeugt sei, dass eine einzelne Falschnachricht nicht stimme, bliebe er bei seinem Narrativ und suche sich die nächste Information, die das stützt.

Insbesondere auf Social Media verbreiten sich viele Falschinformationen. „Jeder der ein bisschen clever ist, kann das produzieren. Die Produktionsseite wurde ausgeweitet und die Verbreitung ist so schnell, dass man nicht hinterherkommt. Das gab es früher nicht“, so der Professor.

Bei den falschen Informationen zum Täter vermutet Kohring keine politische Motivation. Es seien Leute, die sich gegenseitig die Schuld geben "und öffentliche Aufmerksamkeit wollen aber keine politischen Fake News.“

Kohring ist der Meinung, dass gegen Falschinformationen nur langfristige Widerstandsfähigkeit der Leser und Leserinnen helfe. „Wir brauchen politische Bildung, Medienkompetenz, also einen kompetenten  Umgang mit Nachrichten. Das muss schon in der Schule beginnen.“

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