Noch ist die Frage nach dem Warum nach den Schüssen in der Heidelberger Universität nicht geklärt. Was bringt einen 18-Jährigen dazu, auf seine Mitstudierenden zu schießen? Gleichaltrige töten zu wollen, die in einem Seminar gemeinsam lernen und sich so auf ihre Zukunft vorbereiten, die am Anfang ihres Erwachsenenlebens stehen? Solange so viele Fragen offenbleiben, können weder die Teilnehmer des angegriffenen Tutoriums noch die gesamte Uni noch die Stadt wirklich mit dem Amoklauf von Montag abschließen.
Die Ermittler arbeiten mit Hochdruck und Präzision daran, die Hintergründe zu klären und – falls es Mitverantwortliche geben sollte – sie zur Rechenschaft zu ziehen. Was die Einsatzkräfte seit Montag geleistet haben, wird zu Recht von allen Seiten gelobt. Binnen Minuten waren sie vor Ort, haben in einer äußerst gefährlichen und unübersichtlichen Lage ihr eigenes Leben riskiert und schnell die Situation in den Griff bekommen.
Schon wenige Stunden nach der Tat war das Geschehen sehr weit aufgearbeitet und konnte recht detailliert der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das, gemeinsam mit rasch kommunizierter Klarheit, ist das beste Mittel gegen ins Kraut schießende Spekulationen und Gerüchte, die sich gerade über elektronische Kanäle rasend schnell verbreiten und sonst leicht die Verunsicherung an der Uni vergrößert hätten.
Ein Seminarraum oder ein Hörsaal sind genauso intime Räume wie Klassenzimmer. Amokläufe an Schulen wie 2002 in Erfurt, 2009 in Winnenden oder 2010 in Ludwigshafen, wo ein ehemaliger Schüler einen Pädagogen tötete, haben diese Lernräume ein Stück weit ihrer Unschuld beraubt. Seither sind an allen Schulen detaillierte Notfallpläne erarbeitet worden. Auch an der Universität gibt es solche Vorbereitungen. Ihnen ist zu verdanken, dass am Montag schnell viele Uniangehörige informiert und gewarnt werden konnten.
Eine Universität ist – bei aller Tradition – ein Ort der Zukunft. Die Schüsse von Montag haben Uni und Stadt ins Herz getroffen. Heidelberg lebt von der Weltoffenheit seiner Forschungseinrichtungen, vom Gemeinschaftsgefühl und den vielen Erkenntnissen, die hier gewonnen und weitergegeben werden.
Jeder Bürger ist irgendwie mit dem schrecklichen Geschehen verbunden. Die Betroffenheit ist riesig. Es wird lange dauern, bis diese Horrortat in der Erinnerung den größten Schrecken verlieren wird. Wer die Trauer in Gemeinschaft am Dienstag auf dem Campus erlebt hat, empfindet Zuversicht, dass das gelingt.
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