Rhein-Neckar. „Es hat keine Absprache mit mir gegeben - schon gar nicht mündlich“, versichert der Mitarbeiter des Finanzamtes Heidelberg, der als Zeuge geladen ist. Am dritten von 16 anberaumten Prozesstagen geht die mühsame Aufarbeitung der „Kurzzeitkennzeichen-Affäre“ rund um die Zulassungsstelle des Rhein-Neckar-Kreises in Wiesloch weiter.
Bis zum Auffliegen 2015 soll ein Heidelberger Unternehmenskomplex - in enger Kooperation mit Mitarbeitern der Behörde - einen schwunghaften und lukrativen Handel mit den für Pkw-Überführungen gedachten gelben Kurzzeitkennzeichen betrieben haben. Die Wahrheitsfindung findet aktuell für einen Teilaspekt vor dem Mannheimer Landgericht statt: Im Kern geht es in diesem Prozess mit drei Angeklagten um die Frage, ob beim Weitervermitteln von Kfz-Kurzzeitkennzeichen dem Staat im großen Stil Umsatzsteuer vorenthalten wurde. Gegen sie und zwei Mitarbeiterinnen der Zulassungsbehörde ist zudem Ende 2019 Anklage wegen Bestechlichkeit und Bestechung erhoben worden. Eine Hauptverhandlung ist noch ausstehend.
Laxe Überprüfung
Abgeschlossen ist seit 2019 der Strafprozess vor dem Heidelberger Landgericht gegen vier Kfz-Verkäufer aus Berlin und Brandenburg. Sie hatten die leicht verfügbaren Kurzzeitkennzeichen mit dem Aufdruck „HD 04“ genutzt, um sie auch an zwielichtige Kunden weiterzugeben: Weil die Behörde nur laxe Kontrollen der echten Identitäten durchführte, waren die Kennzeichen zum Beispiel für Tankstellenbetrüger interessant - die Nachverfolgung der Autofahrer war nicht möglich.
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Der Unternehmer, seine Steuerberaterin sowie ein Angestellter - allesamt um die 50 Jahre alt - müssen sich zunächst seit 6. September vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichts verantworten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung in mehreren Fällen beziehungsweise Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Über vier Jahre verteilt sei so ein Schaden von insgesamt mehr als 6,2 Millionen Euro entstanden, betont die Anklage.
Als einzige von 400 Zulassungsstellen bundesweit hatte die Wieslocher Behörde eine spezielle Software installiert, mittels der Zulassungsdienste online Kurzzeitkennzeichen bestellen konnten. Die eigentlich für seltene Fälle etwa der Oldtimerüberführung gedachten Spezialkennzeichen tauchten bald massenhaft im gesamten Bundesgebiet auf.
Möglich gemacht habe das ab 2008 eine exklusiv innerhalb der Behörde installierte Software des Unternehmers, stellte ein Heidelberger Richter in seinem Urteil gegen die Kfz-Händler aus Berlin und Brandenburg fest. Der Heidelberger habe ein Monopol besessen und sogar Rabatte auf Verwaltungsgebühren erhalten, weil er für die bei ihm unter Vertrag stehenden Zulassungsdienste monatlich abgerechnet habe.
Inwieweit auf diese „Paketleistung“ Umsatzsteuer zu leisten gewesen wäre, soll nun im Mannheimer Gerichtssaal geklärt werden. Dafür sind noch bis Mitte Dezember einige Termine vorgesehen. „Die Angeklagten machen keine Angaben“, begründet der Vorsitzende Richter die aufwendige Detailarbeit.