Heidelberg. Den Gerichten geht die Arbeit nicht aus. Das ist auch beim Landgericht Heidelberg so. Doch es zeichnet sich eine Entwicklung ab, die sich noch nicht genau erklären lässt: Während die Zahl der Strafverfahren ansteigt, geht die Zahl der Zivilklagen zurück.
Seit August leitet Jens Martin Zeppernick das Landgericht Heidelberg, das für rund 480 000 Einwohner zuständig ist - ein Bereich, zu dem neben dem Amtsgericht Heidelberg auch die Amtsgerichte Sinsheim und Wiesloch gehören. Zeppernick hat zur Jahresmitte seinen Vorgänger Helmut Perron abgelöst, der in den Ruhestand ging. Gemeinsam mit einem Stellvertreter Tobias Quantz hat Zeppernick am Dienstag Pressevertretern die Jahresbilanz vorgestellt.
Der neue Landgerichtspräsident kennt die Metropolregion Rhein-Neckar sehr gut. Bevor er seit 2021 das Landgericht Offenburg leitete, arbeitete er unter anderem am Landgericht Mannheim und an der Hochschule für Rechtspflege in Schwetzingen, zunächst als Dozent, später als Rektor. „Die Justiz wird immer weiblicher“, freut sich Zeppernick mit Blick auf die Personalsituation des Gerichts. 63 Prozent der Richterstellen seien mit Kolleginnen besetzt. So erfreulich das sei, habe der hohe Grad an Teilzeitbeschäftigung sowie Elternzeiten dennoch auch manchmal Auswirkungen auf die Verfahrenslängen. Etwa, wenn sich Kolleginnen (oder Kollegen) intensiv in einen Fall eingearbeitet haben, ihn dann aber an andere Richter übergeben müssen, die sich neu einarbeiten müssen. Zwei Richterstellen fehlten aktuell, zeigt die Personaldeckungsanalyse. Das Ministerium wisse das, ist der Landgerichtspräsident zuversichtlich, dass die Lücke bald geschlossen wird.
Anzahl der komplexen Verfahren steigt
Unterstützung bekam das Landgericht im vergangenen Jahr von fünf Richterkollegen aus dem Amtsgericht. „Sie haben den Strafrichtern Vollstreckungsangelegenheiten abgenommen und damit den Rücken frei gehalten“, erklärt Zeppernick.
Denn gerade die großen Strafkammern haben es mit einer steigenden Zahl von komplexen Verfahren zu tun. Waren es 2020 noch 70 erstinstanzliche Strafverfahren, so werden es Ende 2024 voraussichtlich 99 sein. Dazu kommen in diesem Jahr 184 Berufungsverfahren. „Dolmetscher, Verteidiger, Staatsanwalt, Gutachter, Schöffen und mehrere Richter - allein die Terminabsprache für die in der Regel mehrtägigen Hauptverhandlungen ist sehr aufwendig“, gibt der Präsident einen Blick hinter die Kulissen. Trotz der vielen schweren Strafsachen ist die Verfahrensdauer rekordverdächtig: Sowohl beim Schwurgericht (4,3 Monate), als auch bei der Großen Strafkammer (4.9) und der Großen Jugendkammer (2,6) liegt die Verfahrensdauer deutlich unter dem OLG-Durchschnitt. An 253 Tagen gab es Verhandlungen im Landgericht - an jedem Werktag also im Schnitt zwei.
Verfahren vor dem Jugendspruchkörper nehmen zu, und die Straftaten der Jugendlichen werden schwerwiegender, ergänzt Gerichtssprecherin Ina Untersteller mit Verweis auf die beiden Tötungsdelikte in Sinsheim und St. Leon, begangen 2021 von einem 14-Jährigen und im Januar 2024 von einem 18-Jährigen.
Dass weniger Zivilklagen (das Landgericht ist zuständig für Forderungen ab 5000 Euro) eingereicht wurden, sei ein bundesweites Phänomen und hänge möglicherweise mit der zuletzt guten wirtschaftlichen Lage zusammen.
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