Justiz

Versuchter Mord in Kirchheim: Angeklagter muss in Psychiatrie

Bis zum Schluss hielt er daran fest, dass nur ein "Scheinprozess" gegen ihn geführt würde: In Frankenthal ist ein Prozess zu Ende gegangen, der von den kuriosen und teils befremdlichen Auftritten des Angeklagten lebte

Von 
Agnes Polewka
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Der Angeklagte Alexander D. mit seinem Verteidiger Sven Zill am ersten Prozesstag. © Susanne Merz

Kirchheim/Frankenthal.  „Alexander D. ist der Prototyp eines paranoid-schizophrenen Angeklagten, der in der Psychiatrie unterzubringen ist“, sagt Richterin Sonja Steingart im Sitzungssaal 20 des Frankenthaler Landgerichts, wo am Montag der Prozess gegen Alexander D. endet. Im Oktober begann das Verfahren gegen den 38-Jährigen wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung am Landgericht, weil er am 2. Mai dieses Jahres in Kirchheim an der Weinstraße seine Ex-Partnerin so lange würgte, bis sie das Bewusstsein verlor. Die Frau erlitt laut Gericht ein Schädel-Hirn-Trauma, Würgemale, Hautunterblutungen und eine Riss-Quetschwunde.

"Lehrbuchfall" der paranoiden Schizophrenie

Noch am gleichen Tag, da war Alexander D. bereits festgenommen worden, stürzte er sich laut Gericht auf seinen damaligen Anwalt, um auch ihn zu würgen. Der Mann erlitt unter anderem eine Rippenfraktur. Wenige Wochen später griff D. einen Justizvollzugsbeamten in der JVA Frankenthal an, der eine Gesichtsprellung davontrug.

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Wegen der psychischen Erkrankung - der Psychiatrische Sachverständige Thomas Funk attestierte ihm eine paranoide Schizophrenie „wie aus dem Lehrbuch“ - sei D. schuldunfähig und dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen, sagt Steingart an diesem letzten Verhandlungstag in einem Verfahren, das von kuriosen Auftritten des Angeklagten Alexander D. lebte: Einmal wollte er nicht in das Fahrzeug steigen, das ihn vom psychiatrischen Krankenhaus ans Gericht befördern sollte. Dann „beurlaubte“ er seinen Pflichtverteidiger Sven Zill, der neben ihm ausharrte. Während der Zeugenaussage seiner Ex-Partnerin, die D. fast tot würgte - Überwachungskameras haben die Tat festgehalten und D. hat sie eingeräumt - grinste und feixte er. Manchmal lachte er auch höhnisch auf. Und kurz vor Ende des Prozesses beleidigte er den Anwalt seiner ehemaligen Lebensgefährtin, Rechtsanwalt Niko Brill aus Mainz.

Sympotmatik verstärkte sich laut der Richterin während des Prozesses

Spätestens 2021 habe sich der Gesundheitszustand des Angeklagten rapide verschlechtert, sagt die Vorsitzende Richterin. Er habe sich hintergangen und bedroht gefühlt, sei verzweifelt gewesen. In seinem Wahn habe er Zeichen gesehen - auf Grabsteinen und in Autokennzeichen, er sprach von Abhörversuchen durch die NSA. „Die Symptomatik verstärkte sich während des laufenden Verfahrens“, sagt die Vorsitzende Richterin. „Für ihn führen wir hier nur einen Scheinprozess.“ Immer wieder rezitierte Alexander D. während des Prozesses das Bertolt Brecht zugeschriebene Diktum „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. „Das war in seiner Gedankenwelt vorherrschend, danach handelte er“, sagt Steingart.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten die dauerhafte Unterbringung des Angeklagten gefordert. „Jeder, der den Angeklagten in der Hauptverhandlung erlebt hat, kann die Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehen“, sagte Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz. Rechtsanwalt Niko Brill, Nebenklage-Vertreter der ehemaligen Lebensgefährtin, forderte hingegen eine Verurteilung: Der Angeklagte habe durchaus ein Unrechtsbewusstsein, die Tat habe nichts mit seinem Wahn zu tun, sondern mit seinem „asozialen Wesen“, so Brill.

Nach der Urteilsbegründung meldet sich der Angeklagte wieder zu Wort. Er werde Revision gegen die Entscheidung in diesem „Scheinprozess“ einlegen, sagt er.

Redaktion

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