Einzelhandel

"Janssen Kaffee" in Heidelberg schließt: So reagieren die Kunden

90 Jahre strömte der würzige Duft von frisch gerösteten Kaffeebohnen durch den Laden in Heidelberg. Nun bleibt "Janssen Kaffee" geschlossen für immer. Wie der letzte Tag in dem Geschäft war

Von 
Michaela Roßner
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„Janssen Kaffee“ in der Heidelberger Hauptstraße ist nun Geschichte: Am Montag öffnete Inhaberin Eva Klinge (r.) zum letzten Mal. © Philipp Rothe

Heidelberg. „Kaffee leider ausverkauft“ steht auf den eilig ausgedruckten weißen Papierblättern, die mit Tesafilm an die Glasscheibe von „Janssen Kaffee“ in Heidelberg geklebt sind. Mehr als 90 Jahre lang deckten sich Kunden in dem Geschäft mit eigener Rösterei mit den frisch gerösteten braunen Bohnen ein.

Am frühen Montagnachmittag schloss Inhaberin Eva Klinge den Laden ab - für immer. Seit die Schließung vor einigen Wochen bekannt gegeben worden war, war ein großer Ansturm ausgebrochen: Viele wollten ihre Vorräte noch einmal aufstocken.

"Janssen Kaffee" in Heidelberg: Ohne Ausschank und Kartenzahlung

„Um halb zwölf war der Kaffee aus“, erzählt Geschäftsfrau Klinge, bewegt von den vielen Reaktionen und Besuchen, die die Geschäftsnachricht ausgelöst hatte. In den allerletzten knapp drei Stunden bis zum endgültigen Geschäftsschluss gingen noch Tees und Accessoires über die Ladentheke - und große Blechdosen mit dem schwarzen „Janssen Kaffee“-Logo auf beigem Untergrund, das Stück für fünf Euro.

Am letzte Tag war der Kaffee bei "Janssen Kaffee" in Heidelberg ausverkauft. © Philipp Rothe

Gleich zwei Stück hat sich Dirk gesichert - seinen Nachnamen möchte er nicht in den Medien lesen. Für den „Ur-Heidelberger“ war es eine Ehrensache, heute in den Laden zu kommen. „Ich habe viele Jahre direkt gegenüber in einem Büro gearbeitet“, erzählt der 48-Jährige, „und immer hier meinen Kaffee gekauft“. Und was war seine Lieblingssorte‘? „Supremo“, antwortet Dirk, ohne zu zögern. Den Kaffee - oder Tee - kaufte man bei „Janssen Kaffee“ immer für daheim.

Einen Ausschank gab es nie. Auch Kartenzahlung war nicht möglich. Für den Filteraufguss oder die Maschine frisch gemahlen, wurde das Pulver seit eh und je in die immer gleich aussehenden, beigefarbenen Papiertüten gepackt. Plastik oder gar Alufolie kamen hier nie an den Muntermacher.

Seit 1958 ist "Janssen Kaffee" in der Heidelberger Hauptstraße

Auf bis zu 220 Grad wurden die Bohnen in einer riesigen Trommel erhitzt, die man hinter der Glasscheibe vom Laden aus sehen konnte. Eine Art Riesen-Wok mit Deckel holte dann etwa neun Minuten später schnell die frisch gerösteten Bohnen aus der Hitze zurück, damit das Rohmaterial nicht durch Nachhitze „auslaugte“.

Die großen Metallbehälter, in denen die Kaffeebohnensorten lagerten, stammten noch aus den Jahren, in denen Klinges Großvater Wilhelm Janssen die Fäden in der Hand hielt. Er hatte am 9. September 1933 in der Hauptstraße 16 - ein paar Meter neben der aktuellen Adresse - ein Kaffee- und Teegeschäft mit eigener Röstung eröffnet.

"Janssen Kaffee" in der Heidelberger Hauptstraße wird geschlossen. © Philipp Rothe

Nach dem Krieg übernahm Horst Klinge, der Stiefsohn des Firmengründers. Am 30. August 1958 zog das Geschäft in die Hauptstraße 29 um. Im ehemaligen Weinkeller hatten die Bohnen einen perfekten Platz gefunden, da das Gewölbe das ganze Jahr über gleichbleibend kühl ist.

Die heutige Inhaberin wuchs im Kaffeeladen auf und half früh mit. Nach einer Ausbildung im Verlagswesen und einem BWL-Studium übernahm sie das Geschäft. Nun möchte sie den wohlverdienten Ruhestand genießen. Für das Geschäft gibt es wohl schon Ideen - die dürfen aber noch nicht verraten werden.

Kaffeeboxen mit dem Logo gehen von Heidelberg aus auch ins Ausland

Beige Blechdosen, in denen früher die Bohnen im Laden aufbewahrt wurden, sind der Verkaufshit. „Eine ging heute schon nach New York, eine nach Frankreich“, kann Eva Klinge tatsächlich von internationalem Interesse an der Marke „Janssen Kaffee“ berichten.

Und auch die beiden Boxen, die „Dirk von früher gegenüber“ gekauft hat, bleiben nicht in der Stadt: „Ich werde sie einem Freund nach Taiwan schicken“, verrät der neue Besitzer. Der nun in Asien wohnende Kaffee-Fan habe früher hier am Neckar gelebt - und die Nachricht von der Schließung des Kaffee-Ladens aus den Online-Berichten der hiesigen Tageszeitungen traurig aufgenommen.

„Tschüss ihr alle“ ruft Kundin Marianne Blumenthal in die Runde. Sie hat für jede Verkäuferin ein Blümchen und ein hübsches Taschentuch mitgebracht. Traurigkeit, aber auch Freude - beides ist an diesem letzten Öffnungstag zu spüren.

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Seit „70 Jahren Kundin“, kam die rüstige 80-Jährige zum ersten Mal an der Hand ihrer Mutter in den Laden. „Ich kenne alle Mitarbeiterinnen schon ganz lange.“

Wie es ihr geht, fragen wir Rita Deutsch, die 26 Jahre lang bei „Janssen Kaffee“ arbeitete? „Gut!!!“, ruft sie und lacht - wie ihre Chefin freut sie sich auf den Ruhestand. Diese geht mit dankbaren Gefühlen in die neue Lebensphase: „Es war toll, so viel Wertschätzung zu bekommen.“

Als Klinge am letzten Tag den Laden aufschloss, warteten schon sieben oder acht Kunden draußen. Am Samstag war der Andrang so groß, dass das Geschäft kurzfristig eine halbe Stunde zu gemacht wurde - „zum Nachfüllen, und damit wir mal Pause machen konnten“.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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