Amoktat - Nach den tödlichen Schüssen im Heidelberger Hörsaal werden Fake News auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüft

Ermittler prüfen Strafbarkeit von Falschmeldungen

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Michaela Roßner
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Ein Streifenwagen steht einen Tag nach der Tat auf dem Gelände des Botanischen Gartens in Heidelberg. © Philipp Rothe

Heidelberg. Ein Mann im Tarnfarben-Overall, in den Armen ein Gewehr. Sein angeblicher Name wird genannt, und dass er der Täter sei. Das ist eine Meldung, die am Montag in Sozialen Netzwerken geteilt wurde, kurz nachdem ein 18-Jähriger in einem Heidelberger Hörsaal um sich geschossen hatte. Eine von mehreren gezielt gestreuten Falschmeldungen, wie sich bald herausstellte. Fake News wie diese sind es, die verunsichern und sogar die Ermittlungen der Polizei erschweren. Meldungen, denen die Polizei nachgehen wird und die eventuell strafrechtlich verfolgt werden.

Wie berichtet, war der an der Heidelberger Uni in den Biowissenschaften eingeschriebene Student am Montagmittag in einen Hörsaal gestürmt, in dem sich Studienanfänger gerade in einem Tutorium mit Grundlagen der Organischen Chemie beschäftigten. Er habe drei junge Frauen und einen jungen Mann angeschossen; eine 23-jährige stirbt später im Krankenhaus. Sie stammte nach Angaben der Polizei aus Landau, wohnte aber zuletzt in Heidelberg. Als der Täter flüchtete, stand er unvermittelt zwei Mitarbeitern des Instituts gegenüber, die flüchten konnten. Im Außengelände erschoß sich der in Berlin aufgewachsene Täter selbst. Während starke Polizei und SEK-Kräfte noch routinemäßig das Gelände nach einem Komplizen absuchten, machten die erfundenen Nachrichten die Runde.

Kondolieren im Rathaus

  • Blumen und Kerzen an mehreren Stellen in der Stadt: Die Anteilnahme ist nach der Amok-Tat groß. Ein 18-Jähriger war am Montag, 24. Januar, bewaffnet in einen Hörsaal im Neuenheimer Feld gestürmt und hatte auf Studierende geschossen, bevor er sich selbst richtet. Eine 23-Jährige starb später im Krankenhaus. Die Stadt Heidelberg hat im Foyer des Rathauses am Marktplatz ein Kondolenzbuch ausgelegt. Es ist zu den regulären Öffnungszeiten des Rathauses – montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr – zugänglich. Das Kondolenzbuch werde anschließend der Universität Heidelberg übergeben, teilte die Stadtverwaltung mit. Der Zugang sei ausschließlich mit 3G-Nachweis und FFP2 – oder einer vergleichbaren Maske – möglich.
  • Mit einer Schweigeminute hat der Heidelberger Gemeinderat zu Beginn der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Mittwoch, 26. Januar, der Opfer der Gewalttat gedacht. Vor dem Gebäude der Neuen Universität in der Altstadt, vor der Zentralmensa im Neuenheimer Feld und vor dem Hörsaal, in dem die Tat sich ereignete, haben Trauernde Blumen und Kerzen abgelegt. Es werde „Zeit, Orte und Begegnungen brauchen, um das Geschehene zu verarbeiten – für die unmittelbar ebenso wie für die mittelbar Betroffenen“, formulierte Unirektor Bernhard Eitel. Für Montag, 31. Januar, plant die Universität eine Trauerfeier in der Peterskirche. 

Löschung veranlasst

„Wir haben uns in sieben Fällen wegen Fake News um den Täter an Twitter gewandt, um die Löschung von Meldungen zu veranlassen“, sagte Polizeisprecher Patrick Knapp. Gründe seien nicht belegte Aussagen zu Identität, Herkunft, politischer Orientierung oder Impfstatus des mutmaßlichen Attentäters gewesen. Dabei waren drei unschuldige Männer ins Fadenkreuz geraten.

„Viele dieser Nachrichten sind nicht nur als Gerüchte einzustufen, sondern als gezielt lancierte falsche Nachrichten (,Fake-News’), um zu verunsichern und die Ermittlungen zu erschweren“, formuliert ein Polizeisprecher am Mittwoch. Diese Nachrichten würden ausgewertet, gesichert und auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft. Gegebenenfalls würden Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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Die Ermittlungsgruppe „Botanik“ der Kriminalpolizei Heidelberg hat inzwischen die Herkunft der Waffen geklärt, die sich der in Mannheim lebende 18-Jährige einige Tage vor der Tat am 24. Januar gekauft hatte. „Wie die Ermittlerinnen und Ermittler herausfanden, erwarb der 18-Jährige etwa eine Woche vor der Tat in Österreich insgesamt drei Langwaffen. Zwei dieser Waffen wurden neben rund 150 Schuss Munition am Tatort sichergestellt“, meldeten Staatsanwaltschaft Heidelberg und Polizeipräsidium Mannheim am Mittwochabend. Die dritte Waffe, eine Büchse, die nach Medienberichten einem Privatmann abgekauft wurde, sei von der österreichischen Polizei in einem Zimmer, das der 18-Jährige bei seinem Aufenthalt in Österreich angemietet hatte, gefunden worden.

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„Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen soll er die beiden bei der Tat in Heidelberg verwendeten Waffen bei einem Waffenhändler und die dritte bei einer Privatperson jeweils in Österreich erworben haben“, berichtete der Polizeisprecher. Inwieweit sich der Waffenhändler beziehungsweise seine Mitarbeiter wegen des Waffenverkaufs strafrechtlich zu verantworten haben, werde geprüft. Dies gestalte sich allerdings wegen der unterschiedlichen Rechtslage in Österreich und Deutschland „als schwierig“.

Meldungen, der erst seit Kurzem in Mannheim lebende Täter sei Mitglied der rechtsextremen und 2013 in Heidelberg gegründeten Partei „Der Dritte Weg“ gewesen, bezeichnet die Organisation auf ihrer Internetseite selbst als „Fake News“: Der 18-Jährige habe vielmehr im September 2019 einen nicht unterschriebenen Fördermitgliedsantrag geschickt. Der Antrag sei abgelehnt worden, auch Zahlungen habe er nie geleistet. Der nicht unterschriebene Antrag sei bei der Hausdurchsuchung des damaligen Parteivorsitzenden im März 2020 gesichert.

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Auch über die laut Polizei und Staatsanwaltschaft „im Raum stehende psychische Erkrankung“, die als Motiv in Frage komme, berichtet das Nachrichtenmagazin „Spiegel“: Der Vater des Heranwachsenden habe den Ermittlern bestätigt, dass sein Sohn in der Vergangenheit mehrfach psychische Probleme gehabt habe. So ist von Schizophrenie und Anpassungsstörungen die Rede. (mit dpa)

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg