Maßregelvollzug

Derzeit 26 Patienten im „Faulen Pelz“ in Heidelberg

Im ehemaligen Altstadt-Gefängnis in Heidelberg steigen die Belegungszahlen. Seit August als Einrichtung des Maßregelvollzugs eröffnet, werden dort aktuell 26 suchtkranke Straftäter behandelt. Womit die Einrichtung zu kämpfen hat

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Bernhard Zinke
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Die Leiter des Maßregelvollzugs im „Faulen Pelz“ zeigen den SPD-Landtagsabgeordneten Sebastian Cuny (3.v. l.) und Jonas Weber (4.v.l.) den neuen Sportplatz. © S. Arndt

Heidelberg. Ein wenig hat sich die Optik des ehemaligen Altstadt-Gefängnisses gewandelt. Die Abschlüsse der Flure sind keine massiven Gitter mehr, sondern schwere Türen mit Sicherheitsglas. Die Wände haben frische Anstriche bekommen. Laminat liegt auf den Fußböden der Zellen. Die Zellentüren sind aber immer noch massiv, die Zellen selbst mit Tisch, Schrank, Bett, Toilette und Waschbecken nicht eben wohnlich. Immerhin: Zwischen 7 und 21 Uhr sind die Türen geöffnet. Dann können die Patienten, die hier untergebracht sind, sich frei im Flur bewegen. In der Nacht werden die Zellen abgeschlossen. Handwerker sind an verschiedenen Stellen noch bei der Arbeit, Möbelpacker bringen Einrichtungsgegenstände. Im „Faulen Pelz“ in Heidelberg nimmt der Maßregelvollzug weiter an Fahrt auf.

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Im August sind die ersten suchtkranken Straftäter hier untergebracht worden. Mittlerweile belegen 26 Patienten zwei Stationen, eine dritte wird in den kommenden Tagen eröffnet. Noch bevor die Station im Neubau in Dienst gestellt wird, dürfen die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Sebastian Cuny (Weinheim) und Jonas Weber (Rastatt) einen Blick in die Zellen werfen und auch den neuen Sportplatz in Augenschein nehmen, der im Innenhof des Gefängnisses aufgebaut wurde und seit Montag nutzbar ist. Um 7.30 Uhr gibt’s hier die erste Frühsport-Einheit. Sport sei eminent wichtig für die Menschen hier, die oft ein gestörtes Körpergefühl hätten, beschreibt Matthias Wagner, der Medizinische Leiter der Einrichtung, den Sinn und Zweck des Sportplatzes. Der sei keineswegs Luxus, sondern wichtiger Teil der Therapie.

Die Not des Landes ist groß

Allerdings wird im Gespräch mit den beiden Politikern – Weber ist Strafvollzugsbeauftragter seiner Fraktion – sehr schnell deutlich, woran es im System hapert. Schließlich hat das Sozialministerium händeringend ein gesichertes Gebäude gesucht, in dem es vorübergehend Suchtkranke im Maßregelvollzug unterbringen und therapieren kann. Fast angefleht hat Sozialminister Manne Lucha die Stadt Heidelberg und den Gemeinderat mit der Bitte, den „Faulen Pelz“ für die Übergangszeit bis Mitte 2025 zu überlassen. Bis dahin sollen in Calw weitere 100 Plätze neu eingerichtet sein und die Heidelberger Patienten umziehen. Denn unterm Strich gibt es viel zu wenige Therapieplätze in Baden-Württemberg. Bis zu 50 suchtkranke Straftäter müssten derzeit aus der sogenannten Organisationshaft wieder auf freien Fuß gesetzt werden, weil einfach kein Therapieplatz zu finden sei. „Wir sind organisatorisch nicht in der Lage, rechtsstaatliche Entscheidungen umzusetzen“, ärgert sich Weber.

Der Faule Pelz

  • Nach langen Verhandlungen und Gerichtsverfahren hat das Sozialministerium der Stadt Heidelberg abgerungen, dass das ehemalige Altstadtgefängnis für den Maßregelvollzug genutzt werden darf.
  • Die Nutzung gilt nur bis Mitte 2025. Dann soll die Uni in den Gebäudekomplex einziehen.
  • Untergebracht werden suchtkranke Straftäter zu Beginn ihrer Therapie. Sie erhalten keinen Freigang.

Das Problem liegt laut Matthias Wagner an der in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Zahl der Unterbringungen. Man respektiere selbstverständlich die Unabhängigkeit der Justiz und sei auch permanent im Austausch. Allerdings würden seit einigen Jahren verstärkt Menschen im Maßregelvollzug nach Paragraf 64 untergebracht, die schlicht nicht suchtkrank – und damit auch nicht therapierbar – seien. „Wir haben Personen, die trinken am Wochenende eine Flasche Whisky und nehmen zwei Nasen Kokain. Die haben am Montag aber keine Entzugserscheinungen. Die haben schlicht einen dissozial-kriminellen Lebensstil“, sagt Wagner. Auch Dealer, die kein Suchtproblem hätten, würden so oft entgegen der Beurteilung von Gutachtern bei Strafprozessen im Maßregelvollzug untergebracht.

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Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Fachleute in Heidelberg, zu Beginn des Maßregelvollzugs herauszufinden, ob die Menschen überhaupt ein Suchtproblem haben. Haben sie dieses nicht, gehen sie sofort zurück in den Strafvollzug, beschreibt Wagner das Procedere. Das dauere aber bis zu sechs Monate und verschwende Ressourcen, die an anderer Stelle benötigt würden. Und diese Klientel sei erstaunlich groß.

Sprachkenntnisse ein Problem

Ein weiteres Problem sind auch die kaum vorhandenen Deutschkenntnisse bei vielen Patienten. Im Calw seien bei der Erstbelegung im Jahr 2008 bei 100 Patienten 20 Nationen vertreten gewesen. Heute habe sich die Zahl locker verdoppelt. „Sprache ist ein wichtiger Bestandteil von Integration. Aber wenn hier einer kein Deutsch spricht, wie will man den therapieren?“ fragt Wagner. Deshalb werden Lehrkräfte eingesetzt, die Deutsch unterrichten.

Auch hat das Land große Probleme, Pflegekräfte zu finden, bestätigt die Leitende Chefärztin Mirjam Krieger-Rohrbach: „Pflegepersonal ist Mangelware“. Aber Matthias Wagner beruhigt: „Wir nehmen hier keine Station in Betrieb, für die wir nicht genügend Personal haben.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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