Das ehemalige Gefängnis in der Heidelberger Altstadt wird für die kommenden zwei Jahren für den Maßregelvollzug genutzt. Am Dienstag ziehen die ersten suchtkranken Straftäter ein. Die Planungen laufen seit Monaten, die konkreten Vorbereitungen seit etwa drei Wochen, bestätigt ein Sprecher des Sozialministeriums. Nach und nach sollen fünf Patienten pro Woche einziehen: „Bei Vollbetrieb stehen 80 Behandlungsplätze gemäß Paragraf 64 Strafgesetzbuch zur Verfügung.“ Alles verlaufe nach Zeitplan.
Am Donnerstag hatte der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha auf seiner Sommertour durchs „Ländle“ im „Faulen Pelz“ Station gemacht. Anstaltsleiterin Mirjam Krieger-Rohrbach begleitete ihn beim Rundgang. Am selben Tag war die für elf Millionen Euro umgerüstete Einrichtung für ihre Interims-Zwecke abgenommen worden. Wenn die Stationen nicht mehr benötigt werden, weil an anderen Orten Kapazitäten ausgebaut wurden, soll das alte Gefängnis der Universität zur Verfügung gestellt werden. Die Stadt hatte sich längere Zeit gegen die Pläne des Sozialministeriums gewehrt und sie auch juristisch angefochten. Am Ende schloss man einen Kompromiss.
Acht Jahre schlummerte das alte Gefängnis in der Heidelberger Altstadt vor sich hin. Seit Wochen nun werden die Sanitäranlagen ausgetauscht, Wände und Böden saniert und moderne Sicherheitstechnik installiert. Fünf Stationen werden eröffnet - zwei im Altbau von 1844, drei im 1910 errichteten „Neubau“.
Die Patienten, die hier einziehen , sind zum Maßregelvollzug nach Paragraf 64 Strafgesetzbuch verurteilt - oder nach einer Straftat wegen Suchterkrankung in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Doch es genügt nicht, diese Menschen in einer Vollzugsanstalt unterzubringen - sie haben vielmehr nach dem Gesetz Anspruch auf Behandlung ihrer Erkrankung. Werden sie zu lange im herkömmlichen Strafvollzug „geparkt“, müssen sie unter Umständen freigelassen werden, was immer wieder vorkommt.
Gesetzesänderung steht bevor
Immer mehr Angeklagte werden von den deutschen Gerichten nach Paragraf 64 verurteilt. Betraf das vor sechs Jahren noch rund 1000 Patienten in Baden-Württemberg, sind es im vergangenen Jahr 1400 Menschen gewesen. Paragraf 64 soll nun enger gefasst werden, eine entsprechende Gesetzesvorlage wurde gerade vom Bundesrat gebilligt und soll im Oktober in Kraft treten.
Das Land arbeitet gleichzeitig am Ausbau der Kapazitäten: Die Behandlungsplätze im Maßregelvollzug nach den Paragrafen 63 und 64 (psychisch kranke Straftäter) seien in Baden-Württemberg seit Anfang 2017 von 1028 bis Ende Juni 2023 um mehr als 42 Prozent auf 1468 Plätze erhöht worden, belegt ein Sprecher des Ministeriums das mit Zahlen.
In Calw ist ein Erweiterungsbau mit 50 Plätzen in Bau, der im kommenden Jahr fertig werden soll. Und wenn in Schwäbisch Hall 2025 der Neubau einer Klinik mit 100 Plätzen eröffnet, wird der „Faule Pelz“ wieder aufgegeben.
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