Engagement

Dem Weißen Ring Rhein-Neckar gehen die Helfer aus

Der Weiße Ring Rhein-Neckar sucht ehrenamtliche Mitarbeiter. Welche Aufgaben die freiwilligen Helfer, die Opfern von Kriminalität zur Seite stehen, erwarten - und was sie dafür zurückbekommen

Von 
Michaela Roßner
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Sie kümmern sich um Opfer (v.l.): Psychologin Mareike Keller vom Childhood-Haus in Heidelberg und Patricia Wickert, Geschäftsstellenleiterin des Weissen Rings Rhein-Neckar. © Michaela Roßner

Heidelberg. Es ist ein Ehrenamt, das viel Einfühlungsvermögen erfordert und die Helfer eher mit den Schattenseiten des Lebens konfrontiert: Männer und Frauen, die sich mit dem Weißen Ring um Opfer von Kriminalität kümmern. Da sein, zuhören, schnell an kompetente Hilfsangebote vermitteln, das sind unter anderem die Aufgabe dieser Experten für die Nöte jener, die in der Kriminalitätsstatistik hinter anonymen Zahlen stehen.

Doch dem Weißen Ring gehen – wie vielen anderen Vereinen auch – die ehrenamtlichen Unterstützer aus. Dabei bietet eine solche Tätigkeit auch die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Childhood-Haus von Königin Silvia eröffent

Psychologin Mareike Keller vom Childhood-Haus in Heidelberg mag die Mitarbeiter des Weißen Rings und ihre Kompetenzen nicht missen. In Trägerschaft des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Heidelberg ist 2019 von der schwedischen Königin Silvia ein Childhood-Haus eröffnet worden. Minderjährige Opfer von Gewalt werden hier betreut. Von der ärztlichen Untersuchung über die Beratung bis zur richterlichen Befragung finden die Mädchen und Jungen und ihre Familien alle notwendigen Anlaufstellen unter einem Dach.

Ein „Herumirren“ zu Behörden und Institutionen bleibt ihnen so erspart. Auch die Mitarbeiter des Weißen Rings kommen hier auf Wunsch her, um den Familien etwa erste Beratung anzubieten oder ein kostenloses Gespräch mit einem Opferanwalt zu vermitteln.

Der Weiße Ring Rhein-Neckar ist zuständig für den großen Landkreis Rhein-Neckar, in dem rund eine Million Menschen leben. Aktuell kümmerten sich drei Kollegen um die Anfragen und Fälle. Leiterin Patricia Wickert möchte diesen Kreis gerne etwas erweitern und weitere Menschen für die ehrenamtliche Arbeit im Weißen Ring gewinnen. Zumal die Geschäftsstellen in Mannheim und Heidelberg gerade personell verwaist sind. Was nicht heißt, dass die Opferarbeit in diesen beiden Städten nicht stattfände – im Gegenteil: Die Kreisgeschäftsstelle kümmert sich von Heidelberg aus auch um diese Anfragen.

Dabei ist die Arbeit offensichtlich wichtiger denn je: Einer Erhebung des Weißen Rings zufolge wurde 2022 fast die Hälfte aller Anträge auf Entschädigung von Gewaltopfern in Deutschland abgelehnt. Das sei ein neuer Negativrekord, so die Hilfsorganisation. Von deutschlandweit rund 13 200 erledigten Anträgen wurden 2022 demnach rund 6300 abgelehnt, meldete die Nachrichtenagentur dpa . Das entsprach rund 47,3 Prozent der Anträge.

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828 Mal hat der Weiße Ring Kriminalitätsopfern in Baden-Württemberg allein im ersten Halbjahr 2022 geholfen. Rund 280 000 Euro zahlte der Verein aus, um die Folgen von Straftaten für die Geschädigten abzufedern. Das berichtete Günther Bubenitschek, Landespräventionsbeauftragter des Weißen Rings Baden-Württemberg, kürzlich im Gespräch mit dieser Redaktion.

Engagement ist flexibel

Die vielleicht größte Hürde, sich ehrenamtlich beim Weißen Ring zu engagieren, ist die zeitliche Flexibilität, die nötig ist. „Jeder engagiert sich so viel, wie er möchte und kann“, betont Wickert indes. Und als Außenstellenleiterin fühlt sie sich nicht nur verantwortlich dafür, dass den Opfern möglichst gut und schnell geholfen wird, sondern auch dafür, dass die Helfer nicht über die eigenen Kräfte gehen. Etwa 150 Fälle bearbeiten die Mitarbeiter der Kreisgeschäftsstelle Rhein-Neckar im laufenden Jahr.

Im Jahr davor waren es deutlich weniger, 120 Anfragen. Und in den Pandemie-Jahren gab es rekordverdächtig wenige Fälle. Das habe aber nicht daran gelegen, dass weniger Menschen Opfer von Gewalt geworden wären, ist die Expertin, die seit vielen Jahren im Bereich Prävention arbeitet, sicher: „Die Menschen konnten sich schwerer aus dem Dunstkreis etwa der häuslichen Gewalt entfernen.“

Interessierte nehmen an Seminaren teil

Bei den Gesprächen mit Menschen, die sich an den Weißen Ring wenden oder dorthin vermittelt werden, sind die Ehrenamtlichen niemals allein: „Bei uns gilt das Vier-Augen-Prinzip“, berichtet Wickert. Das geschehe auch als Schutz für die Mitarbeiter. Außerdem sähen und hörten zwei Mitarbeiter mehr als einer, und der Austausch sei wichtig. In Stufen durchlaufen an einer Mitarbeit Interessierte zudem Seminar- und Weiterbildungsangebote, die viele auch als Bereicherung ihrer Persönlichkeitsentwicklung schätzten. „Ganz am Anfang laufen Interessenten erst einmal als Praktikanten mit und können dann entscheiden, ob diese Arbeit vielleicht etwas für sie ist“, fügt Wickert hinzu.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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