Ein Tisch, ein Bett, ein Schrank, auf kleinstem Raum – aber viel Platz für Selbstverwaltung und gemeinsames Leben in Nachhaltigkeit: So sieht das Konzept des „Collegium Academicum“ (CA) aus, eines Wohnheims in der Heidelberger Südstadt für 176 Studierende und Auszubildende. Die Verantwortlichen mussten in den vergangenen fünf Jahren einige Hürden überwinden, mitten in der Pandemie bauen und viel Eigenarbeit investieren. Nun ist der Neubau auf der Konversionsfläche „Hospital“ fast fertig. Die Bewohner ziehen in dieser Woche nach und nach ein.
Helen Fischer hat sich ihr sieben Quadratmeter großes neues Reich schon sehr gemütlich eingerichtet: Die Möbel sind aus rohem Holz in den vergangenen Wochen – Marke Eigenbau in der eigenen CA-Werkstatt – entstanden. Das Bett ist bezogen, der Schrank mit Wäsche gefüllt, und über dem Kopfkissen hängt ein Traumfänger. Die Studentin hätte ihr Zimmer dank variabler Wände auch auf das Doppelte ausweiten können. Wollte sie aber nicht: „So können wir mehr Quadratmeter als Gemeinschaftsfläche in unserer WG verwenden – und wir wollen ja schließlich zusammen leben.“ Etwa die Hälfte derer, die nun einziehen, haben sich ähnlich entschieden. Das seien vor allem jene, die schon lange beim Projekt dabei sind. In unzähligen Projektsitzungen haben sie sich ihren Traum vom selbstverwalteten und gemeinschaftlich organisierten Leben verwirklicht.
Vier Jahre Bauzeit
Namensgeber für das Wohnheim, in dem ein Zimmer inklusive Internet und Heizung unschlagbare 340 Euro kostet, ist das alte „CA“. Es war in den 1970er Jahren in einem Unigebäude in der Altstadt gegründet worden. Baubeginn für das neue CA war im Juli 2019. Im April 2021 wurde Richtfest gefeiert. 46 Wohngemeinschaften für drei oder vier Personen sind auf die vier Etagen des Neubaus verteilt. Die meisten WGs haben sich bei einem Arbeitscamp im Sommer 2021 gebildet.
So fanden auch Georg und Tobi aus Karlsruhe und der Bodenseeregion zueinander. Nun richten sie ihr neues Zuhause ein, die „WG 1.11“. Da beide – und wohl auch ihre beiden weiteren WG-Freunde – gerne Brettspiele machen, haben sie sich in der CA-Werkstatt einen Esstisch aus hellem Holz gebaut, der ruckzuck in einen Spieltisch verwandelt wird: Dazu muss nur die zweiteilige Tischplatte abgenommen werden. So muss das Brettspiel nicht unterbrochen werden, wenn die Spieler ihr Essen genießen. Eine ganze Weile sei der Tisch im Keller des Altbaus eingelagert gewesen, der neben dem CA-Neubau noch saniert werden muss. Nun durften ihn die Studierenden endlich herüber holen.
Fast ein Jahr später als ursprünglich kalkuliert wurde der Neubau fertig. Am Freitag kam die Zusage, dass nun auch die Schlüssel übergeben werden dürfen, erklärt Mirjam Hoffmann, die im Projektteam engagiert ist.
Endlich Schlüsselausgabe
Bis die letzte Kleinigkeit geklärt war, durften keine WG-Schlüssel ausgegeben werden. Georg und Tobi überbrücken die Wartezeit mit Couch-Surfing seit Dezember bei Freunden und bei Privatvermietern. Wulf Schlig begleitet die neuen Bewohner mit drei großen Metallringen mit Schlüsseln zu ihren Zimmern und schließt auf. Hannes und Elisa beantworten am Eingang zum künftigen Innenhof die Fragen der Neuankömmlinge. Die Einzugswoche ist gut vorbereitet: Jeder künftige Bewohner ist einer Gruppe und einem Einzugstag zugewiesen. Im Eingangsbereich zur künftigen Aula organisiert Johanna die Werkzeug- und Materialausgabe.
Georg holt sich hier gerade eine vorbereitete Brottüte mit Schrauben für das standardisierte Holzbett ab. Akkuschrauber, Hammer, Schraubendreher und Putzgeräte kann man sich hier ebenfalls ausleihen. Die ersten Eltern sind ebenfalls schon zu entdecken: Ein Vater trägt Tüten und Möbel nach oben in die WG seiner Tochter.
Zum Empfang der neuen Bewohner gehört auch, dass noch einmal ordentlich Werbung gemacht wird in Sachen Finanzierung: „Wir müssen uns alle noch einmal anstrengen und schauen, dass wir noch einige Direktkredite und Spenden bekommen“, erklärt Hoffmann. 500 000 Euro sollen bald für die Sanierung des Altbaus zusammenkommen.
22 Millionen Euro investiert
In den Neubau wurden 22 Millionen Euro investiert. „4,1 Millionen haben wir bislang an Direktkrediten eingeworben“, fügt Hoffmann hinzu. Inzwischen seien die Kreditbedingungen und Zinsen den aktuellen Entwicklungen angepasst worden. Die meisten Kreditgeber indes, so der Eindruck des Organisationsteams, unterstütze das Projekt vor allem aus ideellen Gründen – und eher nicht, um das Geld gewinnbringend anzulegen. Am 19. Februar gibt es um 14 Uhr wieder einen öffentlichen Rundgang über die Baustelle. Anmeldung per Mail an: exkursion@collegiumacademicum.de.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-bewohner-ziehen-in-das-neue-collegium-academicum-in-heidelberg-_arid,2051852.html