Aufklärung läuft

Anonyme Vorwürfe von DAI-Mitarbeitern: Mobbing und Missachtung von Arbeitnehmerrechten?

Von 
Michaela Roßner
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Das Deutsch-Amerikanische Institut in der Sofienstraße 12 ist eine Institution für Kultur und politische Bildung. Hinter den Kulissen scheint es zu brodeln. © Philipp Rothe

Heidelberg. Es ist eine der renommiertesten privaten Kultureinrichtungen in der Stadt, namhafte Referenten – darunter regelmäßig Nobelpreisträger – sind hier zu Gast. Doch hinter den Kulissen des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI) in Heidelberg scheint es gehörig zu rumpeln: Mit einem anonymen Brief wandten sich Beschäftigte an die Öffentlichkeit und den Trägerverein sowie den Freundeskreis. Darin fordern sie offenbar die Absetzung des Direktoriums mit Stellvertretung.

„Wir freuen uns auf viele inspirierende zwischenmenschliche Begegnungen in den kommenden Monaten“, begrüßt das DAI die Besucher seiner Internetseite aktuell mit der Programmübersicht. Doch seit Tagen stehen dem Vernehmen nach intern reihenweise Gespräche und Sitzungen an.

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Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ hatte zuerst über eine Beschwerde von Beschäftigten berichtet. Es soll ein anonymes Schreiben sein, mit dem die zehn Mitarbeiter – was in etwa der Hälfte der Belegschaft entsprechen würde – sich an die Schurman-Gesellschaft als Träger gewandt hatten. Auch der Freundeskreis des DAI und Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson sollen das Schreiben bekommen haben. Darin sei von Mobbing, Missachtung von Arbeitnehmerrechten sowie einer „toxischen Atmosphäre“ die Rede. Auf Nachfrage sagte die Vorsitzende des Freundeskreises dieser Redaktion, dass man keine Stellungnahme abgeben werde. Eine Kanzlei soll mit der Aufklärung betraut worden sein.

„Sachverhalte nicht bekannt“

„In dem anonymen Brief wird auf Sachverhalte hingewiesen, die der Stadtverwaltung bis dato nicht bekannt gewesen sind“, teilt ein Sprecher der Stadtverwaltung nun mit. „Es ist für Oberbürgermeister Eckart Würzner und Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson selbstverständlich, dass die Vorwürfe restlos aufgeklärt werden müssen“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt weiter. Es gebe hierfür „klare Kontrollstrukturen innerhalb des DAI“, verweist der Stadtsprecher auf den Verwaltungsrat und dem Freundeskreis des DAI. Letzterer hat mehr als 5000 Mitglieder. Diese Kontrollstrukturen griffen bereits: „Der Verwaltungsrat hat über diesen Vorgang beraten und beschlossen, der Sache durch die Einleitung einer unabhängigen Untersuchung zeitnah nachzugehen“, betont der Sprecher. Oberbürgermeister Würzner und Kulturbürgermeister Erichson hätten ebenso wie der Verwaltungsrat der Schurman-Gesellschaft der Geschäftsführung des DAI „ihr volles Vertrauen ausgesprochen.“

Ein Experte für Arbeitsrecht aus der renommierten Kanzlei von Insolvenzberater Jobst Wellensiek soll mit der Aufklärung betraut worden sein. Auf Anfrage dieser Redaktion an ihn reagiert Joachim Gerner, früher Kulturbürgermeister und heute Vorsitzender der Schurman-Gesellschaft: „Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich als Vorstandsvorsitzender der Schurman-Gesellschaft, dem Träger des DAI, erst dann qualifiziert äußern kann, wenn Belege für die Vorwürfe auf dem Tisch liegen und von einer unabhängigen Stelle begutachtet und bewertet worden sind. Vorher wäre jede Äußerung nur Spekulation. Ich denke, dieses Vorgehen trägt sowohl dem Anliegen der anonymen Beschwerdeführer, das ich sehr ernst nehme, Rechnung, wie auch dem Anliegen der Direktion des DAI in dieser Angelegenheit.“

Die Schurman-Gesellschaft ist ein in der Heidelberger Plöck 61 gemeldeter, 1991 gegründeter Verein. Der gebürtige Kanadier Jacob Gould Schurman (1854-1942 ) war von 1925 bis 1930 amerikanischer Botschafter in Berlin. Er hatte in Deutschland studiert und setzte sich für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland ein. Die Für die Heidelberger Uni sammelte er mehr als eine halbe Million Dollar, damit sollte ein neues Hörsaalgebäude errichtet werden (Quelle: Detlef Junker, Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies). Als die Nazis Stadt und Universität vereinnahmten, zog sich Schurman zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente sein Vorbild an der Universität Heidelberg für den Aufbau der Amerika-Studien.

Das DAI ist das größte von zehn Deutsch-Amerikanischen Instituten bundesweit. Kernstück ist die Bibliothek, die die Region im Nachkriegsdeutschland mit internationalen Presseerzeugnissen und Literatur versorgte und heute mehr als 20 000 Bücher sowie elektronische Datenträger anbietet. Seit 1986 leitet Jakob Köllhofer (74) das DAI, an das er 1978 kam. Unter seiner Leitung öffnete sich das Haus und wurde zu einer führenden Kulturinstitution. Dafür erhielt Direktor Jakob Köllhofer 2016 die Bürgermedaille der Stadt. Nur zehn lebende Personen besitzen sie.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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