Berufungsverhandlung - Oberlandesgericht Karlsruhe stellt Entscheidung des Landgerichts teilweise infrage / Zivilstreit wird sich weiter ziehen

Alter Kohlhof Heidelberg: Karlsruher Richter stellen Landgerichts-Urteil infrage

Von 
Julian Eistetter
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Der Alte Kohlhof auf dem Königstuhl: Hier lebt die Familie Hofbauer und betreibt das Gourmetrestaurant „Oben“. © Philipp Rothe

Heidelberg/Karlsruhe. Michael Hofbauer ist der Frust anzuhören. „Wir sind nicht wirklich froh, dass dieses Kapitel nicht endlich beendet wurde“, sagt er am Donnerstagnachmittag im Gespräch mit dieser Redaktion. „Unser Wunsch war natürlich, dass der Fall endgültig zu den Akten gelegt wird.“ Stattdessen wird sich der Zivilstreit zwischen der Familie Hofbauer und der Stadt Heidelberg um den Alten Kohlhof auf dem Königstuhl weiter ziehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat am Donnerstag in mündlicher Verhandlung in seiner vorläufigen Rechtsauffassung das Urteil des Heidelberger Landgerichts aus dem Juni 2019 in einigen Punkten infrage gestellt, wie Gerichtssprecher Klaus Stohrer auf Anfrage mitteilt. Gegen das Urteil des Landgerichts zugunsten der Familie Hofbauer hatte die Stadt Berufung eingelegt.

Wirtschaftlicher Betrieb möglich?

Wie mehrfach berichtet, ist der Kernpunkt des Streits ein Gaststättenbetrieb in dem Gebäude auf dem Königstuhl. Die Stadt vertritt die Auffassung, dass die Familie Hofbauer beim Kauf des Anwesens im Jahr 2015 eine im Grundbuch verankerte Verpflichtung zum Betrieb einer Gaststätte übernommen und gegen diese verstoßen habe. Im Oktober 2016 erteilte der Gemeinderat deshalb den vertraglich geregelten Auftrag zum Rückkauf des Anwesens. Das Landgericht Heidelberg hatte diese Klausel als nicht wirksam eingestuft und darauf verwiesen, dass mittlerweile auf dem Alten Kohlhof das Gourmetrestaurant „Oben“ betrieben werde, das in der Zwischenzeit unter anderem auch mit einem Michelin-Stern dekoriert wurde.

Chronologie der Ereignisse

  • Seinen Ursprung nahm der Streit um den Alten Kohlhof auf dem Heidel-berger Königstuhl im Sommer 2015, als die Familie Hofbauer das Anwesen von der Stadt kaufte – nach deren Ansicht unter der Voraussetzung, dort eine Gaststätte zu betreiben.
  • Als sich nach einigen Monaten dies-bezüglich nichts abzeichnete, regte sich Widerstand in der Stadt. Im Okto-ber 2016 beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung mit dem Rückkauf des Anwesens, Anfang September 2017 reichte die Stadt die Rückkaufklage ein.
  • Dabei betrieben die Eigentümer eigenen Angaben nach seit Januar 2017 ein Gourmetrestaurant im Alten Kohlhof. Das „Oben“ ist inzwischen etabliert und wurde unter anderem mit dem Michelin-Stern ausgezeichnet.
  • Seit Dezember 2017 standen sich Stadt und Eigentümerfamilie in einem Zivilstreit gegenüber, in dem das Landgericht Heidelberg im Juni 2019 den Beklagten in allen Punkten recht gab. Die Verwaltung ging auf Beschluss des Gemeinderats in Berufung.
  • Diese wird nun seit Donnerstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe verhandelt. Mit dem Verfahren ist der 19. Zivilsenat betraut. Der nächste Termin ist für Donnerstag, 2. September, 9.45 Uhr angesetzt. 

Der 19. Zivilsenat des OLG Karlsruhe dagegen vertritt die Ansicht, dass die Verpflichtung zum Betrieb einer Gaststätte sehr wohl bestehe - und somit womöglich auch die Wirksamkeit des durch die Stadt geltend gemachten Wiederkaufsrechts. „Diesbezüglich sind aber noch zwei wesentliche Fragen zu klären“, erläutert Gerichtssprecher Stohrer. So könne die Stadt beim Wiederkaufsrecht ihr Ermessen falsch ausgeübt haben, wenn sich herausstellt, dass an dem Standort ein wirtschaftlicher Betrieb einer Gaststätte gar nicht möglich ist. Aus diesem Grund soll ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden, das dieser Fragestellung nachgeht.

Nächster Termin am 2. September

Würde sich durch ein solches Gutachten herausstellen, dass ein wirtschaftlicher Betrieb einer Gaststätte auf dem Alten Kohlhof möglich ist, so sei zu klären, inwiefern ein solcher von der Eigentümerfamilie erfüllt worden sei, erklärt Stohrer. Gegebenenfalls müsste also nochmals durch Zeugenbefragungen herausgearbeitet werden, seit wann das Gourmetrestaurant betrieben wurde. Entscheidend sei dabei nach Ansicht des Senats, dass zum Zeitpunkt der Klage ein Betrieb stattfand.

Es ist also absehbar, dass sich der seit 2016 andauernde Streit weitere Jahre hinziehen wird. Der nächste Termin vor dem OLG ist für den 2. September, 9.45 Uhr, angesetzt. Dann soll aber zunächst nur verkündet werden, dass das besagte Gutachten in Auftrag gegeben wird.

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„Arbeit und Mühe reingesteckt“

Michael Hofbauer nervt es, dass kein Ende der „Posse“ in Sicht ist. Er räumt aber ein, dass das OLG dem Landgericht in einigen Punkten zurecht widersprochen habe. Er geht davon aus, dass in diesem „nicht alltäglichen Fall mit großem öffentlichen Interesse“ letztlich eine Grundsatzentscheidung durch den Bundesgerichtshof (BGH) erfolgen wird.

Dass es soweit kommen könnte, bedauert Hofbauer. „Die Betreiberpflicht würde ohnehin im Mai 2022 auslaufen“, sagt er. Daneben könne es mittlerweile keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Restaurantbetriebs auf dem Alten Kohlhof mehr geben. „Wir haben da so viel Arbeit und Mühe reingesteckt“, betont er. Stimmen, wonach das „Oben“ geschlossen werde, sobald eine Entscheidung zugunsten der Eigentümer falle, bezeichnet er als Unsinn. „Das Restaurant läuft und wir sind auf Wochen ausgebucht.“

Die Stadt Heidelberg äußert sich zum laufenden Verfahren nicht, wie ein Sprecher sagt. Sie vertrete weiter ihre mehrfach geäußerte Rechtsauffassung. Der jetzige Verhandlungstag dürfte diesbezüglich wieder neue Hoffnung gemacht haben.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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