Bildung

Alarmierende Ergebnisse beim PISA-Vergleichstest: Was lernt die PH in Heidelberg daraus?

Zu volle Bildungspläne, marode Schulen, Personalmangel - Gründe scheint es viele zu geben für das schlechte Abschneiden der Neuntklässler in der PISA-Studie. Was Bildungsexpertinnen an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg daraus lernen

Von 
Michaela Roßner
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© Marijan Murat/dpa

Heidelberg. Ob Rechnen, Sprachkompetenz oder Naturwissenschaften: 15-Jährige in Deutschland schneiden beim PISA-Vergleichstest so schlecht ab wie nie zuvor. In Mathe fehlen nahezu jedem dritten Jugendlichen die Grundlagen, beim Lesen schwächelt jeder Vierte erheblich. Dabei gilt das deutsche Bildungssystem als eines der teuersten.

Alarmierend sind diese Ergebnisse nicht zuletzt für Bildungsverantwortliche. Beginnend mit dem Kindergarten müssen die Grundlagen gelegt werden, betont Karin Vach, Rektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) in Heidelberg: „Der Rucksack muss gut gefüllt sein mit dem, was ein schulpflichtiges Kind bereits mitbringen sollte.“

Ergebnisse der PISA-Studie 2022 sind alarmierend

Potenziale sollten erkannt, der Kompetenzausbau gefördert werden, damit die Kinder beim Übergang zur Sekundarstufe nicht nur aus der Defizitperspektive betrachtet werden, sagt Vach. Am Mittwoch, 13. März, hat die Hochschule beim „Zweiten Heidelberger Bildungsgespräch“ Experten aus Politik und Wissenschaft zu Gast, um Lösungen aus dem Bildungsdilemma und Antworten auf die Frage „wie soll sich Schule entwickeln?“ zu finden.

Und auch wenn Deutschland im Ländervergleich über dem OECD-Durchschnitt liegt, sind die Ergebnisse der PISA-Studie 2022 alarmierend. Im Vergleich zu 2018 haben sich deutsche Schülerinnen und Schüler auf allen Kompetenzfeldern verschlechtert.

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Was bedeutet das für die Ausbildung der Lehrkräfte? Mehr als 4600 junge Frauen und Männer bereiten sich an der PH aktuell auf den Beruf als Lehrer oder Lehrerin an einer Grund- oder weiterführenden Schule vor – auch im Bereich der Sonderpädagogik.

Die Geschichte der PH in Heidelberg geht zurück auf das Jahr 1904, als die Ausbildung von Volksschullehrern mit zunächst 39 Auszubildenden begann. Ein neues Gesetz legte 1958 die Basis für die Gründung einer eigenständigen Pädagogischen Hochschule, in der sich wissenschaftliche Forschung und Lehre mit den Anforderungen der Schulpraxis verknüpften.

Frühe Sprachentwicklung

Für eine erfolgreiche Bildungsbiografie braucht es gute Rahmenbedingen und Grundlagen von Anbeginn, was bedeutet, die Sprachentwicklung von Vier- bis Fünfjährigen im Blick zu behalten und – wenn notwendig – durchgehend zu fördern, meint Havva Engin, Leiterin des Heidelberger Zentrums für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik der PH.

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Wie lassen sich die schlechten Ergebnisse im Vergleich zur Studie 2018 erklären? Natürlich müsse man auch die Corona-Pandemie berücksichtigen, unterstreicht Vach – und spricht „von etwa einem Schuljahr, das verloren gegangen ist“ – zumal der Fernunterricht mangels digitaler Ausstattung für Lehrende und Lernende nicht optimal gelaufen sei.

Digitalisierung allein reicht nicht

„Baden-Württemberg versucht engagiert, Lücken im Bereich der Digitalisierung zu schließen“, sagt Engin. Doch das allein rette das Bildungsdilemma nicht: „Wir brauchen unbedingt multiprofessionelle Teams an den Schulen,“ ergänzt sie. Statt einem einzelnen Lehrenden müssten sich – gemeinsam – etwa Sozialarbeiter, Ergotherapeuten, Logopäden und Psychologen um die Kinder und ihre individuellen Bedarfe kümmern – damit die Lehrkräfte sich wieder mehr auf die Kompetenzvermittlung fokussieren können.

Bildungspläne zu „entrümpeln“ könne ein weiterer Ansatz sein, um eine zeitgemäße Wissensvermittlung sicherzustellen. Darüber hinaus sei es im Interesse der PH, den angehenden Lehrkräften früh eine reflektierte Praxis zu ermöglichen, wirbt Rektorin Vach. Gute Beispiele gebe es längst, verweisen die Bildungsexpertinnen mit Blick auf Hamburg, dem Aufsteiger bei nationalen Schulleistungsstudien. Eine flächendeckende, pädagogisch anspruchsvolle Ganztagesbetreuung sowie verbindliche Tests für viereinhalbjährige Kinder haben in der Hansestadt eine erstaunliche Trendwende herbeigeführt. Auch von Estland und Kanada könne sich das deutsche Bildungswesen einiges abschauen.

Über die „Schule von morgen“ nachzudenken, ist noch aus einem anderen Grund dringend angesagt: Das Berufsbild des einstigen Volkslehrers hat nichts mehr mit der Realität an heutigen Schulen zu tun. Wie in jedem Bereich muss auch hier um qualifizierten Nachwuchs geworben werden.

Bundesweit gehen die Zahlen der Studierenden für den Lehrerberuf längst zurück. Werbung tut Not. Quereinstiege hingegen sollten nur mit Bedacht und guten Qualifizierungsmöglichkeiten umgesetzt werden, um Lücken im Kollegium zu schließen, verweisen die Bildungsexpertinnen auf Rekrutierungsinitiativen etwa in Baden-Württemberg. Trotz der genannten Herausforderungen bleibe der Lehrerberuf attraktiv: „Homeoffice können wir zwar nicht anbieten“, sagt Engin, „aber die beglückende Aufgabe, junge Menschen auf die Zukunft vorzubereiten und zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen“.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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