Im persönlichen Gespräch hat mir gerade eine Kindergarten-Leiterin erzählt, dass sie und ihre Kolleginnen reihenweise Windeln bei Vierjährigen wechseln müssen – Arbeitszeit, die sie sonst für pädagogisch sinnvolle Angebote nutzen und damit den Boden für einen späteren schulischen Erfolg legen könnten.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt deutschen Jugendlichen ein miserables Zeugnis aus – wieder einmal. In Mathe, Lesen und Naturwissenschaften schneiden die 15-Jährigen noch schlechter ab als bei der vorangegangenen Untersuchung aus dem Jahr 2018. Die Ergebnisse sind sogar die schlechtesten, seit sich Deutschland 2000 erstmals an der PISA-Studie beteiligte.
Ein Blick in die Nachbarländer bringt nur schwachen Trost: Deutschland bewegt sich in den Naturwissenschaften immerhin noch leicht über dem OECD-Durchschnitt, bei den anderen beiden Kernkompetenzen aber darunter.
Selbst wenn man einen „Corona-Effekt“ herausrechnet, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass in den vergangenen fünf Jahren die Chance vertan wurde, die bekannten Defizite im Bildungssystem auszugleichen. Dabei wird schon lange darüber geredet. Zu volle Bildungspläne, überforderte Elternhäuser, marode Schulen und Personalmangel – Gründe scheint es genug zu geben für die offensichtliche Bildungsmisere. Doch entsteht der Eindruck, dass die Bälle eher hin- und hergeworfen werden, anstatt Treffer zu landen. Dabei gibt es solche praxisnahen guten Vorbilder nicht nur in skandinavischen Ländern.
Pädagogische Hochschulen, in Lehre und Forschung traditionell nahe der Praxis in den Klassenzimmern, fordern mit Recht multifunktionale Teams statt einer Lehrkraft im Klassenzimmer. Die untersuchten 15-Jährigen kommen bereits mit einer neunjährigen Bildungsbiografie daher. Ein früheres Ansetzen an der Problemwurzel ist dringend angesagt – am besten schon bei den Kleinsten in der Kita.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel PISA-Studie Schulischer Erfolg muss früher ansetzen
Statt besser, werden deutsche Neuntklässler im internationalen Vergleich immer schlechter im Rechnen, Lesen und in den Naturwissenschaften. Das muss auch in der Lehrerausbildung stärker berücksichtigt werden