Bildung

Pisa-Studie: Schwachstellen im Bildungssystem werden sichtbar

Die Pisa-Studie 2022 stellt dem deutschen Bildungssystem ein schlechtes Zeugnis aus. Der Mannheimer Professor Oliver Dickhäuser über die aktuellen Erkenntnisse und warum die Abkehr vom Königsteiner Schlüssel gerecht ist

Von 
Valerie Gerards
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Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben bei der neuen Pisa-Studie so schlecht abgeschnitten wie noch nie zuvor. © picture alliance

Mannheim. Die Pisa-Studie 2022 stellt dem deutschen Bildungssystem ein schlechtes Zeugnis aus: Die 13 000 stichprobenartig ausgewählten Schülerinnen und Schüler aller Schultypen haben im internationalen Leistungsvergleich darin so schlecht abgeschnitten wie nie zuvor. Lassen die Ergebnisse eher Rückschlüsse auf das Bildungssystem oder auf die Schüler zu? Und wie steht es um die Bildungslandschaft in Mannheim? Der „MM“ hat dazu Oliver Dickhäuser befragt, der seit 2008 Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Mannheim ist.

© Leoni Bender

Ob das Schulsystem, die elterliche Prägung oder die Nachhilfe für die schlechten Ergebnisse verantwortlich sind, lasse sich nicht sagen; denn die Pisa-Studie sei eine beschreibende und keine erklärende Studie, so der Professor. Das heiße auch, dass man aus den Befunden von Pisa nicht die eine konkrete Reformmaßnahme ableiten könne. „Aber sehr wohl sieht man, wo ein Bildungssystem seine besonderen Schwachstellen hat“, erklärt der Mannheimer Bildungsexperte.

Deutschland muss Grundkompetenzen mehr fördern

Der Anteil von Schülern mit extrem niedrigen Kompetenzen lasse ferner Rückschlüsse darauf zu, dass in Deutschland deutlich mehr für die Förderung der Grundkompetenzen getan werden muss. In Sachen Lesekompetenz sei eine frühe Diagnostik von Rückständen, etwa in der Grundschule, aber zielgerichtet auch in den weiterführenden Schulen sinnvoll. Gerade daran hapert es laut Dickhäuser, der als Beispiel etwa das in Mannheim angebotene Programm „Rückenwind“ und andere Aufholprogramme anführt: „Die Bundesländer sind nicht sonderlich gut darin gewesen, dass die Mittel von denjenigen Schülern in Anspruch genommen werden konnten, die sie wirklich brauchten.“ In diese Kurse seien nämlich vor allem diejenigen gegangen, deren Eltern meinten, das sei für ihr Kind eine gute Idee. Die Förderung hätte aus Sicht von Dickhäuser diagnostikbedingt erfolgen müssen – und den vielleicht unpopulären Standpunkt vertreten müssen, das Aufholprogramm nicht guten, sondern schlechten Schülern zugutekommen zu lassen.

Für Bundesland- oder Schulvergleiche könne die Studie zwar nicht herangezogen werden. Dickhäuser betont jedoch, dass in Mannheim die Streuung der Leistung mehr durch die Schulen bedingt sei als durch die einzelnen Schüler. „Die einzelnen Stadtteile sind sehr unterschiedlich in ihrer Sozialraumstruktur, und mit ihr die Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen. Das würde im nächsten Schritt bedeuten, was auch für individuelle Förderung gilt: Schulen mit vielen Schülern aus sozial schwachen Familien brauchen mehr Geld“, sagt er.

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Das Startchancen-Programm der Bundesregierung, das nach langem Hin und Her für das Schuljahr 2024/25 aufgelegt wird, ist seiner Meinung nach dafür der richtige Ansatz. Das Programm soll Schulen, die einen hohen Anteil an sozial benachteiligten Schülern aufweisen, finanziell besonders unterstützen und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen. „Es wäre wichtig, auf dieser Grundlage das Geld zu verteilen. Das würde aber auch heißen, dass manche Schulen nichts bekommen“, verdeutlicht Dickhäuser.

Wenn die Finanzmittel datenbasiert verteilt werden, anstatt mit dem Königsteiner Schlüssel, der die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen regelt, würde Bayern das Geld nicht so nötig brauchen wie etwa Bremen. Und auch Baden-Württemberg würde nach dem Sozialraumindex weniger bekommen als nach dem Königsteiner Schlüssel. Dessen ungeachtet sei die Abkehr vom Königsteiner Schlüssel eigentlich die gerechtere Verteilung. 

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