Festival

Adelante-Festival in Heidelberg: Auf der Suche nach dem guten Leben

Die beiden Stücke „Normalisierung“ aus Kuba und „Hamlet“ aus Peru haben beim Heidelberger Adelante-Festival für Aufsehen gesorgt. Was sie eint, ist die Suche der Menschen nach dem eigenen Platz in der Welt

Von 
Eckhard Britsch
Lesedauer: 
Sie wollen ihren Platz im Leben finden: Die Akteure von „Hamlet“ aus Peru sind alle mit dem Down-Syndrom geboren worden. © Teatro La Plaza

Heidelberg. Die Suche nach dem eigenen Platz in einer nicht immer freundlich gesinnten Welt zieht sich wie ein roter Faden durch die beiden Stücke „Normalisierung“ aus Kuba und „Hamlet“ aus Peru, die beim Heidelberger Adelante-Festival sowohl im Zwinger als auch im großen Haus für Aufsehen sorgten. Denn es geht in beiden Stücken nicht etwa um „Sein oder Nichtsein“, sondern darum, dass sich das Sein gegen eventuelles Nichtsein auflehnt und es überwindet. Denn das Leben ist es wert, in Freiheit gelebt zu werden.

Stück "Normalisierung" aus Kuba erforscht den Begriff

Individuelle Existenz ist bedroht. Vom übergriffigen Staat, der einengt, bedroht, zu Resignation zwingt oder zur Auflehnung. Kuba ist so ein Fall, und in „Normalisierung“ wird dieser Begriff von den beiden performativen Spielern auf seine Doppeldeutigkeit hin abgeklopft. Denn Normalisierung kann Ergebung ins Schicksal bedeuten oder aber die Sehnsucht nach normalem Leben ohne äußere Zwänge und ideologische Normierung. Die Brüder Lázaro und César Saavedra Nande reizen diesen Zwiespalt, der ihr Heimatland beherrscht und viele junge Leute zum Exodus antreibt, mit wenigen Requisiten, aber viel Körperlichkeit und phantasievoller Symbolik aus.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Dabei wird das Alphabet dekliniert, von T wie Tyrann bis H wie Heimat. Video-Einblendungen vom Boatpeople, das sich auf Flößen oder zusammengebastelten Nussschalen auf die Reise ins Ungewisse begibt oder durch sumpfigen Dschungel den Weg in die Freiheit sucht, illustrieren eine scheinbar ausweglose Situation. Doch die Mittel der Kunst sträuben sich gegen die repressive Vereinnahmung, zumal die Unterfütterung mit hartem Beat den Diktatoren in den Ohren klingeln sollte. Ein dinglicher wie dringlicher Einblick ins Leben auf Kuba.

Integrative Bühne als Mittel zum Zweck

„Ich bin nicht wie andere sind“, sagt einer der acht Akteure in der extrem spielfreudigen und griffigen „Hamlet“-Sicht aus Peru. Denn sie alle sind mit Down-Syndrom geboren und wollen ihren Platz in einem Leben finden, das ihnen etwas anderes bedeuten soll als gesellschaftliche Ausgrenzung. Shakespeares „Hamlet“ ist dabei die Folie für ein extrem aktives Bühnengeschehen, das voller Witz und Körperlichkeit den Text dekonstruiert und auf eine oft spöttische, aber immer äußerst bildhafte Ebene hebt. Wie umgehen mit der Erkenntnis „Ich bin nicht wie andere sind“ oder der Eltern-Sicht bei Geburt des Säuglings „Ein Grund zum Feiern ist es nicht“?

Bruchstücke des Textes und die Figuren wirbeln durcheinander. Selbstironie wechselt mit Nachdenken über Träume, die vielleicht nicht erfüllbar sind. Lautstarke Songs korrespondieren mit Deklamation. Aber nicht im „klassischen“ Sprachduktus, sondern im frischen, frechen Ausdruck. Da passt es als Kontrast wunderbar, wenn eine Filmsequenz mit Laurence Olivier eingeblendet wird, der dafür 1948 einen Oscar erhielt. Hier wird in Heidelberg/Peru das Erhabene konterkariert, um das „Sein“ im realen Leben zu definieren.

Mehr zum Thema

Theater

Adelante Festival in Heidelberg: "Las Kory Warmis" thematisiert verschiedene Schicksale

Veröffentlicht
Von
Frank Barsch
Mehr erfahren
Heidelberger Festival

Theaterfestival ¡Adelante!: Cleo Diára, Isabél Zuaa und Nádia Yracema rufen die Geister an

Veröffentlicht
Von
Gisela Stamer
Mehr erfahren
Schauspiel

Theater Heidelberg blickt mit Festival Adelante nach Südamerika

Veröffentlicht
Von
Ralf-Carl Langhals
Mehr erfahren

Wobei die Bühne als Mittel zum Zweck gilt, um die eigene Identität zu erfahren und sie in den Mittelpunkt zu stellen. „Integrativ“ ist so ein Zauberwort , doch selten hat es soviel Sinn gemacht wie in dieser Deutschen Erstaufführung . Das Gastspiel des „Teatro La Plata“ gibt eine überzeugende Antwort auf die Frage „Sein oder Nichtsein“, die Herrn Hamlet so umtreibt: Das Leben ist lebenswert.

Fürs mitreißende Spiel gab es enthusiastischen Beifall. Dann wurde die Bühne zur Disco.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke