Heidelberg. Die Hochzeit am Anfang des Stücks wirft trotz weißer Kleider, Musik und dem fröhlichem Einsatz von buntem Konfetti einen grotesken Schatten. Eine der sturzbetrunkenen Frau vergisst ihren Sohn, die anderen trauen sich nicht nach Hause, denn selbst im Taxi könnte man vergewaltigt werden. Die Wirtin haut ihr Personal schamlos übers Ohr und die Braut kommt zu dem Schluss, mit dieser Heirat den größten Fehler ihres Lebens begangen zu haben.
Nach einer guten Stunde haben sich die zwölf Frauen und zwei Männer in einem Netz aus Missgunst, Gewalt, Herzlosigkeit und Habgier verfangen. Da hilft kein Jesus und keine Heilige, ja selbst Gott weint über so viel deprimierende Lächerlichkeit.
Frauen haben eigene Erfahrungen aufgearbeitet
Die bolivianische Theatergruppe „Las Kory Warmis“ (Die Frauen aus Gold) begannen als soziales Projekt. Frauen sollten ihre eigenen Geschichten fünf Monate künstlerisch aufarbeiten. Mittlerweile gibt es das Ensemble neun Jahre und die Handwerkerinnen, Verkäuferinnen und Frauen vom Dorf, die schon mal drei Stunden bis zu den Proben in El Alto, einer Stadt bei La Paz, unterwegs sind, haben das Theaterspielen zu einem Teil ihres Lebens gemacht.
Friedlich geht es in dem Stück „Déjà-vu - Auch das Herz erinnert sich“ nicht zu. Die frisch geschlossene Ehe zieht sich als ein Faden durch eine lockere Reihe von Szenen. Da ist die Geschichte von einem Jungen, der mit Puppen spielt. Das nimmt kein gutes Ende. Auch ein Mädchen, das sich zum fünfzehnten Geburtstag eine Liste ihrer Lebensträume macht, findet bei den Erwachsenen nur Hohn und Verachtung. Selbst eine Feier zum Muttertag eskaliert.
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Die Familien halten nach außen zusammen, wenn es darum geht, die Nachbarn niederzumachen. Hinter den Kulissen herrscht jedoch ein fieses Hauen und Stechen. Der Sohn, der gern erben würde, verabschiedet sich mit dem Satz: „Dich mag nicht mal der Tod.“
"Las Kory Warmis" thematisieren Gewalt gegen Frauen, Männer und Kinder
Das klingt deprimierend, aber die Regisseure Erika Andida und Freddy Chipana fassen diese Generationen überschreitende Bitterkeit in schräge, satirisch-groteske Bilder. Da wird immer wieder lustig gesungen, getanzt, getrunken und geprügelt. Die Inszenierung springt mit einfachen Mitteln mal in einen Werbespot für das Peitschensystem 2024 oder leiht sich bei der Choreografie der verfeindeten Familien ein bisschen West Side Story und Shakespeare.
In Déjà-vu geht es nicht nur um das Thema „Gewalt gegen Frauen“, sondern, so die Regisseurin und Direktorin, auch um die Gewalt gegen Kinder, Alte und Männer. Dafür hat ihr Kollege Freddy Chipana den Text geschrieben.
Das ärmliche Leben voller Tabak und Rum ist eine Wolle, in der man sich verfängt, ein Tuch aus abgeschnittenen Fäden. Oder ein buntes Netz, in das sich auch die Jüngste verstrickt. Mit so einem schönen Bild endet das Stück.
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