Kommunalpolitik

Umspannwerk sorgt für Hochspannung im Gemeinderat Heddesheim

Im Gemeinderat von Heddesheim hat die Transnet BW ihre Pläne zum Bau eines Umspannwerks Mannheim Ost erstmals öffentlich vorgestellt. Wie sie aussehen, und was die Fraktionen davon halten

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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So ähnlich wie hier in Oberjettingen könnte das Umspannwerk Mannheim Ost aussehen, das am Rand von Heddesheim entstehen soll. © Martin Stollberg/Transnet BW

Heddesheim. Der geplante Neubau eines Umspannwerkes „Mannheim Ost“ auf der Gemarkung der Nachbargemeinde Heddesheim sorgt dort weiter für helle Aufregung. Rund 50 Bürgerinnen und Bürger verfolgten die Beratungen des Gemeinderates und die Präsentation des Projektes durch das Unternehmen Transnet BW. Sie erlebten einen ungewöhnlich energischen Bürgermeister Achim Weitz und eine vollkommene Einigkeit im Rat: Sie alle lehnen das Vorhaben rundweg ab. Sie wollen dagegen mit Unterstützung eines rechtlichen Beistands vorgehen und alle zulässigen Mittel ausschöpfen.

Das sagt die Gemeinde Heddesheim zu den Plänen

Presseerklärung der Gemeinde Heddesheim

zum vorgesehenen Neubau eines UmspannwerksMannheim Ost“ auf Gemarkung Heddesheim

 

Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW hat den Auftrag, das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“ aus dem Netzentwicklungsplan 2037/2045 bis zum Jahr 2028 umsetzen. Das neue Umspannwerk dient im Wesentlichen der Versorgungssicherheit der Stadt Mannheim und stellt einen zweiten, unabhängigen Einspeisepunkt für Mannheim her, da die Leistungsgrenze des Netzanschlusses Mannheim bereits 2025 erreicht sein soll und durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz) bis 2030 die vier Blöcke des GKM vom Netz gehen.

Das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“ soll wegen angeblich fehlender geeigneter Alternativen, die bis 2028 realisiert werden könnten, am westlichen Rand der Heddesheimer Gemarkung umgesetzt werden. Geeignete Alternativflächen, die auf Gemarkung der Stadt Mannheim liegen, sind sehr wohl vorhanden. Der Vorhabenträger benutzt die enge Zeitschiene als „Totschlagargument“ gegen geeignete andere Lösungen, die eine gerechte Lastenverteilung ermöglichen würden.

Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat lehnen dieses Vorhaben entschieden ab. Die Ablehnung basiert auf den nachfolgenden Gründen:

1. Transparenz der Standortwahl

Die Standortauswahl erfolgt unter dem Zeitdruck einer notwendigen Inbetriebnahme des Umspannwerks Mannheim Ost im Jahr 2028.

Die Standortauswahl für das geplante Umspannwerk kann aus Heddesheimer Sicht nicht transparent nachvollzogen werden. Wir stellen uns die Frage, warum mit den notwendigen Vorüberlegungen nicht früher begonnen wurde und sich die Transnet bei der Standortsuche im Wesentlichen nur Flächen auf Heddesheimer Gemarkung konzentriert hat? Wir vermissen eine echte Alternativenprüfung auf regionaler Ebene, bei der auch Flächen nördlich oder westlich von Mannheim objektiv in den Blick genommen werden. Ferner überzeugen die Argumente nicht, dass ein Vorhaben mit der Bezeichnung „Mannheim Ost“ angeblich nicht auf Mannheimer Gemarkung realisiert werden kann.

  • Wir fordern eine nachvollziehbare, transparente und ergebnisoffene Prüfung von Standortalternativen ohne Fokussierung auf Heddesheim!

2. Einschränkung kommunaler Planungshoheit und Widerspruch zu räumlichen Entwicklungsabsichten

Das Vorhaben stellt einen erheblichen Eingriff in die kommunale Planungshoheit der Gemeinde Heddesheim dar und steht im Widerspruch zu den übergeordneten Planungen und längerfristigen Entwicklungsabsichten der Gemeinde.

Der von dem Vorhaben betroffene Bereich unserer Gemarkung ist sowohl im Einheitlichen Regionalplan und auch im aktuellen Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Die Fläche soll auch weiterhin von einer baulichen Entwicklung freigehalten werden.

Das Umspannwerk schränkt die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde in erheblichem Umfang ein.

  • Eine Planung über unsere Köpfe hinweg und gegen den ausdrücklichen Willen von Bürgermeister und Gemeinderat, werden wir nicht akzeptieren!

3. Natur- und Artenschutz

Die Errichtung des Umspannwerks stellt einen erheblichen Eingriff in die lokale Flora und Fauna dar. Besonders von diesem Vorhaben betroffen ist der streng geschützte und vom Aussterben bedrohte Feldhamster. Entsprechende Vorkommen dieser Art gibt es nicht nur auf Mannheimer Gemarkung im Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ sondern nachweislich auch auf angrenzenden Flächen auf Gemarkung Heddesheim im Bereich der Vorzugsfläche des Vorhabens. Das gesamte Gebiet ist Teil des „Artenschutzprogrammes Feldhamster“ des Landes Baden-Württemberg. Es handelt sich dabei um eines von lediglich zwei verbliebenen Hamstervorkommen in ganz Baden-Württemberg. Durch die Bauarbeiten und den Betrieb eines Umspannwerks wird der großflächige Lebensraumverbundes des Feldhamsters unwiederbringlich zerschnitten und damit die Population des Feldhamsters erheblich gefährdet.

  •  Wir wollen den Naturraum schützen und den Lebensraum des Feldhamsters erhalten!

4. Verunstaltung des Landschaftsbildes

Der Flächenverbrauch von ca. 200.000 Quadratmetern (20 ha) ist exorbitant hoch und für die Gemeinde ohne erkennbaren eigenen Nutzen. Durch die Realisierung eines Umspannwerks auf der Vorzugsfläche auf Heddesheimer Gemarkung entsteht in der freien Landschaft an einer wichtigen Zufahrtsstraße dauerhaft eine Infrastrukturanlage, die allein durch Ihre Dimension das Landschaftsbild im Westen von Heddesheim komplett verunstaltet.

  • Wir akzeptieren keine Beeinträchtigung des Landschaftsraums im Westen von Heddesheim!

5. Verlust von wertvollem Boden für die Landwirtschaft

Die Böden auf Gemarkung Heddesheim und damit auch im Bereich des geplanten Umspannwerks sind als sogenannte „Vorrangflur 1“eingestuft und haben damit eine sehr gute Qualität. Durch die Realisierung des Umspannwerks gehen 20 ha wertvoller Boden für die Produktion von Nahrungsmitteln unwiderruflich verloren, die damit der Landwirtschaft vorenthalten bleiben.

  •  Wir wollen die sehr guten Böden für die örtliche Landwirtschaft erhalten und damit die regionale Nahrungsmittelproduktion sichern!

6. Negative Auswirkungen auf die Infrastruktur:

Die für den Betrieb eines Umspannwerks notwendige Infrastruktur, wie z.B. geeignete Zufahrtswege/-straßen fehlen komplett und müssen neu hergestellt werden. Damit sind weitere Eingriffe in Natur- und Landschaft verbunden. Das Wegenetz in Richtung Mannheim mit einer wichtigen Radwegeverbindung in westlicher Richtung wird unterbrochen. Auch hier müssen Alternativen gefunden werden, die mit weiteren Eingriffen in Natur- und Landschaft verbunden sind.

Die notwendige, ausreichende Infrastruktur insbesondere im Bereich des Brandschutzes ist nicht vorhanden. Unsere Freiwillige Feuerwehr ist nicht in der Lage, die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen, die mit dem Betrieb eines solchen Umspannwerks einhergehen.

  • Wir lehnen den Bau zusätzlicher Infrastruktur und Ausstattung unserer Feuerwehr in Bezug auf das Vorhaben ab!

7. Zusätzliche Belastungen für die Heddesheimer Bevölkerung

Heddesheim ist Teil des Verdichtungsraums Mannheim/Heidelberg und bereits heute stark durch Verkehrsinfrastrukturen und umliegende Industrien betroffen. Das geplante Umspannwerk bringt weitere Beeinträchtigungen für die Bevölkerung mit sich. Neben zu erwartenden Immissionen durch den Betrieb des Umspannwerks geht auch wertvoller Erholungsraum verloren.

  • Wir wollen die guten Lebensbedingungen der Heddesheimer bewahren!

8. Kein Vorteil oder Nutzen für Heddesheim

Das Projekt bietet für die Gemeinde Heddesheim keinen einzigen, erkennbaren Mehrwert, sondern bringt nur Nachteile. Die Vorteile des Projektes hingegen kommen ausschließlich der Stadt Mannheim zu Gute. Eine faire und gerechte Lastenverteilung ist hier nicht gegeben.

Es wird nicht akzeptiert, dass die Versorgungsicherheit und das Erreichen der langfristigen Klimaschutzziele der Stadt Mannheim auf dem Rücken des kleinen Nachbarn Heddesheim ausgetragen wird.

  • Wir fordern eine (sach-) gerechte Lastenverteilung!

Stattdessen fordert die Gemeinde Heddesheim eine Lösung mit gerechter Lastenverteilung:

Geeignete Alternativlösungen für das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“, die bis 2028 realisiert werden könnten, sind sehr wohl vorhanden. Auf Gemarkung der Stadt Mannheim an der Grenze zu Heddesheim gibt es geeignete Alternativflächen. Diese Flächen befinden sich zwar in einem Landschaftsschutzgebiet. Ein grundsätzliches Hindernis sehen wir hierin aber nicht. Mit politischem Willen und im Schulterschluss mit der Gemeinde Heddesheim wäre ein zeitnaher Tausch oder eine Übertragung von Flächen des Landschaftsschutzgebiets Mannheim-Straßenheim auf unsere Gemarkung sicher verhandelbar. Die Gemeinde Heddesheim ist bereit, hierfür ihren Beitrag zu leisten. Dann könnte auf das „Umspannwerk Mannheim Ost“ auf Heddesheimer Gemarkung verzichtet werden.

Projektsprecher Markus Golde von Transnet BW bemühte sich, mit einer umfangreichen Präsentation für Aufklärung zu sorgen und für das Vorhaben zu werben. Im Kern geht es darum, dass das Stromnetz für einen wachsenden Bedarf stabil genug ist. Bereits ab 2027 könne die Leistungsgrenze erreicht sein, sagte Golde unter Hinweis auf Prognosen im Netzentwicklungsplan.

Transnet BW spricht von großflächiger Standortsuche

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Die Sicherheit der Stromversorgung in der Region könne nur durch einen zweiten Einspeisepunkt gewährleistet werden, erklärte der Transnet-Sprecher. Aktuell hängt Heddesheim am Umspannwerk im südhessischen Viernheim. Durch den geplanten Neubau würde Viernheim entlastet und die Versorgungssicherheit langfristig garantiert. Das gelte auch für Hirschberg. „Wo heute Region steht, war früher immer nur von der Stadt Mannheim die Rede“, warf Bürgermeister Weitz ein.

Die Sitzung des Gemeinderates Heddesheim zum Thema Umspannwerk Mannheim-Ost stößt auf großes Publikumsinteresse. © Hans-Jürgen Emmerich

„Wir haben uns wirklich großräumig umgeschaut“, beteuerte Golde. Dabei sei nur der östliche Bereich Mannheims übrig geblieben. Dass Flächen auf Mannheimer Gemarkung herausgefallen sind, weil sie allesamt im Landschaftsschutzgebiet liegen, wollte Weitz so auch nicht akzeptieren: „Man kann solche Flächen sehr wohl aufheben, wir sind gerne beim Flächentausch behilflich.“ Mehr als 4000 Hektar in Mannheim stünden heute unter Schutz, sprang ihm Gemeinderat Günther Heinisch (Grüne) bei.

Ein Bauwerk so groß wie „Mitten im Feld I und II“ zusammen

200 000 Quadratmeter Fläche sollen für das Umspannwerk ausgewiesen werden. Die jetzt geplante Anlage werde allerdings nur zehn bis zwölf Hektar groß, präzisierte der Projektsprecher auf Nachfrage dieser Redaktion. Das wäre immer noch so viel wie zwölf Fußballfelder oder die beiden ersten Teile des Neubaugebietes Mitten im Feld zusammen. Weniger als die Hälfte dieser Fläche werde versiegelt, für Straßen, Betriebsgebäude und Fundamente, erläuterte Golde. Die maximale Höhe der Stahlbauteile bezifferte er auf zwölf bis höchstens 15 Meter.

Bereits in der Fragerunde gab es viele kritische Anmerkungen aus dem Gemeinderat. „Wir sollen jetzt die Fehlentscheidung der Stadt Mannheim zum Bau von Block 9 des Großkraftwerks tragen“, kritisierte Daniel Gerstner (SPD). Gefahren durch Elektrosmog außerhalb der Anlage schloss Golde auf Nachfrage von Markus Winkler (CDU) aus. Zu einem von Rainer Hege (CDU) angesprochenen Standort am Asphaltwerk Ladenburg hieß es von Transnet BW, dieser scheide nach einer Prüfung wegen der notwendigen Anbindung an die Stromautobahn aus: „Da hätten Sie Masten noch und nöcher.“

Mehrfach Kritik am Vorgehen der Stadt Mannheim

Nach einer langen und stellenweise hitzigen Aussprache verlas Bürgermeister Weitz einen Acht-Punkte-Katalog von Verwaltung und Ratsfraktionen. Darin wird unter anderem mangelnde Transparenz bei der Standortsuche, die Einschränkung kommunaler Planungshoheit und der Eingriff in Fauna und Flora bemängelt, ferner die Verunstaltung des Landschaftsbildes, der Wegfall landwirtschaftlicher Flächen und die Unterbrechung einer Radwegverbindung.

In der Aussprache gab es mehrfach Kritik an der Stadt Mannheim. „Man könnte den Eindruck gewinnen, Mannheim denkt, sie haben leichtes Spiel mit Heddesheim“, sagte Rainer Hege (CDU) und gab sich entschlossen: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat bereits verloren.“ Erhebliche Zweifel an der Standortauswahl äußerte Jürgen Merx (SPD): „Es ist kaum vorstellbar, dass nur die Gemarkung Heddesheims in Frage kommt.“ Der Feldhamster mache nicht an der Gemarkungsgrenze halt.

„Das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung wird hier mit Füßen getreten“, kritisierte Simon Jarke (FDP) von der Fraktion der Heddesheimer Liste: „Alternativlosigkeit ist der Sargnagel für das Gemeinwesen.“ Außerdem unterstrich er, man könne für die Energiewende und trotzdem gegen den Standort sein. Günther Heinisch (Grüne ) warf Mannheim vor, seine Probleme auf der Gemarkung der Nachbarn lösen zu wollen. Er sprach von einem „Akt der Piraterie.“

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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