Infrastruktur

Heddesheim läuft Sturm gegen geplantes Umspannwerk

Ein 200.000 Quadratmeter großes Umspannwerk soll die Stromversorgung von Mannheim dauerhaft sicherstellen. Warum man in Heddesheim davon ganz und gar nicht begeistert ist

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Ein riesiges Umspannwerk für Mannheim soll auf Heddesheimer Gemarkung entstehen. Das Bild zeigt eine ähnliche Anlage in Lampertheim. © Berno Nix

Heddesheim. Der geplante Bau eines Umspannwerkes „Mannheim Ost“ sorgt für Unruhe in Heddesheim. Denn das rund 20 Hektar große Bauwerk soll auf der Gemarkung von Heddesheim entstehen. Dagegen regt sich jetzt Protest in der früheren Tabakgemeinde. Landwirtschaft spielt hier noch immer eine große Rolle, und die würde durch das Vorhaben weiter um wertvolle Ackerflächen beschnitten.

20 Hektar groß ist die Fläche, die die Transnet BW für das Projekt ins Auge gefasst hat. Das entspricht in etwa der Größe von rund 30 Fußballfeldern. Damit ist das Areal größer als das Neubaugebiet Mitten im Feld I und II, das seit 2014 von der Gemeinde erschlossen wurde, und in dem rund 1000 Menschen leben. Während für solche Baugebiete umfangreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren erforderlich sind, gelten beim Bau von Anlagen für die Stromversorgung andere Regeln. Sie sind - wie etwa auch Betriebe der Landwirtschaft - privilegiert.

Das sagt die Gemeinde Heddesheim zu den Plänen

Presseerklärung der Gemeinde Heddesheim

zum vorgesehenen Neubau eines UmspannwerksMannheim Ost“ auf Gemarkung Heddesheim

 

Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW hat den Auftrag, das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“ aus dem Netzentwicklungsplan 2037/2045 bis zum Jahr 2028 umsetzen. Das neue Umspannwerk dient im Wesentlichen der Versorgungssicherheit der Stadt Mannheim und stellt einen zweiten, unabhängigen Einspeisepunkt für Mannheim her, da die Leistungsgrenze des Netzanschlusses Mannheim bereits 2025 erreicht sein soll und durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen (Kohleverstromungsbeendigungsgesetz) bis 2030 die vier Blöcke des GKM vom Netz gehen.

Das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“ soll wegen angeblich fehlender geeigneter Alternativen, die bis 2028 realisiert werden könnten, am westlichen Rand der Heddesheimer Gemarkung umgesetzt werden. Geeignete Alternativflächen, die auf Gemarkung der Stadt Mannheim liegen, sind sehr wohl vorhanden. Der Vorhabenträger benutzt die enge Zeitschiene als „Totschlagargument“ gegen geeignete andere Lösungen, die eine gerechte Lastenverteilung ermöglichen würden.

Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat lehnen dieses Vorhaben entschieden ab. Die Ablehnung basiert auf den nachfolgenden Gründen:

1. Transparenz der Standortwahl

Die Standortauswahl erfolgt unter dem Zeitdruck einer notwendigen Inbetriebnahme des Umspannwerks Mannheim Ost im Jahr 2028.

Die Standortauswahl für das geplante Umspannwerk kann aus Heddesheimer Sicht nicht transparent nachvollzogen werden. Wir stellen uns die Frage, warum mit den notwendigen Vorüberlegungen nicht früher begonnen wurde und sich die Transnet bei der Standortsuche im Wesentlichen nur Flächen auf Heddesheimer Gemarkung konzentriert hat? Wir vermissen eine echte Alternativenprüfung auf regionaler Ebene, bei der auch Flächen nördlich oder westlich von Mannheim objektiv in den Blick genommen werden. Ferner überzeugen die Argumente nicht, dass ein Vorhaben mit der Bezeichnung „Mannheim Ost“ angeblich nicht auf Mannheimer Gemarkung realisiert werden kann.

  • Wir fordern eine nachvollziehbare, transparente und ergebnisoffene Prüfung von Standortalternativen ohne Fokussierung auf Heddesheim!

2. Einschränkung kommunaler Planungshoheit und Widerspruch zu räumlichen Entwicklungsabsichten

Das Vorhaben stellt einen erheblichen Eingriff in die kommunale Planungshoheit der Gemeinde Heddesheim dar und steht im Widerspruch zu den übergeordneten Planungen und längerfristigen Entwicklungsabsichten der Gemeinde.

Der von dem Vorhaben betroffene Bereich unserer Gemarkung ist sowohl im Einheitlichen Regionalplan und auch im aktuellen Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Die Fläche soll auch weiterhin von einer baulichen Entwicklung freigehalten werden.

Das Umspannwerk schränkt die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde in erheblichem Umfang ein.

  • Eine Planung über unsere Köpfe hinweg und gegen den ausdrücklichen Willen von Bürgermeister und Gemeinderat, werden wir nicht akzeptieren!

3. Natur- und Artenschutz

Die Errichtung des Umspannwerks stellt einen erheblichen Eingriff in die lokale Flora und Fauna dar. Besonders von diesem Vorhaben betroffen ist der streng geschützte und vom Aussterben bedrohte Feldhamster. Entsprechende Vorkommen dieser Art gibt es nicht nur auf Mannheimer Gemarkung im Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ sondern nachweislich auch auf angrenzenden Flächen auf Gemarkung Heddesheim im Bereich der Vorzugsfläche des Vorhabens. Das gesamte Gebiet ist Teil des „Artenschutzprogrammes Feldhamster“ des Landes Baden-Württemberg. Es handelt sich dabei um eines von lediglich zwei verbliebenen Hamstervorkommen in ganz Baden-Württemberg. Durch die Bauarbeiten und den Betrieb eines Umspannwerks wird der großflächige Lebensraumverbundes des Feldhamsters unwiederbringlich zerschnitten und damit die Population des Feldhamsters erheblich gefährdet.

  •  Wir wollen den Naturraum schützen und den Lebensraum des Feldhamsters erhalten!

4. Verunstaltung des Landschaftsbildes

Der Flächenverbrauch von ca. 200.000 Quadratmetern (20 ha) ist exorbitant hoch und für die Gemeinde ohne erkennbaren eigenen Nutzen. Durch die Realisierung eines Umspannwerks auf der Vorzugsfläche auf Heddesheimer Gemarkung entsteht in der freien Landschaft an einer wichtigen Zufahrtsstraße dauerhaft eine Infrastrukturanlage, die allein durch Ihre Dimension das Landschaftsbild im Westen von Heddesheim komplett verunstaltet.

  • Wir akzeptieren keine Beeinträchtigung des Landschaftsraums im Westen von Heddesheim!

5. Verlust von wertvollem Boden für die Landwirtschaft

Die Böden auf Gemarkung Heddesheim und damit auch im Bereich des geplanten Umspannwerks sind als sogenannte „Vorrangflur 1“eingestuft und haben damit eine sehr gute Qualität. Durch die Realisierung des Umspannwerks gehen 20 ha wertvoller Boden für die Produktion von Nahrungsmitteln unwiderruflich verloren, die damit der Landwirtschaft vorenthalten bleiben.

  •  Wir wollen die sehr guten Böden für die örtliche Landwirtschaft erhalten und damit die regionale Nahrungsmittelproduktion sichern!

6. Negative Auswirkungen auf die Infrastruktur:

Die für den Betrieb eines Umspannwerks notwendige Infrastruktur, wie z.B. geeignete Zufahrtswege/-straßen fehlen komplett und müssen neu hergestellt werden. Damit sind weitere Eingriffe in Natur- und Landschaft verbunden. Das Wegenetz in Richtung Mannheim mit einer wichtigen Radwegeverbindung in westlicher Richtung wird unterbrochen. Auch hier müssen Alternativen gefunden werden, die mit weiteren Eingriffen in Natur- und Landschaft verbunden sind.

Die notwendige, ausreichende Infrastruktur insbesondere im Bereich des Brandschutzes ist nicht vorhanden. Unsere Freiwillige Feuerwehr ist nicht in der Lage, die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen, die mit dem Betrieb eines solchen Umspannwerks einhergehen.

  • Wir lehnen den Bau zusätzlicher Infrastruktur und Ausstattung unserer Feuerwehr in Bezug auf das Vorhaben ab!

7. Zusätzliche Belastungen für die Heddesheimer Bevölkerung

Heddesheim ist Teil des Verdichtungsraums Mannheim/Heidelberg und bereits heute stark durch Verkehrsinfrastrukturen und umliegende Industrien betroffen. Das geplante Umspannwerk bringt weitere Beeinträchtigungen für die Bevölkerung mit sich. Neben zu erwartenden Immissionen durch den Betrieb des Umspannwerks geht auch wertvoller Erholungsraum verloren.

  • Wir wollen die guten Lebensbedingungen der Heddesheimer bewahren!

8. Kein Vorteil oder Nutzen für Heddesheim

Das Projekt bietet für die Gemeinde Heddesheim keinen einzigen, erkennbaren Mehrwert, sondern bringt nur Nachteile. Die Vorteile des Projektes hingegen kommen ausschließlich der Stadt Mannheim zu Gute. Eine faire und gerechte Lastenverteilung ist hier nicht gegeben.

Es wird nicht akzeptiert, dass die Versorgungsicherheit und das Erreichen der langfristigen Klimaschutzziele der Stadt Mannheim auf dem Rücken des kleinen Nachbarn Heddesheim ausgetragen wird.

  • Wir fordern eine (sach-) gerechte Lastenverteilung!

Stattdessen fordert die Gemeinde Heddesheim eine Lösung mit gerechter Lastenverteilung:

Geeignete Alternativlösungen für das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“, die bis 2028 realisiert werden könnten, sind sehr wohl vorhanden. Auf Gemarkung der Stadt Mannheim an der Grenze zu Heddesheim gibt es geeignete Alternativflächen. Diese Flächen befinden sich zwar in einem Landschaftsschutzgebiet. Ein grundsätzliches Hindernis sehen wir hierin aber nicht. Mit politischem Willen und im Schulterschluss mit der Gemeinde Heddesheim wäre ein zeitnaher Tausch oder eine Übertragung von Flächen des Landschaftsschutzgebiets Mannheim-Straßenheim auf unsere Gemarkung sicher verhandelbar. Die Gemeinde Heddesheim ist bereit, hierfür ihren Beitrag zu leisten. Dann könnte auf das „Umspannwerk Mannheim Ost“ auf Heddesheimer Gemarkung verzichtet werden.

Allerdings durchläuft das Umspannwerk ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. In den Antragsunterlagen auf Basis der Genehmigungsplanung muss Transnet BW sämtliche Umweltauswirkungen der Anlage und Maßnahmen zu deren Verringerung darstellen.

Pläne werden am Donnerstag erstmals öffentlich vorgestellt

Die Gemeindeverwaltung wurde nach Angaben von Bürgermeister Achim Weitz von der Transnet BW als Übertragungsnetzbetreiber darüber informiert, dass es auf der Grundlage des neuen Netzentwicklungsplans 2037/2045 des Bundes Planungen zum Neubau eines Umspannwerkes „Mannheim Ost“ gibt. In einer Sitzung des Gemeinderates an diesem Donnerstag sollen die Pläne erstmals öffentlich erläutert werden.

Hintergrund dafür ist, dass für die Versorgungssicherheit der Region Mannheim der Zubau einer weiteren Einspeisung aus dem 380-kV-Netz vor dem Jahr 2030 erforderlich ist, wie die Verwaltung dazu in der Sitzungsvorlage schreibt. Damit soll ein zweiter, vom Großkraftwerk unabhängiger Einspeisepunkt für Mannheim geschaffen werden.

Das sagt die Stadt Mannheim zu den Plänen

  • Für die Umsetzung der Energiewende, die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und die Sicherstellung der wirtschaftlichen Entwicklung auch nach dem Kohleausstieg ist ein umfangreicher Ausbau der Stromnetze in der Region nötig. Daher ist der für die Höchstspannungsebene in Baden-Württemberg zuständige Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW aktuell dabei, Einspeisepunkte auf der 380-kV-Ebene („Strom-Autobahn“) neu zu planen und zu bauen. Gerade Ende September wurde in Mannheim-Rheinau mit dem Bau an einem Umspannwerk begonnen, das das Stromnetz in Heidelberg versorgen wird. Transnet BW plant darüber hinaus nach unserem Kenntnisstand weitere Einspeisepunkte in der Region in Mannheim-Neckarau und in der Nähe von Heddesheim
  • Die Einspeisepunkte müssen in direkter Anbindung an die vorhandenen Transportleitungen umgesetzt werden. Von dort wird das Verteilnetz angebunden und damit der zunehmend wachsende Energiebedarf der Bürgerinnen und Bürger durch das Voranschreiten der Elektrifizierung technischer Prozesse, der E-Mobilität bei PKW und LKW sowie der Wärmewende sicher abgedeckt. Die TransnetBW hat nach unserer Kenntnis für alle Einspeisepunkte umfangreiche Standortanalysen durchgeführt. Für den östlich von Mannheim geplanten Einspeisepunkt wurden die Gemeinden Mannheim, Ilvesheim, Heddesheim und Ladenburg in die Betrachtungen zur Flächensuche einbezogen. 
  • Oberbürgermeister Christian Specht hat die Bürgermeister dieser Gemeinden sowie Vertreter des Rhein-Neckar-Kreises Anfang September zu einem gemeinsamen Abstimmungsgespräch eingeladen, in dem alle Teilnehmer die Wichtigkeit der weiteren Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Energiewende, insbesondere der zukunftsfähigen Aufstellung der Stromversorgung in der Region unterstrichen haben. Es wurde vereinbart, dass sich die Kommunen weiter abstimmen, um die Suche nach dem geeignetsten Standort für das neue Umspannwerk in der Region zu unterstützen. Dies wird einen wichtigen Erfolgsfaktor für die schnelle Umsetzung der Energiewende in der Region darstellen.

 

Anlage soll im Jahr 2028 in Betrieb gehen

„Nach einer Vorauswahl und Bewertung verschiedener Standortalternativen und mangels geeigneter Alternativen auf der Gemarkung der Stadt Mannheim hat die Transnet BW eine Vorzugsfläche auf dem westlichen Teil der Gemarkung der Gemeinde Heddesheim mit einer Größe von rund 200 000 Quadratmetern ins Auge gefasst“, schreibt die Verwaltung weiter. Hier soll das neue Umspannwerk „Mannheim Ost“ realisiert und bis 2028 in Betrieb genommen werden. Einzelheiten wollte die Transnet BW auf mehrfache Anfrage nicht nennen. Man werde sich in der Sitzung äußern, hieß es zur Begründung.

„Uns sind die Hände gebunden“, bedauert Bürgermeister Weitz im Gespräch mit dieser Redaktion angesichts des Verfahrens, das hier für Energieanlagen zur Anwendung kommt. Zu der Vorprüfung unterschiedlicher Standorte kritisiert er, diese sei wenig transparent: „Wir sollen das einfach schlucken.“

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Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht hat nach Angaben der Stadt die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden sowie Vertreter des Rhein-Neckar-Kreises Anfang September zu einem gemeinsamen Abstimmungsgespräch eingeladen. Dabei hätten alle Teilnehmer die Wichtigkeit der weiteren Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Energiewende, „insbesondere der zukunftsfähigen Aufstellung der Stromversorgung in der Region“ unterstrichen. Es sei vereinbart worden, dass sich die Kommunen weiter abstimmen, um die Suche nach dem geeignetsten Standort für das neue Umspannwerk in der Region zu unterstützen. Doch Weitz klagt: „Es kann nicht sein, das Heddesheim nur die Lasten trägt und andere den Nutzen haben.“

CDU Heddesheim kritisiert "aufgestülpte" Pläne

Harsche Kritik kommt im Vorfeld der Ratssitzung von der CDU. Deren Fraktionssprecher Rainer Hege, selbst Landwirt, wendet sich entschieden „gegen dieses geplante und uns übergestülpte Projekt der Transnet BW“ und fordert die Bürger auf, sich solidarisch zu zeigen und in die Sitzung zu kommen. Hege und die CDU befürchten durch das Vorhaben eine Zersiedlung der Landschaft. Die geplante Anlage würde „allein durch ihre Dimension das Landschaftsbild im Westen von Heddesheim komplett verunstalten“ und sie für nachfolgende Generationen beeinträchtigen: „So etwas kann und darf nicht entstehen.“ Man werde alles versuchen, „diese Planung über unsere Köpfe hinweg und gegen unseren ausdrücklichen Willen zu verhindern“.

Kommentar Das neue Umspannwerk ist fürs Klima unverzichtbar

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