Heddesheim. Mit einem Brandbrief an Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht fordert die Gemeinde Heddesheim den Bau des geplanten Umspannwerks auf Mannheimer Gemarkung. Das Schreiben geht auf den jüngsten Beschluss des Gemeinderates zurück und ist von Bürgermeister Achim Weitz und den Sprechern aller vier Fraktionen unterzeichnet.
Wie berichtet, plant die Transnet BW den Bau eines Umspannwerks, um die Versorgung von Mannheim und der Region ab 2028 trotz eines steigenden Strombedarfs sicherzustellen. Laut Transnet betrifft das auch die Gemeinden Heddesheim und Hirschberg sowie indirekt die Stadt Viernheim. „Das Projekt bietet für die Gemeinde Heddesheim keinen einzigen, erkennbaren Mehrwert, sondern bringt nur Nachteile“, heißt es dagegen in dem Brandbrief.
„Kein Klimaschutz auf dem Rücken des kleinen Nachbarn“
„Wir akzeptieren nicht, dass die Versorgungssicherheit und das Erreichen der langfristigen Klimaschutzziele der Stadt Mannheim auf dem Rücken des kleinen Nachbarn Heddesheim ausgetragen wird“, schreibt die Gemeinde. Das Vorhaben verstoße gegen das interkommunale Gebot der Rücksichtnahme und stelle einen erheblichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und Planungshoheit dar. Es stehe zudem im Widerspruch zu den übergeordneten Planungen und zu längerfristigen Entwicklungsabsichten der Gemeinde: „Wir werden eine Planung über unsere Köpfe hinweg und gegen den ausdrücklichen Willen von Bürgermeister und Gemeinderat nicht akzeptieren!“
„20 Hektar wertvoller Ackerboden gingen unwiderruflich verloren“
Durch den geplanten Bau gehen laut Gemeinde 20 Hektar wertvoller Boden für die Produktion von Nahrungsmitteln unwiderruflich verloren. Sie seien als Vorrangflur 1 eingestuft und hätten damit eine sehr gute Qualität. Der Flächenverbrauch sei exorbitant hoch und für die Gemeinde Heddesheim ohne erkennbaren eigenen Nutzen. Hier würde in der freien Landschaft an einer wichtigen Zufahrtsstraße dauerhaft eine Infrastrukturanlage entstehen, die allein durch ihre Dimension das Landschaftsbild im Westen von Heddesheim negativ beeinträchtige: „Wir akzeptieren keine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Westen von Heddesheim!“
Der Brief Heddesheims im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Specht,
im Rahmen der Sitzung des Gemeinderats der Gemeinde Heddesheim vom 24.10.2024 wurden die Pläne der Transnet BW und der MVV zur Errichtung eines Umspannwerks „Mannheim Ost" auf Gemarkung der Gemeinde Heddesheim öffentlich vorgestellt.
Im Nachgang zu dieser wenden wir uns mit diesem offenen Brief an Sie.
Bürgermeister und Gemeinderat sowie große Teile der Bevölkerung der Gemeinde Heddesheim lehnen dieses Vorhaben auf Heddesheimer Gemarkung ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die gewichtigsten Punkte sind:
► Dieses neue Umspannwerk dient im Wesentlichen der Versorgungssicherheit der Stadt Mannheim. Das Projekt bietet für die Gemeinde Heddesheim keinen einzigen, erkennbaren Mehrwert, sondern bringt nur Nachteile. Die Vorteile des Projektes hingegen kommen fast ausschließlich der Stadt Mannheim zugute. Eine faire und gerechte Lastenverteilung ist hier nicht gegeben. Wir akzeptieren nicht, dass die Versorgungssicherheit und das Erreichen der langfristigen Klimaschutzziele der Stadt Mannheim auf dem Rücken des kleinen Nachbarn Heddesheim ausgetragen wird.
► Das Vorhaben verstößt gegen das interkommunale Gebot der Rücksichtnahme. Es stellt zu Lasten der Gemeinde Heddesheim einen erheblichen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und Planungshoheit dar und steht im Widerspruch zu den übergeordneten Planungen und längerfristigen Entwicklungsabsichten der Gemeinde. Wir werden eine Planung über unsere Köpfe hinweg und gegen den ausdrücklichen Willen von Bürgermeister und Gemeinderat nicht akzeptieren!
► Durch die Realisierung des Umspannwerks gehen 20 ha wertvoller Boden für die Produktion von Nahrungsmitteln unwiderruflich verloren, die damit der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen. Die vom geplanten Umspannwerk betroffenen Böden auf Gemarkung Heddesheim sind als sog. „Vorrangflur 1“ eingestuft und haben damit eine sehr gute Qualität. Wir wollen die sehr guten Böden für die örtliche Landwirtschaft erhalten und damit die regionale Nahrungsmittelproduktion sichern!
► Der Flächenverbrauch von ca. 200:000 m2 (20 ha) ist exorbitant hoch und für die Gemeinde Heddesheim ohne erkennbaren eigenen Nutzen. Durch die Realisierung eines Umspannwerks auf der Vorzugsfläche auf Heddesheimer Gemarkung entsteht in der freien Landschaft an einer wichtigen Zufahrtsstraße dauerhaft eine Infrastrukturanlage, die allein durch Ihre Dimension das Landschaftsbild im Westen von Heddesheim negativ beeinträchtigt. Wir akzeptieren keine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Westen von Heddesheim!
► Die Errichtung des Umspannwerks stellt einen erheblichen Eingriff in die lokale Flora und Fauna im Bereich der Gemeinde Heddesheim dar. Feldhamstervorkommen gibt es nicht nur im Landschaftsschutzgebiet "Straßenheimer Hof" auf Mannheimer Gemarkung, sondern nachweislich auch auf den angrenzenden Flächen auf Gemarkung Heddesheim, auf denen das neue Umspannwerk realisiert werden soll.
► Die für den Betrieb eines Umspannwerks notwendige Infrastruktur, wie z.B. geeignete Zufahrtswege/-straßen fehlen komplett und müssen neu hergestellt werden. Damit sind weitere Eingriffe in die Natur und Landschaft verbunden. Außerdem ist unsere Freiwillige Feuerwehr nicht in der Lage, die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen, die mit dem Betrieb eines solchen Umspannwerks auftreten können.
► Heddesheim ist Teil des Verdichtungsraums Mannheim/Heidelberg und bereits heute stark durch Verkehrsinfrastruktur und umliegende Industriebetriebe betroffen. Das geplante Umspannwerk bringt weitere Beeinträchtigungen für die Bevölkerung mit sich. Neben zu erwartenden Immissionen durch den Betrieb des Umspannwerks geht auch wertvoller Erholungsraum verloren. Wir wollen die guten Lebensbedingungen der Heddesheimer bewahren!
Das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost" soll am westlichen Rand der Heddesheimer Gemarkung nur wegen angeblich fehlender, bis 2028 realisierungsfähiger, geeigneter Alternativen auf der Gemarkung der Stadt Mannheim umgesetzt werden.
Wir können nicht akzeptieren, dass im Rahmen der Standortsuche der Transnet BW von Anfang an Flächen auf Mannheimer Gemarkung ausgeschlossen wurden (z.B. aufgrund des Flughafens oder Landschaftsschutzgebieten).
Auf Gemarkung der Stadt Mannheim gibt es über 4.000 ha Landschaftsschutzgebiet, wohingegen die gesamte Gemarkung der Gemeinde Heddesheim gerade einmal 1.471 ha beträgt. Somit muss es (politischer Wille vorausgesetzt) möglich sein, 20 ha (bzw. nach Auskunft des Vorhabenträgers wären ja sogar 12 -15 ha ausreichend) für die Errichtung des Umspannwerks
"Mannheim Ost" für Mannheim auf Mannheimer Gemarkung zu entwickeln. Die enge Zeitschiene dient dem Vorhabenträger als das K.O.-Kriterium gegen andere geeignete Lösungen, die eine gerechte Lastenverteilung ermöglichen würden.
Geeignete Alternativflächen auf Gemarkung der Stadt Mannheim für das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost", die bis 2028 realisiert werden könnten, sind aus unserer Sicht sehr wohl vorhanden.
Auf Gemarkung der Stadt Mannheim an der Grenze zu Heddesheim gibt es mehrere geeignete Alternativflächen. Diese Flächen befinden sich zwar aktuell in einem Landschaftsschutzgebiet. Dieses derzeitige Genehmigungshindernis lässt sich jedoch mit politischem Willen und im Schulterschluss mit der Gemeinde Heddesheim innerhalb des engen Zeitkorridors (Realisierung bis 2028) überwinden.
Die Gemeinde Heddesheim wäre bereit, hierzu einen bedeutsamen Beitrag zu leisten:
Sie wäre bereit, bei Herausnahme einer geeigneten Fläche für das Umspannwerk auf Mannheimer Gemarkung aus dem Landschaftsschutzgebiet im Gegenzug auf Heddesheimer Gemarkung geeignete Flächen zur Erweiterung des Landschaftsschutzgebiets zur Verfügung zu stellen. Damit könnte der durch die Herausnahme der neuen Vorhabenfläche verursachte Eingriff wieder kompensiert werden.
Wir fordern deshalb eine nachvollziehbare, transparente und ergebnisoffene Prüfung von Standortalternativen ohne die Standortsuche aus Zeitgründen auf Heddesheim zu beschränken. Mit anderen Worten: Wir fordern eine (sach-) gerechte Lastenverteilung!
Die Errichtung des Umspannwerks „Mannheim Ost" auf Heddesheimer Gemarkung kann in jedem Fall nicht die finale Lösung sein.
Wir fordern Sie auf, in Gespräche mit Transnet BW und der MVV einzutreten, um ein entsprechendes Procedere zu einer erneuten Standortsuche in Gang zu setzen.
Die Gemeinde Heddesheim ist bereit, sich in diesem Prozess konstruktiv einzubringen. In Konsequenz von allem hier Benanntem kann das Umspannwerk „Mannheim Ost" jedoch nur auf Mannheimer Gemarkung errichtet werden.
Wir sind sehr sicher, dass es auch im Interesse der Stadt Mannheim liegen muss, dass eine solche Infrastrukturanlage, die eine so hohe Bedeutung für die Energieversorgung der Stadt Mannheim hat, auch auf eigener Gemarkung verortet ist.
Eine lange und intensive juristische und öffentliche Auseinandersetzung in dieser Sache durch die Gemeinde Heddesheim sowie ihrer Bevölkerung, die sich bereits jetzt abzeichnet, ist sicher nicht hilfreich. Insbesondere vor dem engen zeitlichen Rahmen und um die Versorgung der Stadt Mannheim auch in Zukunft sicherzustellen, möchten wir dies alle eher vermeiden. Daher sind wir gerne bereit, konstruktiv an einem Prozess zur Standortsuche auf Mannheimer Gemarkung mitzuwirken und einen echten politischen Schulterschluss im Sinne der Stadt Mannheim und ihrer Bevölkerung für die Region zu verwirklichen.
Wir sind überzeugt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, dass dies auch in Ihrem Sinne und im Interesse der Stadt Mannheim liegen muss.
Mit freundlichen Grüßen
Achim Weitz, Bürgermeister
Rainer Hege (CDU)
Jürgen Merx (SPD)
Simon Jarke (Heddesheimer Liste)
Sabrina Arns (Bündnis 90 / Die Grünen)
Auf Nachfrage hatte der Projektleiter erklärt, die eigentliche Anlage werde etwa 140 000 Quadratmeter groß, der Rest der Fläche diene als Reserve für Erweiterungen in der Zukunft. Ein Vergleich macht die Dimension des Projektes deutlich: Die Fläche ist fast so groß wie das Neubaugebiet „Mitten im Feld“, und zwar die bereits erschlossenen Abschnitte 1 und 2 und ein denkbarer dritter Teil zusammen.
„Die Errichtung des Umspannwerks stellt einen erheblichen Eingriff in die lokale Flora und Fauna im Bereich der Gemeinde Heddesheim dar“, heißt es in dem Brandbrief. Feldhamstervorkommen gebe es nicht nur im Landschaftsschutzgebiet „Straßenheimer Hof“ auf Mannheimer Gemarkung, sondern nachweislich auch auf den angrenzenden Flächen auf Gemarkung Heddesheim, auf denen das neue Umspannwerk realisiert werden solle. Außerdem sei die Freiwillige Feuerwehr nicht in der Lage, die zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen, die mit dem Betrieb eines solchen Umspannwerks auftreten könnten.
Das Vorhaben „Umspannwerk Mannheim Ost“, das in früheren Planungen sogar ausdrücklich den Namen des benachbarten Stadtteils Wallstadt trug, soll am westlichen Rand der Heddesheimer Gemarkung entstehen, und zwar „nur wegen angeblich fehlender, bis 2028 realisierungsfähiger, geeigneter Alternativen auf der Gemarkung der Stadt Mannheim“.
„Auch in Mannheim müsste eine solche Fläche zu finden sein“
An dieser Stelle werden Weitz und seine Kollegen deutlich: „Wir können nicht akzeptieren, dass im Rahmen der Standortsuche der Transnet BW von Anfang an Flächen auf Mannheimer Gemarkung ausgeschlossen wurden.“ Auf Gemarkung der Stadt Mannheim gebe es über 4000 Hektar Landschaftsschutzgebiet, wohingegen die gesamte Gemarkung der Gemeinde Heddesheim gerade einmal 1471 Hektar groß sei. Somit müsse es möglich sein, 20 Hektar für die Errichtung des Umspannwerks „Mannheim Ost“ auf Mannheimer Gemarkung zu entwickeln. Heddesheim sei bereit, eigene Flächen zur Kompensation des Landschaftsschutzes bereitzustellen: „Wir fordern eine nachvollziehbare, transparente und ergebnisoffene Prüfung von Standortalternativen, ohne die Suche aus Zeitgründen auf Heddesheim zu beschränken.“
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