Spinale Muskelatrophie

Wie Sina Wolf aus Edingen-Neckarhausen mit viel Engagement über SMA aufklärt

Eine App, eine Initiative und ein Forum für Betroffene - die Liste der Projekte von Sina Wolf ist lang. Die 22-Jährige lebt seit ihrer Geburt mit Spinaler Muskelatrophie (SMA). So klärt sie über die Erkrankung auf

Von 
Jakob Walter
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Sina Wolf aus Edingen-Neckarhausen hat Spinale Muskelatrophie und engagiert sich, wo sie nur kann. © Stephan Pabst

Edingen-Neckarhausen. Eine entwickelte App, eine Initiative zur Aufklärung und ein Forum für Betroffene - die Liste der Projekte, bei denen sich Sina Wolf aus Edingen-Neckarhausen engagiert, ist lang. Die 22-Jährige lebt seit ihrer Geburt mit Spinaler Muskelatrophie (SMA), einer Form des Muskelschwundes, die durch einen Gendefekt, abhängig von beiden Elternteilen, verursacht wird. Mit ihrem Engagement will sie vor allem anderen Menschen mit der Erkrankung helfen, aber auch aufklären.

Sina Wolf sollte nicht älter als drei werden

Dass das alles möglich ist, war bei Sinas Geburt noch nicht vorstellbar. SMA galt zu diesem Zeitpunkt als kaum erforschte Krankheit, genaue Diagnosen waren schwierig. Ihren Eltern hatte man damals gesagt, dass ihre Tochter nicht älter als drei Jahre alt werden würde. „Wir haben jedes Jahr gefeiert und alles gemacht, was Spaß macht“, erzählt Mutter Claudia Wolf.

Mehr Aufkläurung über Spinale Muskelatrophie nötig

Seitdem hat sich vieles getan. Das Wissen und der Forschungsstand rund um die Krankheit haben sich verbessert. Mittlerweile gibt es drei Medikamente auf dem Markt, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen sollen. Sina bekommt alle vier Monate eine Spritze in das Rückenmark verabreicht. Das sei jedoch mit viel Aufwand und starken Schmerzen für sie verbunden. Ein anderes Medikament, das per Saft eingenommen wird, habe bei ihr jedoch nicht geholfen. „Es fruchtet nicht“, merkte Sina nach einiger Zeit und stieg wieder auf die Spritze um.

Am Samstag, 25. November, um 12 Uhr ist Sina Wolf im ZDF in der Reihe „Einfach Mensch“ zu sehen. © Stephan Pabst

Forschung und Aufklärung seien im Vergleich zu früher also gut, können aber noch besser werden, findet Claudia Wolf. Dafür setzt sich ihre Tochter selbst sehr stark ein. Mit der Initiative „Face SMA“, bei der auch der Pharmakonzern Roche involviert ist, klärt sie über die Krankheit auf. Neben Basisinfos und Alltagstipps bietet sich dort eine Plattform für Menschen mit SMA und deren Familien und Angehörige, die sich mit der Erkrankung auseinandersetzen wollen. Wichtig ist Sina dabei, dass es leicht verständlich ist. „Verstehen soll es auch jeder, der mit Medizin nichts am Hut hat“, erklärt sie.

App „Carisma“: Sina Wolf war in die Entwicklung mit einbezogen

Involviert war die 22-Jährige auch bei der Entwicklung der App „Carisma“ von der „Digital Health Companion“. Die soll SMA-Patienten im Alltag unterstützen. So können dort unter anderem Termine, Unterlagen, Erinnerungen und Notfallkontakte hinterlegt werden. Die App werde stetig ausgebaut und soll, wenn es nach Sina geht, auch europaweit zur Verfügung stehen. Wichtig sei es, dazu auch die Mediziner mit ins Boot zu holen. „Wir wollen es probieren“, zeigt sie sich optimistisch.

Neben der App und „Face SMA“ ist Sina noch Gründerin der „Grünen Bande“ - ein Club für erkrankte Kinder und Jugendliche, aber auch Geschwister von Menschen mit SMA. Für Sina ist es wichtig gewesen, ein Sprachrohr für Betroffene zu schaffen und den Diskurs nicht Leuten zu überlassen, die selbst nicht betroffen sind. „Wir selbst wollten sprechen und uns austauschen“, führt sie aus. Aktiv nimmt sie dabei nicht mehr teil, als Gründerin werde sie aber immer noch wertgeschätzt, erzählt ihre Mutter.

Sina Wolf will Berührungsängste nehmen

Sina ist ihr Engagement sehr wichtig. Sie wisse worauf es ankommt und könne deshalb gut helfen. Sie wolle jedoch auch ein Bewusstsein schaffen. „Mir ist es extrem wichtig, in der Gesellschaft aufzuklären, dass Menschen mit Behinderung auch nur ,normale' Menschen sind und ihr Leben genauso leben und genießen wollen, wie jeder andere auch“, sagt sie. Partys, Freunde, Beziehungen - das alles seien Bedürfnisse, über die sie gerne in der Öffentlichkeit und auf Social Media spreche, um Berührungsängste zu nehmen.

Sina selbst geht sehr gerne auf Konzerte oder Spiele der Adler Mannheim. Ihre größte Leidenschaft ist allerdings der Motorsport. Das habe schon ganz früh angefangen, erzählt sie. Damals wohnte die Familie in Hockenheim in der Nähe der Rennstrecke. Sina hörte die Motorengeräusche und war „von klein auf damit infiziert“, erinnert sich ihre Mutter. „Das erste Mal war ich mit neun Jahren auf einem Rennen“, erzählt Sina glücklich - es kamen noch zahlreiche weitere Motorsportevents hinzu. Ihre Mutter holt indes stolz einige Fotoalben hervor, bei denen ihre Tochter mit diversen Rennfahrern und -fahrerinnen zu sehen ist. Großer Fan ist sie vor allem von DTM-Fahrer Bruno Spengler, den sie mehrmals persönlich getroffen hat und der sie auch immer wieder eingeladen hat.

Teilnahme an ZDF-Sendung „Einfach Mensch“

Aktuell macht Sina ihre Fachhochschulreife, später möchte sie Medien- und Kommunikationswissenschaften studieren. Diese Faszination rührt von ihrer engen Zusammenarbeit mit dem ZDF und dem SWR, die Sinas Leben schon in vielen Fernsehbeiträgen beleuchtet haben. Schnell habe sie gemerkt: „Ich muss das auch beruflich machen“. Am Samstag, 25. November, um 12 Uhr ist sie erneut im ZDF in der Reihe „Einfach Mensch“ zu sehen, wo es vor allem um ihre Präsenz in den sozialen Medien geht.

Thema wird auch ein möglicher Umzug sein. Die 22-Jährige will irgendwann unabhängig sein und aus dem Elternhaus ausziehen. Für Mutter Claudia ist das kein Problem. „Jeder junge Mensch hat das Bedürfnis“. Laut Sina soll das Ganze jedoch nicht auf Biegen und Brechen geschehen. Dazu brauche es ausreichen Unterstützung. Eine Assistentin hat Sina schon seit einiger Zeit. „Bald in Vollzeit hoffentlich“, wirft Claudia Wolf ein. Ab Mitte des nächsten Jahres soll die Assistentin rund um die Uhr für Sina da sein. Aktuell habe man aber noch mit diversen Ämtern zu kämpfen, erzählt sie.

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Das mit den Behörden ist dabei so eine Sache. Das bisherige barrierefreie Fahrzeug der Wolfs ist in die Jahre gekommen. Unterstützung von den Ämtern ist nicht zu erwarten. Doch Sina weiß sich zu helfen. Über „gofundme“ sammelt sie seit einigen Tagen Spenden für ein neues Auto - damit sie ihre erforderlichen Therapietermine sowie Krankenhausaufenthalte wahrnehmen oder „einfach nur“ ihren Freizeitaktivitäten nachgehen könne. „Sina wollte schon immer mit dem Kopf durch die Wand“, erzählt ihre Mutter. Den Kopf habe sie noch nie in den Sand gesteckt. Ganz nach dem auf dem Arm tätowierten Lebensmotto: „Never give up!“.

Redaktion Online-Redakteur, zuständig für redaktionelle Videos

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