Nahversorgung

In Neckarhausen hört der letzte Bäcker auf

Für die allermeisten Kunden kommt es wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Die Traditionsbäckerei Hemberger in Neckarhausen wird nach der Sommerpause nicht wieder öffnen. Was die Gründe sind, und wie es nun weitergeht

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Schock für viele Menschen in Neckarhausen: Nach der jährlichen Sommerpause öffnet die Bäckerei Hemberger nicht mehr. © Marcus Schwetasch

Edingen-Neckarhausen. Nach Peter Kapp in Edingen gibt nun auch sein Bäckerkollege Werner Hemberger in Neckarhausen auf. Große Plakate im Schaufenster des Ladens in der Hauptstraße lassen keinen Zweifel: „Die Bäckerei Hemberger bleibt geschlossen.“ Eine Nachricht, die auch auf kleinen schwarzen Flyern verbreitet wird. Ein Post von welove 68535 auf Instagram vom Montagabend, der ihn zeigt, erhält innerhalb weniger Stunden mehr als 30 Kommentare, und deren Tenor ist eindeutig: Es ist einfach traurig.

Bäckerei Hemberger in Neckarhausen gibt auf: "Kein Personal für Verkauf gefunden"

Gebacken hat bis zuletzt Werner Hemberger (65). Doch das Backen war gar nicht das Problem. „Wir haben einfach kein Personal für den Verkauf gefunden“, berichtet sein Bruder Andreas Hemberger (69), promovierter Maschinenbau-Ingenieur und Ansprechpartner für Stellensuchende. Und das, obwohl die Bäckerei übertariflich bezahlt und ihre Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt hat. „Wir bieten abgestimmte Arbeitszeiten im Team, familiäres Arbeitsklima und übertarifliches Gehalt“, heißt es in einem Stellenangebot, Quereinsteiger und Studenten würden gerne eingearbeitet.

Letzten Endes haben wir sagen müssen: Es geht so nicht mehr weiter
Andreas Hemberger

„Mehr als ein halbes Jahr lang haben wir gesucht“, sagt Andreas Hemberger: „Letzten Endes haben wir sagen müssen: Es geht so nicht mehr weiter.“ In der nächsten Generation gebe es niemanden, der das Handwerk und den Betrieb fortführen wolle.

„Die Enttäuschung ist natürlich sehr groß“, gesteht der ältere der beiden Brüder, der als Schüler und Student in der Bäckerei mitgeholfen hat. Ein Stück weit sei auch Frustration dabei, wenn ein Familienbetrieb in der fünften Generation zu Ende gehe: „Das ist auch für uns nicht einfach.“ Vier Wochen im Sommer machte die Bäckerei Hemberger traditionell Betriebsferien. Die Hoffnung, in dieser Zeit doch noch Personal zu finden, hat sich zerschlagen. Deshalb blieb nur noch die Mitteilung an die Kunden, dass der Laden nach den Ferien nicht wieder öffnet. Damit geht nach mehr als 100 Jahren eine Familientradition unwiderruflich zu Ende.

Mit Hemberger schließt die letzte Backstube in Neckarhausen

Mit Hemberger schließt die einzig verbliebene Bäckerei in Neckarhausen. „Neckarhausen stirbt aus, und wir haben nichts mehr“, lautet einer der Kommentare auf Instagram. „Es war eine schwere Entscheidung, aber es geht leider nicht mehr weiter“, schreibt Werner Hemberger weiß auf schwarz: „Der gesellschaftliche Wandel vollzieht sich immer schneller, je älter man wird, so scheint es.“

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Man habe über all die Jahrzehnte eine geschätzte Kundschaft bedienen dürfen, formuliert Bäcker Hemberger auf dem Abschiedsflugblatt. Brot, Brötchen, Kuchen, Torten und allerlei Gebäck gab es hier. „Kleine Bäckerei mit großer Auswahl an Kuchen und Torten zu sehr sehr angemessenen Preisen“, heißt es in einer Rezension auf Google. „Ein Bäcker, wie man ihn aus der Kindheit kennt“, formuliert ein anderer Kunde anerkennend: „Man spricht sich per Du an und fühlt sich wohl, jeder kennt jeden!“ Doch nicht nur das: „Die Qualität und der Geschmack der Backwaren sind einfach Hammer.“

Klagen über Preiserhöhungen kann dieser Kunde nicht verstehen: „Solche Handwerkskunst gibt es nur noch sehr selten, und ich bin froh, dass wir in unserem Ort so jemanden haben.“ Ein anderer kommt zu dem Ergebnis, dass die Produkte von Hemberger nicht nur deutlich besser sind als die von Filialisten, sondern auch erheblich günstiger. Waren, muss man nun leider sagen.

Bürgermeister will Gespräch suchen und Lösungen ausloten

„Das ist für uns und die ganze Region ein herber Verlust“, sagt Bürgermeister Florian König, der jetzt noch einmal das Gespräch mit Hembergers suchen und mögliche Lösungen ausloten will. Dass es schwierig ist, Personal zu finden, weiß er aus eigener Erfahrung als Arbeitgeber. Mit den Bäckern Kapp und Hemberger sei Edingen-Neckarhausen in der Vergangenheit herausragend versorgt gewesen: „Umso tiefer ist jetzt der Fall.“

Ob und wie es nun in der Hauptstraße weitergeht, ist offen. Laden und Backstube befinden sich im gleichen Gebäude, in dem auch Werner Hemberger wohnt. „Das ist alles noch ganz frisch“, bittet sein Bruder Andreas um Verständnis, dass er dazu noch nichts sagen kann: „Das müssen wir uns noch überlegen.“ Theoretisch denkbar wäre, dass Backstube und Laden vermietet oder verpachtet werden.

Immer wieder schließen in den Städten und Gemeinden zwischen Neckar und Bergstraße Bäckereien. Aufgegeben haben: 

  • Kapp in Edingen (2023)
  • Bäcker Ehrke in Schriesheim (2012)
  • Neupert in Edingen (2013)
  • Knapp in Ladenburg (2018)
  • Krämer in Heddesheim (2022) 

Auf der anderen Seite sind Filialisten wie Görtz und Theurer aus Ludwigshafen oder Riegler aus Heidelberg auf dem Vormarsch.

Das größte Problem ist der fehlende Nachwuchs

„In Schriesheim sieht es noch ganz gut aus“, findet Christoph Höfer, Mitglied im Vorstand der Bäckerinnung Mannheim Stadt und Land. „Die Preise sind explodiert“, verweist er auf ein Problem. Das müsse früher oder später an die Kunden weitergegeben werden. Die Preise der traditionellen Bäckereien lägen oftmals unter denen der Ketten: „Die sehe ich gar nicht als Konkurrenz.“ Auch für Höfer ist klar: „Der Nachwuchs fehlt, Auszubildende findet man wenig.“ Wie es bei ihm in zehn Jahren weitergeht, steht ebenfalls in den Sternen: „Ich habe bislang keinen Nachfolger.“

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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