Handwerk

Metzgereien-Sterben in der Region: „Die Lage spitzt sich zu“

Auch in den Kommunen zwischen Neckar und Bergstraße gibt es immer weniger traditionelle Betriebe. Wo die Gründe liegen und wie die Menschen in den Orten ohne Metzgerei die Situation beurteilen

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Jasper Rothfels
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In der Blütezeit in den 1970er Jahren wurde in Ladenburg bei der Metzgerei Wolf noch Wurst verkauft. Heute zeugt nur noch der Schriftzug davon. © Marcus Schwetasch

Neckar-Bergstraße. Generationen von Bürgern kauften hier Fleisch und Wurst, jetzt ist sie zu und das wohl für immer. Mit der Rathaus-Metzgerei Urban schloss im Juni die letzte handwerkliche Metzgerei in der Schriesheimer Altstadt, was nach Ansicht der stellvertretenden Bürgermeisterin Andrea Diehl (CDU) eine große Lücke im Ortskern hinterlässt.

Was für viele Kunden noch ungewohnt ist, ist andernorts schon Alltag: In Ladenburg und Heddesheim kam das Aus für die letzten traditionellen Metzgereien nach städtischen Angaben schon Ende 2021 und vorher, in Ilvesheim gibt es wie in Schriesheim nur noch ein Fachgeschäft, in Edingen-Neckarhausen noch zwei. „Es ist ein Problem, dass viele Betriebe schließen“, sagt der Obermeister der Fleischer-Innung Rhein-Neckar, Rüdiger Pyck (Sinsheim-Steinsfurt). „Die Lage spitzt sich zu.“

Das größte Problem ist, einen Nachfolger zu finden

Einen Hauptgrund für den Schwund sieht er in der Problematik für Inhaber, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Zudem sei die Übernahme einer Metzgerei wegen der meist hochwertigen Maschinen mit hohen Investitionen verbunden, so Pyck. „Da ist es schwierig, jemanden zu finden, der dieses Risiko eingeht, so einen Betrieb zu übernehmen und das langfristig zu machen.“ Die Banken zögen nur mit, wenn genügend Eigenkapital da sei. Viele Inhaber steuern Pyck zufolge gerade aufs Rentenalter zu, und wenn dann plötzlich große Investitionen nötig seien oder wegen der Rahmenbedingungen wie der Bürokratie die Unlust Oberhand gewinne, überlege der ein oder andere, ein paar Jahre eher aufzuhören. „Das macht uns momentan ein bisschen zu schaffen“, so der Obermeister.

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Problem ist auch der Personalmangel. Die Zahl der Handwerksbetriebe schrumpfe seit dem Mittelalter, bei den Metzgern derzeit vielleicht „etwas beschleunigt“, weil es nicht genug Azubis für den Beruf gegeben habe, der „nicht der attraktivste“ sei. Sogar in Indien würden nun welche angeworben.

Pyck verweist zudem auf gestiegene Kosten für Energie und Rohstoffe wie Fleisch sowie auf Lohnsteigerungen. Bezahlen müsse das letztlich der Kunde, und wenn es ihm zu teuer sei, steige er auf Billigprodukte um oder kaufe weniger Fleisch. Dass geänderte Ernährungsgewohnheiten wie ein Trend zu Essen ohne Fleisch oder ohne jegliche tierische Zusätze für die Metzgereien ein großes Problem seien, glaubt er nicht.

Zahl der Metzgereien und Schließungen

  • In Baden-Württemberg ist die Zahl der handwerklich produzierende Fleischereien in den vergangenen drei Jahren deutlich stärker gesunken als zuvor.
  • Während der Deutsche Fleischer-Verband (Frankfurt) in den zehn Jahren von 2010 bis 2020 einen Rückgang um 89 Betriebe registrierte, gab es allein 2021 53 Unternehmen weniger als im Vorjahr, von 2021 bis 2022 sank die Zahl um 139 und von 2022 bis 2023 um 110.
  • Der Verband vermutet, dass die Rückgänge zwischen 2021 und 2023 aufgrund von Inflation, akuter Personalknappheit und massiven Preissteigerungen höher waren als sonst. „Dort haben wahrscheinlich einige Unternehmen ihre altersbedingte Schließung vorgezogen“, so Reinhard von Stoutz aus der Geschäftsleitung.
  • Darauf deute auch die „sehr niedrige Zahl“ von 20 Abmeldungen im ersten Halbjahr 2024 hin. Im Vergleich dazu sei im ersten Halbjahr 2022 ein Rückgang um 91 Unternehmen verbucht worden. Aktuell gibt es noch 1575 Betriebe im Land (Stand 30. Juni 2024). jar

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts vom Mai nimmt die Nachfrage nach vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukten weiter zu, während der Fleischkonsum weiter sinkt. „Es wird nach wie vor noch genügend Fleisch gegessen, aber es wird woanders gekauft“, sagt Pyck mit Blick auf die Supermärkte. Aus Bequemlichkeit nehme mancher Kunde dort Fleisch mit. „Und das fehlt halt den Kollegen draußen“, so der Obermeister, für den „handwerkliche Qualität einfach ein Stück besser ist“. Und er mahnt: „Mit jeder Metzgerei, die schließt, verschwindet ein großes Stück Tradition.“ Pyck selbst glaubt an eine Zukunft der Metzgereien und hat seinen Sohn als Nachfolger für seinen Betrieb gewonnen.

Wie sehen es Menschen in den Orten ohne Metzgerei?

Und wie sehen es Menschen in den Orten ohne traditionelle Metzgerei, etwa in Ladenburg? Florian Hofherr (20) besuchte schon als Kind mit seiner Großmutter das Geschäft, das Ende 2021 schloss und in dem nun ein Trauerbegleiter und Bestatter vertreten ist. Der Verlust tue ihm „nicht unbedingt weh“, aber er störe, so der Mechatroniker für Kälte- und Klimatechnik. „Ich denke, in jedes Zentrum gehört eine Metzgerei“, sagt Thomas Thieme (62). Allerdings seien auch die Discounter inzwischen gut aufgestellt, und der Wochenmarkt habe ein sehr gutes Angebot. „Es ist trotzdem schade“, so der Versicherungsfachwirt. Klaudia Kletzin (61) geht nach eigenen Angaben lieber zum Metzger als in den Supermarkt. Deshalb kaufe sie auch schon mal auswärts ein, so die kaufmännische Angestellte.

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In Heddesheim sagt die 16-jährige Finja, für Menschen, die viel Fleisch äßen, sei es schlecht, wenn es keinen Metzger gebe, denn ein Metzger beziehe Fleisch aus der Region, das gilt manchem als besser für Tiere, Umwelt und Gesundheit. Die Tiere, die zu Supermarkt-Ware verarbeitet werden, leben nach Ansicht der Schülerin unter schlechteren Bedingungen. Andererseits: „Ich glaube, dass eine Metzgerei das Fleischessen fördern kann.“ Das wiederum sei schlecht für das Klima.

Das Fleisch lokaler Metzger gelte als gesünder, deshalb sei es ein Widerspruch, dass es keinen mehr gebe, so Christopher Littmann (34). Viele kauften im Supermarkt. Der IT-Fachmann sagt zudem, Essen ohne tierische Zusätze sei „wahnsinnig im Trend“.

Eine 59-Jährige kauft schon mal beim Metzger in Weinheim ein. Sie beklagt, es gebe im Ort immer weniger Läden, auch keinen „echten“ Bäcker mehr, aber einen „Automaten-Kiosk“. Jürgen Knust (81) kauft Fleisch für besondere Anlässe auch in Weinheim, sonst am Ort, wo es auch einen Markt gibt. Ist eine neue Metzgerei in Heddesheim realistisch? Pyck sagt: „Meist ist es so: Wenn die Betriebe geschlossen haben, dann kommt da kein Betrieb mehr nach.“

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