Gastronomie

Nach Schließung der Bäckerei Kapp in Edingen: Was der "Brotkönig" jetzt macht

Vor einem Jahr haben sich Peter Kapp und seine Frau dazu entschieden, ihre Edinger Bäckerei zu schließen. Seitdem ist der 62-Jährige viel unterwegs - nicht nur, um Urlaub zu machen

Von 
Peter Jaschke
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Peter Kapp mit dem Chef der Fattoria Nitardi, wo auch das Olivenöl für eine frühere Brotspezialität Kapps herstammt. © Sabrina Kapp

Edingen-Neckarhausen. Vor einem Jahr haben Bäckermeister Peter Kapp und seine Frau nach reiflicher Überlegung beschlossen, dass der Backofen in Edingen künftig kalt bleibt. Jedoch kündigte der bei Kollegen, Genießern und Gourmet-Köchen geschätzte „Artisan Boulanger“ (handwerklicher Bäcker) damals an: „Mein Schaffen ist nicht zu Ende, auch wenn das Kapitel Bäckerei Kapp geschlossen ist.“ Wie er seine Vorstellungen von gutem Brot - nach wie vor ein Herzensanliegen für ihn - in ganz Deutschland und darüber hinaus weiterhin am Leben erhält, hat uns der 62-Jährige erzählt.

„Mir geht’s so gut wie vorher, als ich noch in der Backstube stand, aber der Stress ist weg“, sagt Kapp. Mehr als 40 Jahre lang habe er täglich 15 Stunden lang gearbeitet. Und das „an sieben Tagen die Woche“. Da habe er sich schon gefragt: „Wie lange kannst Du das durchhalten?“ Wir erreichen ihn telefonisch südlich von Rimini in Italien. Dort genießt er seinen „Unruhestand gerade im totalen Urlaubsmodus“, so Kapp. In sozialen Medien sieht man ihn auf Fotos aus dem Mai in der geliebten Toskana: mit einem Bäcker in Bucine, in einer Osteria in Radda, beim Besuch seines 2007 gepflanzten Olivenbaums in Castellina. In jener Chianti-Region befindet sich auch die Fattoria Nittardi. Kenner werden sich noch gut an das Weißbrot „Pane di Nittardi“ erinnern, das Kapp mit Olivenöl vom gleichnamigen Hof einst herstellte.

In der Toskana „zuhause“

In der Toskana fühlt sich Kapp zuhause. „Der weltberühmte Metzger Dario Cecchini hat mich sofort wiedererkannt“, erzählt er fast stolz. Dabei ist er selbst kein Unbekannter: „Seine Brotkreationen sind unter Kennern Kult“, schreibt sein Schriesheimer Kollege Christoph Höfer auf Facebook, als er vom „gemeinsamen Backen mit dem Brotkönig“ berichtet und feststellt: „Der Artisan hat es nicht verlernt.“

Kapp weiß zwar selbst, was er kann: „Die Leute verbinden verschiedene Brote und das Sepia-Cranberry-Backen mit meinem Namen.“ Er zeigt sich jedoch auch bescheiden: „Ich weiß nicht, ob ich einer der Besten war und schaue lieber von unten nach oben.“ Nah dran an der Meisterschaft sei sein ehemaliger Schüler Sebastian Däuwel („Die Brotpuristen“, Speyer). Es gebe aber noch weitere gute Bäcker, auch große. Namen will er nicht nennen. Oft wird Kapp gefragt, wo er sein eigenes Brot herbekommt. Dazu verrät er nur so viel: „Ich backe es nicht selbst, sonst würde meine Frau ausziehen.“

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Auch beim Besuch der traditionsbewussten Plankstädter Bäckerei Gehrig hat Kapp gerne Tipps gegeben. „Dafür nehme ich kein Geld“, betont er. Es stehe für ihn außer Frage zu helfen, wenn er darum gebeten werde. „Teile Dein Wissen und freue dich über den Erfolg der anderen“ - so laute auch eines der zehn Gebote seiner „Revoluzione del Pane“ (Revolution des Brotes), mit der er sich zum Vorreiter einer neuen Brotkultur gemacht hatte. Kapp nennt es ebenso „kulinarische Weiterbildung“, was ihn selbst dauernd nach Frankreich, Spanien und Italien zieht. Überall leitet ihn diese Frage: „Wie entwickelt man ein Brot weiter, damit es spannend bleibt?“

Seit Mai wieder Backkurse in der Kochschule

Derzeit arbeitet Blues-Fan Kapp etwa daran, „das belegte Brot wieder zu entdecken, das man in einem Pop-up-Store umsetzen könnte“. Sein beinahe missionarischer Eifer beim Thema Brot hat ihn dazu bewogen, seit Mai wieder Backkurse in der 1. Mannheimer Kochschule anzubieten: „Alle Kurse bis August sind ausgebucht“, freut sich Peter Kapp. Im März hatte er bereits an einer Schule in Belgien unterrichtet. Im Oktober reist er dazu wieder nach Südtirol. Vorher will Kapp aber in Berlin zusammen mit Spitzenkoch Tristan Brandt bei einem Contest mitwirken.

Bäcker aus Leidenschaft

  • Peter Kapp ist seit 46 Jahren Bäcker. Sein Fachgeschäft im Ortsteil Edingen hatte eine mehr als 100-jährige Tradition, als er es im Juni 2022 für immer schloss.
  • Laut Zentralverband des Bäckerhandwerks sank die Zahl der Handwerksbäckereien in den letzten 60 Jahren von rund 55 000 im alten Bundesgebiet auf 9607 Betriebe mit 35 000 Filialen im heutigen Deutschland (Stand: 31.12.2022).
  • Kapp sieht dennoch eine Chance für kleine Bäcker und gibt sein Baguette-Knowhow im kreativen Unruhestand gerne an Kollegen weiter.
  • Zurzeit sucht er nach Partnern, um seine Idee vom „perfekten belegten Brot“ umzusetzen.
  • Brot bleibt für ihn ein Kulturgut, das bewahrt sowie ab und zu neu erfunden werden müsse. pj

Überall geht’s ihm nur darum, die Leidenschaft fürs Backen wieder zu erwecken. „Ich glaube fest daran, dass so auch kleine Bäcker sehr gute Chancen haben, nicht nur zu überleben, sondern auch Geld zu verdienen“, sagt Kapp. Zu seiner eigenen finanziellen Situation verrät er: „Meine drei Porsche hab´ ich noch, aber ich konnte mir den ersten erst mit 55 erlauben.“ Es müsse bei der ganzen Arbeit doch eine „Balance zwischen Erfolg und Sich-was-gönnen“ geben. „Corona hat meine Sicht auf das Leben endgültig verändert“, sagt Kapp.

Bald geht es nach Oxford - nicht wegen Brot

Zwar habe er in der Pandemiekrise sogar zehn Prozent mehr Umsatz gemacht und sei nie von Covid-19 infiziert gewesen. Doch „wie die Leute im Lockdown gezwungen waren, zuhause zu sitzen“ und wie sich quasi über Nacht alles ändern könne, das hatte ihm offenbar zu denken gegeben.

Man ahnt, dass damals in Kapp der Gedanke gereift ist, deutlich kürzer zu treten, um zu reisen. Momentan freut er sich vor allem aufs englische Oxford. Dabei geht es aber nicht um Brot. Nein, seiner dort lebenden Tochter wird der Doktor-Titel verliehen.

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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