Eigentlich habe er an dem Schuppen vorbeigehen wollen. Aber „irgendwie hat es durch den Alkohol im Kopf einen Schalter umgelegt“. So beschrieb ein 36-Jähriger am Dienstag vor dem Heidelberger Amtsgericht, was ihn dazu bewogen hat, am 10. Mai in einem Schuppen auf dem Vereinsgelände der DJK/Fortuna in Edingen-Neckarhausen Feuer zu legen. Mit 2,6 Promille im Blut konnte er seiner Faszination für Brände und dem Wunsch, sich als Retter aufzuführen, schwer widerstehen. Der Brand griff auf die benachbarte Gaststätte „Bei Kosta“ über und richtete einen Totalschaden an. Das Schöffengericht hat den Mann nun wegen Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Brandstiftung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Der Mann kommt zunächst aber nicht ins Gefängnis, sondern zur Therapie seiner Alkoholsucht in die Psychiatrie.
Am 10. Mai war der Handwerker aus Berlin auf Montage in der Region und in Edingen-Neckarhausen untergebracht. Er habe nach Feierabend etwa sechs Halbliterflaschen Bier geleert und sei dann spazieren gegangen, berichtete der Angeklagte. Kurz vor 10 Uhr abends sei ihm der Schuppen aufgefallen, spontan sei er hinein gegangen. Mit einem Feuerzeug zündete der Mann ein Sitzkissen an. Die Gasflaschen im Schuppen habe er nicht gesehen. Er habe auch nicht erwartet, dass das Feuer auch die Gaststätte erfassen würde, so der Angeklagte. Das sah auch die Staatsanwaltschaft so. Bezüglich des Schuppens warf sie ihm Vorsatz vor, hinsichtlich der Gaststätte nur Fahrlässigkeit. An den Gebäuden entstand ein Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswerts von 240 000 Euro, zudem ein Schaden von 17 000 Euro am Inventar.
Nach der Tat wollte der Mann zunächst weitergehen, entschied sich dann aber, in der Gaststätte Alarm zu schlagen. Sein Verhalten weckte schnell Verdacht. Er habe sich einen bereits mehr oder weniger leer gesprühten Feuerlöscher geschnappt, um beim Löschen zu helfen, berichtete die Pächterin Spyridoula Katseli als Zeugin. Er habe versucht, sie zu trösten und sie sogar umarmt – „er kam mir nicht ganz koscher vor“. Einen Feuerwehrmann machte es stutzig, dass der Angeklagte unbedingt zum Feuer zurück wollte und ungefragt – und unzutreffend – erklärte, er sei Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Berlin. Nachdem der Mann sich im Verhör weiter verdächtig gemacht hatte, gestand er die Tat am nächsten Morgen.
Bei der Feuerwehr abgewiesen
Seit seiner Jugend ist der Angeklagte offenbar von Feuer fasziniert. Ein Sachverständiger bezeichnete dies als „Pyromanie im psychiatrischen Sinne“. Der Mann habe im Internet stundenlang Videos von Bränden angeschaut und sei als Zuschauer zu Bränden gefahren. Bei der Jugendfeuerwehr wollte der Angeklagte zwar mitmachen, wurde aber wohl wegen gesundheitlicher Probleme abgewiesen. Der Angeklagte tat sich vor Gericht schwer damit, seine Pyromanie einzugestehen. „Das Flammenmuster ist manchmal faszinierend anzusehen“, räumte er lediglich ein. Berliner Staatsanwälte hätten in der Vergangenheit versucht, ihm Brandstiftungen „unterzujubeln“. Die Brandstiftung in Edingen sei aber seine erste Tat gewesen.
Schwaches Selbstwertgefühl
Der psychiatrische Sachverständige führte die Pyromanie des Angeklagten auf dessen schwaches Selbstwertgefühl zurück, das unter anderem familiären und gesundheitlichen Belastungen geschuldet sei. „Flammen und Feuer sind gewaltvoll und eindrucksstark“, erläuterte der Sachverständige. Die Macht über das Feuer und die Möglichkeit, sich danach als Held aufzuführen, könnten das geringe Selbstwertgefühl kompensieren.
Nicht durch die Pyromanie alleine, aber im Zusammenwirken mit dem Alkoholrausch war die Steuerungs- und damit die Schuldfähigkeit des Angeklagten vermindert – so sahen es der Sachverständige und das Gericht. Der Angeklagte ist alkoholabhängig, nach eigenen Angaben trank er bis zu seiner Festnahme täglich einen bis vier Liter Bier. Zur Behandlung seiner Alkoholsucht ordnete das Gericht die Unterbringung im Maßregelvollzug an. Auch seine Pyromanie kann dort behandelt werden. Mit dem Strafmaß blieb das Gericht zwischen den Forderungen der Staatsanwaltschaft (zwei Jahre und vier Monate) und der Verteidigung (ein Jahr und zehn Monate).
Zulasten des Angeklagten wertete das Gericht den hohen Schaden und die von dem Brand ausgehende Gefahr für Leib und Leben. „Sie wollten niemanden gefährden, aber gefährlich war es schon“, sagte die Vorsitzende Richterin Julia Glaser. Zu seinen Gunsten sei aber neben seiner verminderten Schuldfähigkeit zu berücksichtigen, dass er den Brand schnell gemeldet und beim Löschen geholfen habe und auch nicht als vorbestraft gelte. Zudem habe er Reue gezeigt. Mit seinem letzten Wort hatte sich der Angeklagte an Pächterin Spyridoula Katseli gewandt: „Es tut mir wirklich sehr, sehr leid, dass ich die Scheiße gemacht habe, und ich stehe dafür gerade.“
Angeklagter und Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel, das Urteil ist damit rechtskräftig.
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