Edingen-Neckarhausen:. Edingen-Neckarhausen muss sich einen neuen Bürgermeister suchen. Amtsinhaber Simon Michler (CDU) hat am Donnerstag in einer Presseerklärung mitgeteilt, dass er bei der Wahl Ende 2023 nicht mehr antritt. Er zieht damit die Konsequenzen aus einem seit Monaten schwelenden Konflikt.
„Leider wird es mir seit Juni 2021 nicht mehr möglich gemacht, ein normales Leben als Bürgermeister zum Wohle der Gemeinde Edingen-Neckarhausen zu führen“, schreibt er darin. Zugleich verweist er auf seine familiäre Situation. Seine Frau und er werden ab Herbst 2022 zu viert sein: „Wir wollen unseren künftigen Adoptivmädchen ein besseres Leben als in Haiti ermöglichen.“ Nach zahlreichen Gesprächen sehe er keine andere Wahl. „Wer mich kennt, weiß, dass es mir immer ausschließlich in der Sache um das Beste für die Gemeinde geht.“
Simon Michler
- Geboren am 23. September 1984 in Heilbronn-Neckargartach.
- Diplom-Verwaltungswirt (FH) und Wirtschaftsförderer; Haupt- und Personalamtsleiter der Stadtverwaltung Möckmühl (2008 bis 2011); Leiter des Amtes für Bildung, Schule und Sport der Stadt Aalen (2011 bis 2015).
- Im November 2015 im zweiten Wahlgang zum Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen gewählt.
Er hoffe, dass durch diese Entscheidung die Sacharbeit wieder in den Vordergrund treten könne. „Als Menschenfreund, der nicht nachtragend ist, bin ich immer bereit, positiv nach vorne zu schauen.“ Michler schreibt auch von einem langen „Kampf gegen brutale Boshaftigkeiten – weit über branchenübliches Sticheln hinaus und weit hinein ins Persönliche (bis hin zu privaten Drohungen)“. Damit gebe es in Edingen-Neckarhausen für ihn und seine Familie „keine Grundlage mehr für eine langfristige Beschäftigung“. Auf Nachfrage wollte sich Michler nicht näher dazu äußern. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik an seiner Amtsführung, zuletzt bei der Debatte über den Haushalt für 2022 (der „MM“ berichtete). Bei dieser Gelegenheit attackierten vor allem die Unabhängige Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) und die SPD den Bürgermeister heftig.
Die Entscheidung Michlers habe die CDU „unvorbereitet und ohne Vorwarnung erreicht und sehr betroffen gemacht“, schreibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Lukas Schöfer. In einem Gespräch mit ihm habe die Fraktionsspitze „tiefes Bedauern“ darüber zum Ausdruck gebracht. In Bezug auf die „für ihn und seine Familie belastende Gesamtsituation, aufgrund der schlimmen Schilderungen, haben wir gleichwohl vollstes Verständnis für seine berufliche, private und familiäre Entscheidung“. Umso mehr bedauere man diese.
CDU verurteilt unfaires Verhalten
„Wir verurteilen nachdrücklich jede Art von unfairem und nichtkollegialem Verhalten gegenüber dem gewählten Bürgermeister, wie auch gegenüber jeder anderen Person“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Mit Michler verliere die Gemeinde „einen noch immer recht jungen und überaus engagierten Bürgermeister, der sich stets für das Allgemeinwohl und für den Interessensausgleich über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg eingesetzt und viel erreicht hat“. Grundlegende demokratische Spielregeln im Umgang miteinander, wozu auch Ehrlichkeit, Respekt und Fairness zählten, müssten auch im politischen Diskurs stets von allen Seiten gewahrt bleiben.
UBL und SPD zollen respekt
„Wir respektieren die Entscheidung von Herrn Michler selbstverständlich“, sagt UBL-Fraktionschef Klaus Merkle und fährt fort: „Überrascht bin ich nicht.“ Allenfalls der Zeitpunkt sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Er hoffe, dass die Zeit bis zum Ende der Amtsperiode „noch geordnet verläuft, ohne größere weitere Spannungen“.
OGL bedauert Rückzug
Thomas Hoffmann von der Offenen Grünen Liste (OGL) zeigt sich „überrascht und betroffen“, zumal Michler im kleineren Kreise immer angegeben habe, als Sportler politische Auseinandersetzungen auch sportlich zu nehmen und über eine hohe Regenerationsfähigkeit zu verfügen. „Wir haben Verständnis für seine Entscheidung, die mit den schwierigen Verhältnissen im Gemeinderat, wie sie sich auch bei der letzten Haushaltsberatung gezeigt haben, zu erklären ist“, fährt Hoffmann fort.
Besonders bedauerlich sei, dass er sich zudem persönlichen Angriffen ausgesetzt gesehen habe, die für ihn unter die Gürtellinie gegangen seien: „Das ist schwer zu ertragen.“ Die OGL bedauere die Ankündigung sehr, da Michler im persönlichen Umgang immer ein sehr angenehmer Gesprächspartner gewesen sei und Verständnis für Naturschutz, Umweltschutz, Klimaschutz und fortschrittliche Mobilität geäußert habe. Man wünsche sich, dass Michler seine Entscheidung noch einmal überdenkt: „Im Rahmen unserer Möglichkeiten bieten wir hierfür gerne Unterstützung an.“
Die SPD-Fraktion nimmt die Ankündigung Michlers nach den Worten ihres Vorsitzenden Michael Bangert „mit Respekt zur Kenntnis“. Da dies eine persönliche Entscheidung von Michler sei, werde man diese nicht weiter kommentieren. „Auch wir sind bereit, nach dieser Erklärung nun nach vorne zu schauen“, heißt es in der kurzen Stellungnahme abschließend.
Linke übt Kritik
Nach Auffassung von Edgar Wunder (Linke) habe sich Michler in den vergangenen beiden Jahren „zunehmend selbst in eine Lage hineinmanövriert, die ihm jetzt gar keine andere Wahl mehr ließ“. Eine „schmerzhafte Abwahl“ habe sich immer deutlicher abgezeichnet. Er schätze Simon Michler als einen „netten und offenen Menschen mit Realitätssinn, ohne parteipolitische oder persönliche Allüren“. Mit ihm könne man konstruktiv Gespräche führen: „Aber das Amt des Bürgermeisters hat ihn ganz offensichtlich überfordert.“ Wunder kritisiert eine schlechte Vorbereitung und ungeschickte Moderation von Sitzungen, fehlende Eigeninitiative und „Hilflosigkeit beim Umgang mit diversen Blockaden“. Hinter der Kandidatur in Schwäbisch Hall vermutet Wunder einen ersten Versuch, „aus dieser schon damals verfahrenen Lage zu entkommen“. Die Entwicklung sei tragisch, „aber es ist die richtige Entscheidung“.
Kollegen „sehr betroffen“
Rückendeckung erhält Michler von seinen Kollegen im Sprengel. „Die Mitteilung von Simon Michler macht alle Kolleginnen und Kollegen im Kreis sehr betroffen“, schreibt Michael Kessler in seiner Eigenschaft als Kreisverbandsvorsitzender des Gemeindetages: „Sie zeigt, unter welcher Belastung kommunale Entscheidungsträger zunehmend stehen, und wie weit davon auch die persönliche Situation beeinflusst wird.“ Bei allem politischen Ringen um die beste Lösung vor Ort sollte der Respekt gegenüber dem von den Bürgern gewählten Verantwortungsträger immer gewahrt bleiben, betont Kessler. Die öffentlichen Aussagen der vergangenen Wochen hätten das leider des öfteren vermissen lassen: „Sie schädigten die Person aber auch die Reputation des Gemeinderates.“ Er wünsche Simon Michler, „dass ihn diese Entscheidung, um die er innerlich sicher heftig gerungen hat, ein Stück weit befreit und er die Kraft findet für die nächsten Monate“. Die Kolleginnen und Kollegen freuten sich auf die Zusammenarbeit mit ihm bis zum Ende seiner Amtszeit.
Gute Wünsche von Wacker
„Ich respektiere die Entscheidung unseres Bürgermeisters und dabei insbesondere, dass es ihm um seine Familie geht“, schreibt Ulf Wacker (fraktionslos). Er wünsche ihm und seiner Familie alles Gute und werde bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt gerne in der Sache mit ihm zusammenarbeiten, versichert Wacker, der 2015 selbst als Bürgermeister kandidiert hatte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Michler erweist mit Rückzug einen Dienst an der Gemeinde