Die Fraktionen im Gemeinderat von Edingen-Neckarhausen haben Bürgermeister Simon Michler (CDU) am Mittwoch bei der Etatdebatte in der Pestalozzihalle heftig unter Beschuss genommen. Gleichwohl wurde der Haushalt der Gemeinde für das Jahr 2022 am Ende einstimmig verabschiedet. Es sieht trotz Grundstücksverkäufen mit Millionenerlösen neue Schulden von 3,4 Millionen Euro vor. Ein Knackpunkt in der Aussprache.
Michler: Keine Luxusprojekte
„Der Haushalt ist wieder einmal nicht ausgeglichen, aber das ist großteils fremdbestimmt“, stellte Michler eingangs fest, verwies aber auch auf „einige positive Entwicklungen“. Es gebe zwei Millionen Euro mehr an Erlösen als im Vorjahr und ebenso viel Geld vom Land. Es ist ein Haushalt ohne Luxusprojekte, aber es gibt auch nicht viel Luft zum Kürzen“, sagte Michler mit Blick auf die vergleichsweise kurze Etatberatung im Vorfeld.
„Begonnenes wird fortgeführt“, erklärte der Bürgermeister und nannte an erster Stelle die Sanierung der Pestalozzischule, die zeitnah beginnen solle. Drei Millionen Euro Einnahmen aus Neckarhausen-Nord würden dringend benötigt, hier sei man im Verfahren sehr weit. Trotzdem unterstrich Michler: „Wir müssen die Haushaltskonsolidierung fortsetzen.“ Er sprach von vielfältigen Aufgaben unter angespannter Haushaltslage und appellierte: „Es ist wichtig, dass wir nach außen geschlossen auftreten.“ Der Bürgermeister forderte einen respektvollen Umgang miteinander. „Lassen Sie uns nicht ständig schlecht über unsere Haushaltslage sprechen, sie wird davon auch nicht besser“, sagte Michler: „Lassen Sie uns unsere schöne attraktive Gemeinde gemeinsam gestalten.“
Herold (UBL): Ein Armutszeugnis
Heftige Kritik am Bürgermeister und seiner Arbeit äußerte sein Stellvertreter als Sprecher der stärksten Fraktion, der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV). „Der Haushalt 2022 ist ein Armutszeugnis“, sagte er. Alle Fraktionen und der Kämmerer hätten darauf mehrfach hingewiesen: „Aus Michlers Sicht ist es halb so schlimm, das sehen wir deutlich kritischer.“ Die Politik müsse auch die Bürger mitnehmen, wenn Einschnitte nötig seien. Herolds Bilanz: „Es hat sich fast nichts getan – Stillstand.“ Das liege nicht nur an der Pandemie und an Michlers Kandidatur als OB in Schwäbisch Hall. Ressourcen fehlten, kritisierte der UBL-Sprecher, und zwar „personell, finanziell, konzeptionell“.
Immer wieder attackierte Herold den Bürgermeister. Vieles sei hängengeblieben. „Es geht nicht alles auf einmal und von alleine, wie Michler das meint“, formulierte der UBL-Gemeinderat. Gespräche zu Neckarhausen Nord liefen wie in einer Dauerschleife, „ohne erkennbare Vorbereitung“, sagte Herold: „Das muss endlich anders werden, Herr Michler.“ Vor allem die steigende Verschuldung kritisierte er. Seit dem Amtsantritt von Michler habe sich der Schuldenstand von 8,6 auf 14,2 Millionen erhöht. Aber Geld sei nicht alles, woran es fehle. „Es fehlt auch am Miteinander zwischen den beiden Hauptorganen der Gemeinde, dem Gemeinderat und dem Bürgermeister.“ Seine Fraktion habe das oft genug angeboten, aber vergebens. Selbst die Kommunikation habe Michler eingestellt. Herolds Forderung: „Es ist Zeit für einen Kurswechsel.“
König (CDU): Zu Einschnitten bereit
Bei der CDU musste Florian König kurzfristig für den erkrankten Fraktionschef Markus Schläfer einspringen. „Wir hätten uns andere Zahlen gewünscht“, bekannte er, um dann gleich den Kämmerer in Schutz zu nehmen: „Der ist nur der Überbringer der Zahlen.“ Die Gemeinde gebe rund zweieinhalb Millionen Euro mehr aus als sie einnehme, und große Brocken stünden erst noch bevor. „Sparen wird seit Jahren proklamiert, aber darüber zu reden, bringt nichts“, sagte König.
Bei den Haushaltsberatungen seien keine Ansätze dafür erkennbar gewesen. „Wir schieben Großprojekte Jahr für Jahr vor uns her und hangeln uns von Jahr zu Jahr“, erklärte der Christdemokrat. „Es fehlt sogar Geld für die Erhaltung unserer Gebäude.“ Erneut mahnte er eine Auflistung der Gebäude mit Zahlen und Fakten an, was durch Verkäufe gespart werden könne: „Wir sollten uns lieber um wenige Immobilien richtig als um alle zu wenig kümmern.“ Themen, über die der Gemeinderat in Sachen Sparen sprechen könnte, gebe es einige. Als Beispiele nannte er das Jugendzentrum und die Hallenbäder. „Wir sind gewillt, den Gürtel enger zu schnallen“, signalisierte König die Bereitschaft zu Einschnitten.
Die Gemeinde wolle bis 2035 klimaneutral werden: „Ein ambitioniertes Ziel, das es nicht zum Nulltarif gibt.“ Das Gewerbegebiet müsse vorangetrieben, die Wohnungsnot bekämpft werden.
„Wir dürfen uns nicht scheuen, Entscheidungen zu treffen, die bei den Bürgern nicht gut ankommen.“ Erhöhungen bei den Gebühren brächten zwar mehr Geld, lösten aber nicht das Haushaltsproblem. CDU und SPD hätten Vorschläge zur Verbesserung der Haushaltsstruktur gemacht, aber leider keine Mehrheit dafür erhalten.
Hoffmann (OGL): Kleinhallenbad auf den Prüfstand
Thomas Hoffmann von der Offenen Grünen Liste (OGL) betrachtete den Haushalt mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Für Biotope steht eine nackte Null im Haushalt, damit sind wir unglücklich“, sagte er und forderte ein Biotopverbundkonzept, eventuell mit den Nachbargemeinden Ladenburg und Ilvesheim. Auch für Radwege sei kein einziger Euro vorgesehen, wohl aber für Straßen und Wirtschaftswege. „Radwege sind wichtig für klimafreundliche Mobilität“, unterstrich der OGL-Sprecher und mahnte die Behandlung eines entsprechenden Antrags vom Juli 2021 zum Fuß- und Radverkehr an.
Mit Blick auf Beschlüsse der vergangenen Sitzung sprach Hoffmann von einer Sternstunde für den Klimaschutz und würdigte das als gute Entscheidung. „Wir hätten schon längst viel tun können“, bemerkte Hoffmann.
Dass die Neuausweisung von Wohngebieten Geld bringe, sei ein Trugschluss: „Wenn man an die Infrastruktur denkt, zahlt man drauf.“ Einnahmen aus Grundstücksverkäufen seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hoffmann wagt sich gar an die „Giftkiste“, wie er sagte. Das Kleinhallenbad müsse auf den Prüfstand, ebenso die Musikschule, Bibliotheken und andere kulturelle Ausgaben.
Bangert (SPD): Michler ein Ausfall
Harte Kritik kam auch von Michael Bangert (SPD), der bei der Wahl 2015 gegen Michler gescheitert war: „Politisch war der Bürgermeister ein Ausfall“, sagte er. Urlaub aus zwei Jahren in einem zu nehmen, sei nicht gut für eine Gemeinde, kritiserte Bangert in Anspielung an Michlers Kandidatur in Schwäbisch Hall. Die Verschuldung werde sich unter Michler bis 2023 mehr als verdoppelt haben. Trotz der 20 Millionen Euro Schulden seien weder Klimaschutz noch Hilfeleistungszentrum enthalten. „Die SPD würde ein neues Baugebiet befürworten“, sagte er und fügte an: „Wo sind Ihre Vorschläge, Herr Bürgermeister. Weiter in der Deckung zu bleiben bleiben, ist feige und unverantwortlich.“
Wolf (Linke): Haben leider kein Geld
Gerd Wolf sprach für die Fraktion Die Linke. „Unsere schöne Gemeinde hat leider kein Geld, wir sind abgebrannt“, sagte er. Diesem Umstand fielen leider einige Visionen zum Opfer, zum Beispiel eine Freiflächen-PV-Anlage.
Ulf Wacker (parteilos) schloss sich den Ausführungen von Herold und Bangert aber auch von König ausdrücklich an. „Sparen gelingt uns nur gemeinsam“, sagte Wacker. Er teile die Enttäuschung, dass vom Bürgermeister nicht viel komme. Er hoffe, dass Michler 2022 mehr Energie zeige und sich deutlich stärkeres einbringe. Beim Sparen solle die UBL als stärkste Fraktion das Heft in die Hand nehmen und alle an einen Tisch bringen. Wacker schloss mit Worten von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es.“
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