Politik

Streit um Obdachlosenunterkunft in Bürstadt spitzt sich zu

Trotz geänderter Planung bleibt die Kritik von Anwohnern an der neuen Unterkunft in den Rodstücken laut. Der Standort sorgt weiter für Diskussionen im Bauausschuss.

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Corinna Busalt
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Auf der Grünfläche direkt am Waldrand unten soll bald Wohnbebauung möglich sein. Möglich wäre der frühere Bolzplatz dann als Standort der neuen Obdachlosenunterkunft. © Bernhard Zinke

Bürstadt. Die Bedenken der Anwohner sind nicht kleiner geworden: Eine ganze Liste mit Fragen zur geplanten Obdachlosenunterkunft bringt Jürgen Kilian mit seinen Nachbarn mit zum Bürstädter Bauausschusses. Zwar geht’s in der Sitzung nur um den geänderten Bebauungsplan, aber die Kommunalpolitiker versuchen dennoch, auch auf ihre Sorgen zu reagieren.

Als ungerecht empfinden es die Bürger im Wohngebiet Rodstücke nach wie vor, dass sie weiterhin mit Wohnungslosen in der Nachbarschaft leben sollen. Bereits seit Jahrzehnten sind Menschen am Rande der Gesellschaft in zwei heruntergekommenen Häusern in der Görlitzer Straße untergebracht. Viele mit Sucht- oder psychischen Problemen.Dass in den beiden Gebäuden unwürdige Zustände herrschen, ist lange bekannt, seit Jahren wird schon nach einer Alternative gesucht. Im Dezember 2023 entschied sich das Stadtparlament dann für einen neuen Standort: schräg gegenüber vom alten. Um diesen überwucherten Bolzplatz nutzen zu können, wird gerade der Bebauungsplan angepasst.

Nachbarn berichten von Bewohnern, die per Haftbefehl gesucht werden

„Wieso wird dort kein Ärztehaus realisiert? Die Obdachlosenunterkunft könnte stattdessen auf das Raiffeisenareal kommen, wo es in der Nähe Einkaufsmöglichkeiten gibt und die Ortspolizei nebenan ist“, sagt Anwohner Jürgen Kilian. Sein Nachbar Roland Kirsch will zudem wissen, wie die Stadt eigentlich sicherstelle, dass sich in dem neuen Heim nicht wieder Leute illegal einquartieren, die auch noch per Haftbefehl gesucht werden. „Nicht nur die Betreuung der Bewohner ist dort wichtig, sondern auch Kontrolle“, betont Kirsch. Die beiden Männer fürchten zudem, dass der Neubau nach kurzer Zeit in dem gleichen schlechten Zustand sein könnte wie der bisherige Standort.

Von den menschenunwürdigen Zuständen im Inneren dieser beiden Häuser in der Görlitzer Straße konnte sich auch diese Redaktion schon ein Bild machen. © Berno Nix

Von auf der Straße torkelnden Menschen erzählen sie im Ausschuss, die den Kindern im Wohngebiet Angst machen. „Hier findet an vielen Stellen ein Generationenwechsel statt, weil sich junge Familien niederlassen.“ Die Obdachlosenunterkunft werde aus ihrer Sicht an der völlig falschen Stelle geplant. „Bei uns gibt es weder Bäcker, Metzger noch Lebensmittel.“ Sie hoffen nach wie vor, dass sich die Stadt doch für einen anderen Standort entscheidet. Immerhin lässt der geänderte Bebauungsplan ganz allgemein Wohnbebauung zu – und nicht speziell das Wohnungslosenheim.

Bürgermeister Boris Wenz verweist allerdings auf den Beschluss des Parlaments: Vor knapp zwei Jahren hatte eine knappe Mehrheit für die Grünfläche in den Rodstücken gestimmt. „Das müsste zurückgenommen werden.“ Sogleich schütteln einige Kommunalpolitiker im Ausschuss den Kopf. Sowohl Jürgen Heiser (FDP) als auch Bernd Herd (Grüne) betonen, dass dann ja wieder alles von vorne anfange. „Über den Platz wird seit Jahren diskutiert, wir müssen das jetzt voranbringen. Jeder Mensch muss in Ruhe und ordentlich leben dürfen“, sagt Heiser. Herd spricht ebenfalls von einer menschenunwürdigen Lage in der Görlitzer Straße. „Das muss sich dringend ändern. Bei einer anderen Fläche müssten wir ja wieder erst den Bebauungsplan anschieben.“ Dann dauere alles noch länger. Die CDU dagegen hat von Anfang an betont, dass sie sich einen anderen Standort wünscht. Das bekräftigt Ausschussmitglied Marcel Kilian noch einmal.

Dass die Wohnungslosen über Jahrzehnte allein gelassen wurden, habe die Situation überhaupt erst so verschärft, ist Boris Wenz überzeugt. „Seit die Diakonie die Betreuung übernommen hat, hat sich die Lage verbessert.“ Das kommentieren die Anwohner mit einem Schnauben. Wenz betont, dass es in der neuen Unterkunft Büros für die Mitarbeiter der Diakonie sowie Aufenthaltsräume geben soll, sodass diese deutlich mehr Zeit als jetzt direkt vor Ort verbringen. Auch das Ordnungsamt werde weiterhin regelmäßig vorbeischauen, verspricht der Rathauschef. Er nimmt sich übrigens nach der Diskussion noch Zeit, sich vor der Tür mit den Anwohnern zu unterhalten. Was bei ihnen gut ankommt. Bislang fühlten sie sich mit den Problemen rund um die Unterkunft allzu oft allein gelassen.

Als Bolzplatz wird diese Fläche in der Karlsbader Straße schon lange nicht mehr genutzt. Der geänderte Bebauungsplan erlaubt hier bald wegen Wohnbebauung - und macht damit die geplante Obdachlosenunterkunft möglich. © Berno Nix

Das eigentliche Thema der Sitzung – der Bebauungsplan – rückt damit fast in den Hintergrund. Luftbilder zeigen die Randlage des Grundstücks: Begrenzt wird es vom Wald im Osten, einer Grünfläche an der B 47 im Norden und einer Ferngasleitung, die südlich verläuft und nicht überbaut werden darf. Das Nachbargrundstück gehört ebenfalls zum Geltungsbereich, obwohl es nicht der Stadt gehört.

Sauer stößt den Anwohnern noch auf, dass sich die Politiker entscheiden, bis zu drei Stockwerke zuzulassen – so hoch wie das Gebäude der Baugenossenschaft dort. „Das ist aber auch das einzige, alle anderen Häuser haben nicht mehr als zwei Geschosse“, grummeln die Zuhörer im Hintergrund. Weil es nur noch wenige freie Grundstücke gibt in der Stadt, aber Wohnungsmangel herrscht, sehen die Ausschussmitglieder keine Alternative zu dieser Regelung. Nach diesem Beschluss wird der Plan öffentlich ausgelegt – und die Nachbarn können ihre Bedenken auch schriftlich formulieren.

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Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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