Die Unterbringung von Geflüchteten wird für die Städte und Gemeinden in der Region immer schwieriger. Das zeigen die Antworten der Bürgermeister aus den Städten und Gemeinden auf eine Anfrage dieser Redaktion. Für mehr als 1000 Menschen haben sie aktuell eine Unterkunft gefunden, im Jahr 2024 sollen noch einmal 450 hinzu kommen, ein Plus von mehr als 40 Prozent.
Die Unterbringung von weiteren Geflüchteten wird auch in Ilvesheim immer schwieriger
Am liebsten würden die Bürgermeister die Geflüchteten dezentral unterbringen. Aktuell gelingt das am besten in Ladenburg. Insgesamt handelt es sich dabei nach Angaben von Bürgermeister Stefan Schmutz um 42 Wohnobjekte, davon 13 städtische und 29 angemietete, von Privatleuten und von städtischen Stiftungen. Auch von der Stadt Schriesheim sind Ende 2023 nur fünf Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht.
Es muss ein massives Umdenken in der Flüchtlingspolitik stattfinden
Neue Unterkünfte in Edingen-Neckarhausen und Heddesheim gebaut
Die Gemeinden Edingen-Neckarhausen und Heddesheim haben dagegen in jüngster Zeit besonders viele Plätze in eigenen Unterkünften geschaffen. Das sind die Wohnanlage am Nussbaum (111) und das Mehrfamilienhaus an der Fohlenweide (114). Die 2018 gebaute Anlage am Nussbaum sei eine beispielhafte Container-Lösung, sagt Bürgermeister Florian König (CDU) aus Edingen-Neckarhausen, und zwar für Obdachlose und Flüchtlinge. Ein Großteil der Geflüchteten werde jedoch dezentral in allen Ortsteilen einquartiert: „Das soll auch der Integration dienen.“ Sein Kollege Achim Weitz aus Heddesheim sieht das ähnlich: „Der gewählte Weg der dezentralen Unterbringung hat sich dabei aus unserer Sicht bewährt und erleichtert die Integration.“ Schriesheims Bürgermeister Christoph Oeldorf formuliert das fast wortgleich, spricht aber ausdrücklich von „Geflüchteten mit Bleibeperspektive“.
Lage auf dem Wohnungsmarkt macht Unterbringung noch schwieriger
Was die Lage noch schwieriger macht, ist die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. So hat Schriesheim bereits 2019 die Aktion „Schriese fairmietet“ gestartet, um Vermieter zu unterstützen und leerstehenden Wohnraum zu reaktivieren. Heddesheim ist diesem Beispiel gerade erst gefolgt und hat die Initiative „Mietpartner HeddesHeim“ ins Leben gerufen, samt einer neuen Stelle im Rathaus, die zudem für die Integration zuständig sein soll.
Auch die Stadt Ladenburg ist aktiv. „Durch den Neubau im Alemannenweg konnte in diesem Jahr ein soziales Wohnbauprojekt mit acht Wohneinheiten realisiert werden“, erklärt Bürgermeister Stefan Schmutz. Hier sollten Menschen einziehen, „die seit Jahren in städtischen Wohnungen leben, sozial gut integriert sind, aber auf dem freien Wohnungsmarkt keine Wohnung finden“. Durch die Belegung der Immobilie würden städtische Wohnungen frei und könnten mit Geflüchteten nachbelegt werden.
Wir befinden uns unmittelbar vor einem realpolitischen Kipppunkt
Aber reicht das alles? – Da gibt es bei den Bürgermeistern Skepsis. Viele können aus heutiger Sicht nicht ausschließen, dass ohne eine grundlegende Änderung der Flüchtlingspolitik in absehbarer Zeit auch Notunterkünfte in Anspruch genommen werden müssen.
Sowohl die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen als auch die hauptamtlichen Beschäftigen der Gemeinde sind an ihrer Belastungsgrenze angelangt
Warum auch Turnhallen nicht mehr tabu sind
„Wir befinden uns bereits in der Situation, dass wir keine Möglichkeit valide für das Jahr 2024 ausschließen können“, erklärt Florian König. Es sei selbstverständlich nicht im Sinne der Kommune, Turnhallen oder sonstige Liegenschaften zur Flüchtlingsunterbringung zu verwenden: „Diese Lösung sollte tatsächlich Ultima Ratio sein“, sagt der Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen. Achim Weitz sieht das ähnlich: „Erst in letzter Konsequenz müssten Containeranlagen erstellt oder gar eine Belegung von Sporthallen in Erwägung gezogen werden.“ Dies gelte es aus Sicht der Gemeinde Heddesheim unbedingt zu vermeiden. Um im Bedarfsfall gewappnet zu sein, habe man sich bezüglich einer Containerunterbringung bereits Gedanken gemacht und Vorbereitungen getroffen, „in der Hoffnung, dass diese Konzepte jedoch nicht zum Tragen kommen müssen“.
Wir haben keine Vorstellung, wie eine Unterbringung ab 2025 bewerkstelligt werden soll
Aus Hirschberg heißt es auf Anfrage: „Unterbringungen in solchen Objekten können nicht vollständig ausgeschlossen werden.“ In einer Vorlage für den Gemeinderat wird die Verwaltung da schon deutlicher. Mögliche Lösungsansätze seien die Aufstellung von weiteren Containern auf öffentlichen Flächen, Wohnzelte oder die provisorische Nutzung von leerstehenden Gebäuden. Die Belegung kommunaler Gebäude bleibe dabei immer die letzte Möglichkeit. Hierfür sei die Alte Turnhalle in Großsachsen vorgesehen. Dort könnten kurzfristig rund 50 Plätze geschaffen werden.
Ilvesheim denkt auch über eine Belegung des Bürgerhauses Hirsch nach
Dass Behelfsunterkünfte oder Sporthallen in Anspruch genommen werden, befürchtet Bürgermeister Thorsten Walther (Ilvesheim) derzeit nicht. „Allerdings sind die Räumlichkeiten des Bürgerhauses Hirsch für eine Belegung vorbereitet, sollten die Zahlen weiter ansteigen“, macht er deutlich.
Wir gehen davon aus, dass im Laufe des Jahres 2024 alle Möglichkeiten erschöpft sind
Doch die Schwierigkeiten im Jahr 2024 sind offenbar erst der Anfang. Denn die Menschen, die heute in Erstaufnahmeeinrichtungen des Kreises leben, kommen mit zwei, drei Jahren Verzögerung in den Gemeinden an. Von der Erstaufnahme über die vorläufige Unterbringung durch den Rhein-Neckar-Kreis bis zur Anschlussunterbringung vor Ort vergehen aktuell rund zweieinhalb Jahre. „Für die Jahre 2025 und 2026 sind noch weitaus höhere Zuteilungen zu erwarten“, mahnt deshalb Bürgermeister Achim Weitz in Heddesheim. Von einem „realpolitischen Kipppunkt“ spricht Ladenburgs Stadtoberhaupt Stefan Schmutz. Sein Schriesheimer Kollege Christoph Oeldorf gibt unumwunden zu: „Wir haben keine Vorstellung, wie eine Unterbringung ab 2025 bewerkstelligt werden soll.“
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