„MM“-Sommerinterview

Grüne stehen zur Windkraft auf Schriesheimer Gemarkung

Christian Wolf und Bernd Molitor, Co-Fraktionssprecher der Grünen Liste, äußern sich zur Schriesheimer Kommunalpolitik, unter anderem zur Windenergie.

Von 
Konstantin Groß
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Die Grüne Liste steht zur Windkraft in Schriesheim, sofern die artenschutzrechtlichen Gutachten nicht dagegen sprechen. © Frank Molter/dpa

Schriesheim. Die Grüne Liste ist die mit Abstand stärkste Fraktion im Schriesheimer Gemeinderat. Ihr Sprecher ist seit 25 Jahren Christian Wolf, seit einigen Jahren unterstützt von Bernd Molitor.

Herr Wolf, Herr Molitor, können Sie unseren Lesern erklären, warum wir hier zu dritt sitzen?

Christian Wolf : Bernd Molitor und ich leiten die Fraktion gemeinsam, teilen uns also die Arbeit. Deshalb ist es nur sinnvoll, dass wir auch zu einem solchen Interview über die Arbeit der Fraktion der Grünen Liste gemeinsam erscheinen und antworten.

Dann natürlich ein herzliches Willkommen an Sie beide! Die erste Frage betrifft den Bürgerentscheid zur Windenergie, den es ja am 9. November geben wird. Wie stehen Sie dazu?

Bernd Molitor: Die Initiative dazu war und ist das gute Recht der Initiatoren. Es besteht der gesetzliche Rahmen, wonach ein solcher Bürgerentscheid zu Stande kommt, wenn die nötige Zahl an Unterstützungsunterschriften zusammenkommt. Dies ist hier der Fall. Allerdings halten wir den Zeitpunkt nicht für ideal.

Was meinen Sie damit?

Molitor: In der gemeinsamen Dialoggruppe von Schriesheim und Dossenheim wurden viele Themen diskutiert, die noch nicht abschließend geklärt sind. Insofern hätten wir es für sinnvoller erachtet abzuwarten, bis diese Klärung zu einem Ende gekommen ist.

Der Wald ist sicherlich der schlechteste Standort für Windräder. Aber wir hier in Schriesheim haben leider keine alternativen Standorte.
Bernd Molitor

Das ist die Frage des Zeitpunkts. Wie stehen Sie inhaltlich zum Bürgerentscheid, also zur Windenergie auf Schriesheimer Gemarkung?

Molitor: Der Wald ist sicherlich der schlechteste Standort für Windräder. Aber wir hier in Schriesheim haben leider keine alternativen Standorte. Deshalb befürworten wir Windenergie auf Schriesheimer Gemarkung, auch an diesem Standort, sofern die notwendigen Gutachten dem nicht im Wege stehen.

Wie werden Sie beim Bürgerentscheid abstimmen?

Molitor : Die Fragestellung beim Bürgerentscheid lautet ja, ob man gegen Windkraftanlagen im Schriesheimer Wald ist. Ich werde also mit „Nein“ stimmen.

Was geschieht, wenn es unterschiedliche Mehrheiten in Schriesheim und Dossenheim gibt?

Molitor : Das müssen wir dann so hinnehmen. Dann wird Dossenheim die Anlage bauen und davon finanziell profitieren, und wir Schriesheimer müssen zuschauen.

Zweites aktuelles Thema: die Strahlenburg. Wie steht die Grüne Liste zur Initiative, sie zu erwerben und dadurch für die Bürgerschaft zu erhalten?

Molitor: Total positiv! Ich finde das eine ganz tolle Sache, dass sich Menschen zu diesem Zweck zusammengetan haben, und darunter auch solche mit hohem Ansehen.

Wird das klappen, die nötigen 3,5 Millionen Euro durch Spenden zusammenzubringen?

Molitor: Im Moment erscheint das sicher sehr schwierig. Aber wir in Schriesheim haben in der Vergangenheit bereits mehrmals gezeigt, dass wir derartige Aufgaben bewältigt bekommen.

Wird sich die Grüne Liste dafür einsetzen, dass sich auch die Stadt finanziell beteiligt?

Molitor: Angesichts der Haushaltslage sehe ich im Moment keine Möglichkeit für eine finanzielle Beteiligung der Stadt. Sie kann allerdings trotzdem etwas beitragen, indem sie sich beratend einbringt oder zum Beispiel durch intensive Öffentlichkeitsarbeit.

Wolf : Die Stadt muss alles tun, damit die Initiative ein Erfolg wird.

Es wurde bereits kritisiert, dass sich die Grüne Liste in ihrem Veröffentlichungsteil im Mitteilungsblatt diesem Thema gewidmet hat. Die Grüne Liste habe wieder einmal versucht, sich ein Thema „unter den Nagel zu reißen“, heißt es. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Molitor: Es kann sich doch jeder beteiligen. Wir würden uns sogar freuen, wenn sich auch andere einbringen und wir das dann sogar miteinander tun würden.

Das ist nicht unser Verständnis von einer öffentlichen Diskussionskultur.
Christian Wolf

Thema Finanzkrise: Welche Sparpotenziale sehen Sie im Haushalt?

Molitor: Bei den anstehenden Großprojekten. Wir sollten genau überlegen, wo kostengünstigere Alternativen bestehen. Mit unserem Antrag in Sachen Naturkindergarten haben wir das versucht. Einschnitte bei Freiwilligen Leistungen lehnen wir ab: Sie bringen nur vergleichsweise geringe Ersparnis, schwächen aber das soziale und kulturelle Leben vor Ort und damit das gesellschaftliche Miteinander.

Es wurde kritisiert, dass Sie mit Ihrem Vorschlag für einen Naturkindergarten an Stelle des Neubaus für die Kita Wolkenschloss in die Öffentlichkeit gegangen sind.

Wolf: Das unterstellt ja, dass man mit einer guten Idee nicht in die Öffentlichkeit gehen darf. Das ist nicht unser Verständnis von einer öffentlichen Diskussionskultur.

Ihre Initiative für den Naturkindergarten ist ja im Gemeinderat erwartungsgemäß krachend gescheitert: War sie also sinnlos?

Wolf: Zunächst einmal haben fast alle Redner betont, dass es ein interessantes Konzept ist. Warum sie es dennoch abgelehnt haben, müssen sie Ihnen schon selbst erklären.

Auf Empörung geradezu ist gestoßen, dass Sie als Alternative für Ihren Sparvorschlag eine drohende Schließung der Volkshochschule an die Wand gemalt haben.

Wolf: Das haben wir nie getan. Aber klar ist doch auch, dass, wenn die sechs Millionen Euro für den Kindergarten-Neubau nicht eingespart werden, bei den Freiwilligen Leistungen eingespart werden muss, also beim Sozialarbeiter, der Musikschule, der VHS, dem Waldschwimmbad und anderen Freiwilligen Leistungen. Da gibt es doch einen eindeutigen Zusammenhang, und auf den haben wir hingewiesen.

Ein Finanzloch kann man ja nicht nur durch Ausgabenkürzungen stopfen, sondern auch durch Erhöhung der Einnahmen, etwa der Abgaben und Steuern. Konkret gefragt: Würde die Grüne Liste eine Erhöhung der Grundsteuer mittragen?

Wolf : Nein. Wir wollen nicht die Bürger dafür bezahlen lassen, dass unserer Meinung nach falsche und unnötige Investitionen beschlossen wurden.

Ein Instrument zum Generieren von Einnahmen war ja, zumindest früher, ein Neubaugebiet. Wie stehen Sie dazu?

Molitor: Alle Fachleute sagen uns, dass uns dieses Neubaugebiet Geld kosten würde. Um dennoch neuen Wohnraum zu schaffen und vielleicht sogar Neubürger zu gewinnen, halten wir es für sinnvoller, die alten Bebauungspläne aus den 60er und 70er Jahren zu überarbeiten.

Eine solche Innenverdichtung auf dem Gärtner-Gelände ist aber zwei Mal am Widerstand der Grünen Liste gescheitert, indem Sie die Proteste der Anwohner gegen die geplante Park- und Verkehrsregelung unterstützt haben.

Molitor: Das sagen und schreiben Sie immer wieder. Doch dem widerspreche ich ganz entschieden. Wir haben im Gegenteil alles versucht, damit dieses Projekt zu einem Erfolg wird. Dass es nicht geklappt hat, hängt alleine daran, dass der Eigentümer und die Investoren keine Einigung gefunden haben.

Neubaugebiet, Gärtner-Gelände, man könnte noch das Feuerwehrhaus nennen – man hat den Eindruck, in Schriesheim geht es nicht voran, während in den Nachbargemeinden eine große Dynamik herrscht. Was ist die Ursache dafür?

Molitor : Das hängt an der Verwaltungsspitze. Der Bürgermeister ist dafür verantwortlich, sich bei den anstehenden Themen zu positionieren und diese dadurch voranzubringen. Dies geschieht nicht.

Wolf: Wir warten immer noch auf die „guten Ideen“, die Herr Oeldorf im Wahlkampf versprochen hat.

Welche Schulnote würden Sie dem Bürgermeister geben?

Molitor: Eine 4. Ausreichend. Aber gerade noch.

Versetzung gefährdet?

Molitor: Auf jeden Fall - kein gutes Halbjahreszeugnis.

Damit sind wir bei der Bürgermeisterwahl, die ja bereits in vier Jahren stattfinden wird. Ist das bei der Grünen Liste bereits ein Thema?

Wolf: Nein, bisher noch nicht.

Wer wird für die Grüne Liste kandidieren: Hannah Mieger-Höfer oder Sie, Herr Molitor?

Molitor: Wir werden beide kandidieren – nämlich wieder bei der nächsten Kommunalwahl. Spaß beiseite. Über Kandidaturen bei der Bürgermeisterwahl wurde bei uns noch überhaupt nicht gesprochen.

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Können Sie definitiv ausschließen, dass Sie für das Amt des Bürgermeisters kandidieren?

Molitor: Ich halte es für viel zu früh, um über eine Bürgermeisterwahl in vier Jahren zu sprechen. Bis dahin kann noch viel passieren.

Kommen wir zu Ihrer Fraktion. Wie ist das Klima dort? Manche sagen, zwei Personen, nämlich Sie beide, dominieren den Rest. Und das sorge für Unmut.

Wolf: Davon kann keine Rede sein. Das Klima in unserer Fraktion ist sehr gut.

Molitor: Das kann ich nur unterstreichen. Bei der letzten Kommunalwahl haben wir einen guten Generationswechsel hinbekommen. Alle arbeiten vertrauensvoll zusammen, jung und alt, Newcomer und erfahrene Räte.

Apropos: Herr Wolf, Sie werden demnächst 70, sind seit 25 Jahren Fraktionschef und damit der mit Abstand dienstälteste in der ganzen Region. Wie lange wollen Sie das noch machen?

Wolf: (lacht) Das fragen Sie jemanden, der im gleichen Jahr geboren wurde wie Friedrich Merz? Und der hat gerade erst angefangen.

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