Klassik

Kultursommer in Speyer: Bruckner-Symphonien als Orgelkunstwerk

Die Weltpremiere in Speyer präsentiert sämtliche für die Orgel bearbeiteten Symphonien Anton Bruckners, darunter auch die sechste Symphonie, interpretiert vom französischen Organisten Jean-Baptiste Monnot.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Bei den „Kathedralklängen“ war die Domorgel das Instrument für die Eröffnung der Reihe, die den Komponisten Anton Bruckner in den Mittelpunkt stellt. © KLAUS LANDRY

Speyer. Die Weltpremiere beginnt in Speyer: Mit der Aufführung sämtlicher für die Orgel bearbeiteten Symphonien Anton Bruckners bieten die „Kathedralklänge“ im Rahmen des 33. Kultursommers Rheinland-Pfalz in der Tat ein Programm, das aufhorchen lässt. Die Werke des österreichischen Komponisten, dessen Geburtstag sich zum 200. Mal jährt, werden auf den Orgeln der rheinland-pfälzischen Dome in Speyer, Worms, Mainz und Trier erklingen.

Mit der Aufführung der sechsten Symphonie hat die Weltpremiere zugleich einen „Weltstar“, wie ihn Domorganist Markus Eichenlaub bezeichnet, zum wiederholten Mal nach Speyer gelockt: Der französische Organist Jean-Baptiste Monnot hatte das Musikpublikum im vergangenen Jahr mit einem Konzert im Dom und mit einer Orgelimprovisation zum Stummfilmklassiker „Nosferatu“ in der Raumfahrthalle des Technik-Museums begeistert.

Für seine Beschäftigung mit Bruckners Sechster hatte Monnot gerade einmal zwei Monate Zeit. Zum Üben und Einregistrieren an der Orgelanlage im Dom hat er vor dem Konzert drei Nächte zugebracht. Das Ergebnis fiel, wie nicht anders zu erwarten war, überwältigend aus. Die von Eberhard Klotz besorgten Transkriptionen der Bruckner-Symphonien wollen mit den Orchesteroriginalen nicht konkurrieren; sie laden natürlich einerseits zum Vergleichen ein, beanspruchen aber durchaus einen Eigenheitsstatus, der ihnen mit der Übertragung der symphonischen Partitur auf das Soloinstrument zukommt.

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Die Brucknersche Musik ist für den Stuttgarter und Baseler Kirchenmusiker Eberhard Klotz eine Art Muttersprache, wie er im Vorgespräch zu diesem Konzert bekennt. Die mühsame und schwierige Aufgabe, Bruckners Symphonien für die Orgel zu übertragen, sei aus seiner Leidenschaft für diesen Komponisten erwachsen. „Ich musste es einfach tun“, begründet er vor den annähernd vollbesetzten Reihen im Dom. Vor 15 Jahren damit begonnen, hat Klotz Lösungen finden müssen, um die orchestrale Sprache Bruckners in eine Fassung zu bringen, die es einem Organisten ermöglicht, diese Musik mit zwei Händen und zwei Füßen so wiederzugeben, dass ihr Gehalt, ihre Größe und Weite erhalten bleiben.

Technische Raffinesse und spirituelle Tiefe: Monnots Bruckner-Interpretation in Speyer

Die Orgelanlage im Dom ist, wie auch Organist Monnot findet, allerdings bestens dazu geeignet, Bruckners monumentale Klangarchitektur abzubilden. Gleichwohl legt es der französische Organist nicht darauf an, Bruckners Sechste einem ozeanischen Brausen zu überantworten, wiewohl Bruckner auch in diesem Werk mit Wagner-Anspielungen nicht geizt, in zentraler Bedeutung etwa das „Liebestod“-Thema aus „Tristan und Isolde“. Die A-Dur-Symphonie erhebt sich, im Unterschied zu Bruckners späteren Werken, auch nicht aus jenem mystischen Raunen, sondern wirkt mit ihrer direkten Ansprache eher diesseitig und erdverbunden.

Rund 400 Registerstimmungen hat Monnot an der großen Emporenanlage zuvor einprogrammiert, die er auf Knopfdruck abrufen kann. Auch nutzt er die Möglichkeiten der Koppelung mit der kleineren Chororgel, um dialogische Prozesse kenntlich zu machen. Der Interpret nutzt das umfangreiche Klangspektrum beider Instrumente auf eine Weise, die den Orchesterklang nicht nachzubilden versucht, sondern die Orgel mit ihren eigenen Klangeigenschaften und -vorzügen in den Vordergrund rückt.

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Monnot, nicht nur für seine technische Souveränität bekannt, sondern auch für sein feinsinniges und differenziertes Klangempfinden, eignet sich diesen Bruckner dank der funkelnden Flöten-, der feinherben und weichen Streicherklänge und der strahlenden Bläserchöre auf eine Weise an, die eine eigene Lesart dieser komplexen Textur verrät, die Diktion des Komponisten aber zugleich durchschimmern lässt. Bruckners Sechste kann so als eine Art Neuschöpfung erlebt werden, die das Original sowohl deutet als auch bestätigt.

Bruckners spirituelle und sakrale Verortung, die auch in seinen Symphonien zum Tragen kommt, erfährt in Monnots Spiel eine starke Betonung. Besonders das feierliche Adagio erhält dank der schillernd-schwebenden Register eine mystisch-verklärte Aura. Der enigmatische Charakter dieses Satzes dominiert das romantische Empfinden, das die Orchesterpartitur nahelegt. Monnot lässt die Musik sich in gedehnter Ruhe ins Unbestimmte verflüchtigen.

Eine Weltpremiere, die fordert und verzaubert: Bruckners Musik neu erlebt

Die unterschiedlichen Stimmen- und Klangschichten des Scherzo erscheinen in ihrer transparenten Durchhörbarkeit auf vielfältige Weise miteinander verwoben, doch bildet Monnot auch die opake und skulpturale Struktur dieser Musik ab. Im Finalsatz entfacht die Orgelanlage ihr enormes Klangvolumen und lässt das „Liebestod“-Motiv bedächtig hervortreten. Nach einer guten Stunde ist die Herausforderung, für den Organisten wie für die Zuhörenden gleichermaßen, bestanden. Eine solche „Weltpremiere“ verlangt auf beiden Seiten Außergewöhnliches.

Freier Autor

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