Speyer. Seit gestern regiert in Speyer das Mittelalter. Heerscharen gewandeter Menschen strömen in den unteren Domgarten und die Klipfelsau. Vieles ist zu sehen beim Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS). Selbst der Tod kommt auf zwei Beinen. Wer den ersten Teil verpasst hat, kann heute nochmal Anlauf nehmen.
1994 wurde das MPS geboren. 2009 wurde Speyer als Austragungsort dazu genommen und ist es bis heute – trotz Diskussionen um Aufbauten und Baumbestand – geblieben. Die Kreativität des Veranstalters ist daran nicht unschuldig.
Wie groß die Mittelalter-Szene ist, zeigt der Zustrom. Das Motto ist auf einem Transparent vor der MPS-Bühne zu lesen: „Das ist nicht authentisch, sondern phantastisch.“ Keine Kopie der damaligen Zeit soll das MPS sein. Stattdessen soll diese mit viel Fantasie gefeiert werden. Das tun die Besucher.
Eine Reise in eine andere Welt
„Wir reisen dem MPS hinterher“, sagt eine junge Frau, die sich Honora nennt. Auf Latein bedeutet das würdevoll, in Französisch Edelfrau. Beides passt zu der Dame, die sich in schweren Samtstoff gehüllt und zahlreiche Edelsteine im Kostüm und auf der Haut verarbeitet hat. In Bad Säckingen ist sie mit ihrer Clique im April gewesen, Weil am Rhein war die zweite Station, Speyer bildet nun das Finale.
„Mehr Urlaub gibt’s nicht“, betont Honora. Stundenlange Anfahrten und einen Tag Erholung nach den Festivals nimmt sie in Kauf. „Die Leute sind eine große Familie, das Programm und die Atmosphäre sind genial“, schwärmt die 28-Jährige.
Klaus-Peter (45) und Frodo (51) sind seit zwei Jahrzehnten begeisterte Mittelalter-Fans. Stolz präsentieren sie ihr Hab und Gut: Gurt, Dolch, Trinkhorn samt Halterung, Lederbeutel für die Gulden – und viel Fell um die Schultern. „Das ist wie eine andere Welt“, sagt Klaus-Peter. Und genau das, ergänzt sein Kumpel, macht das MPS aus. Raus aus dem Alltag, rein in die Illusion.
Zeitreise und Spektakel beim Mittelalter-Festival erleben
Wer durch die Grünanlagen schlendert, fühlt sich tatsächlich in eine andere Zeit versetzt. Auch wenn der Kommerz nicht verborgen bleibt: Lehrreich ist das MPS allemal. Wo heute elegante Weine den Gaumen kitzeln, tat das früher Met in allen Variationen. Die Gäste greifen zu. Auch beim Druidentrunk oder der Hexenglut aus der Schlangenhalsflasche. Gegen Hunger hilft Leckeres aus der mittelalterlichen Küche - vom Spanferkel am Spieß über selbst gebackenes Brot bis zu Schlemmerpfannen mit allerlei Inhalt.
Bei der Musik schöpft der Veranstalter aus dem Vollen. Subway to Sally und Versengold sind die Top Acts am Samstagabend und die Garanten für ein grandioses Stimmungsbild vor der MPS-Bühne. Im unteren Domgarten sorgen dafür sechs weitere Bands im Verlauf des Abends. Alle Stellen sind gefüllt mit Rittern, Gauklern, Henkern, Mägden und sogar dem Sensemann in Mehrfachausführung.
Heute, 11 Uhr, gehen die Tore auf zum zweiten MPS-Tag. Bis 19 Uhr wird das Mittelalter noch die Stadt beherrschen. Nicht nur musikalisch wird nochmal aufgetrumpft. Auch der Nachwuchs wird im eigenen Bereich bespaßt und die Fechtkampfgruppe Fictum hat die Kampfarena gebucht. Auch wer dem rauchspeienden Drachen „Arogh“ mit seinen mächtigen Flügeln hautnah begegnen möchte, ist auf dem Festivalgelände richtig.
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