Landwirtschaft

Warum der Wein in der Krise steckt - auch in der Pfalz

Überproduktion trifft auf Nachfrage-Delle: Während die Qualität deutscher Weine steigt, geraten kleine Winzerbetriebe an die Grenzen ihrer Existenz. Der Konsum sinkt. Das hat mit China zu tun - und mit Smartwatches

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Stephan Alfter
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Ein Vollernter fährt zu Lesebeginn im August durch einen Weinberg in der Pfalz. © dpa/Boris Rössler

Pfalz. Die Welt trinkt weniger Wein und spätestens seit dem ersten Quartal 2023 spüren das auch die Weinbauern in der Region. Einmal im Jahr, dann wenn die Trauben im Keller sind, treffen sich in der Pfalz Wissenschaftler, Winzer und Weinhoheiten, um eine erste Bilanz zu ziehen. Was wird er bringen - dieser Jahrgang 2024? Und was verändert sich gerade in der Natur? Wie sind die globalen Rahmenbedingungen für den Weinhandel? Und was haben Smartwatches damit zu tun? All diese Fragen stellen sich die Branchenvertreter dann - selbstverständlich bei einem Glas Riesling, das dieses Mal in der ebenso bekannten wie beliebten Mußbacher Weinstube Eselsburg ausgeschenkt wurde. Bewusst an diesem Abend kein Thema: Die Zukunft der pfälzischen Weinkrone, die zuletzt für ausufernden Streit gesorgt hatte.

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Aus der Sicht des Weinwissenschaftlers erinnere die gerade abgeschlossene Weinlese „an klassische Jahrgänge aus den 1990er und 2000er Jahren mit feiner Fruchtaromatik und prägnanter Säure bei niedrigen Alkoholwerten“, analysierte Ulrich Fischer vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum am Donnerstagabend. In der Reihe der jüngsten Extremjahrgänge sei der 24er-Jahrgang damit eine Ausnahme. Der Jahresverlauf selbst sei aber - der Klimawandel lässt grüßen - alles andere als klassisch gewesen. Qualitativ seien die Burgunder aus dem Süden der Pfalz bei geringen Erträgen besonders hervorzuheben. Beim Riesling seien oft hohe Qualitäten in ausreichender Menge geerntet worden. Die Ertragslagen seien bei genauerer Draufsicht sehr unterschiedlich. Der Grauburgunder macht beim Trinkpublikum einigen Boden gut, während beispielsweise deutlich weniger Dornfelder-Rotwein aus der Pfalz getrunken wird. Insgesamt ist von einem starken Jahrgang die Rede, der auch „in der Spitze geliefert habe“, so Fischer. So weit, so gut. Sorgenfalten muss der gesamten Branche eher das machen, was Simone Loose von der Wein-Uni Geisenheim erläuterte.

Gesundheit unter jungen Konsumenten immer öfter Thema

Nicht der Wein selbst, sehr wohl aber der Weinabsatz steckt in der Krise. Eine globale Überproduktion trifft auf eine Nachfrageschwäche, die auch damit zu tun hat, dass in China seit 2017 weniger Wein getrunken wird, wie das auf Alkoholkonsum ausgerichtete Datenportal IWSR nachweist. Lange Zeit habe in Asien der Export unseres westlichen Lebensstils gewirkt, so Loose. Ein Teil dieses Lifestyles sei der Wein - gewesen. Nun gebe es eine neue Generation, die sich einer gesünderen Ernährung und einem gesünderen Leben verschreibe. Das jedoch ist kein spezifisch chinesischer Trend. Smartwatches sind auch hierzulande beliebt. Diese zeigen zum Beispiel an, wie ruhig oder unruhig man geschlafen hat. Die Erkenntnis, unruhig geschlafen zu haben, verknüpfen inzwischen viele Menschen mit Alkoholkonsum am Abend zuvor.

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Die Folge heißt dann oft: Weniger Wein. Gesundheit sei ein großes Thema. „Das geht nicht mehr weg“, sagte Loose, die vor allem den gemeinen Fassweinwinzer und nicht die gehobenen Weingüter als erste Verlierer sieht. Weit mehr als die Hälfte des Weinumsatzes - das wird oft übersehen - werden im Lebensmittel-Einzelhandel erzielt. „Jeder Winzerbetrieb steht gerade vor Herausforderungen“, postuliert die Betriebswirtschaftsprofessorin. Hinzu komme laut ihrem Kollegen Fischer, dass gerade auch einflussreiche Kräfte gegen den Alkohol arbeiteten. Loose hatte zuvor auch gesagt, dass junge Türkinnen und Türken, die in der dritten Generation in Deutschland lebten, weniger Alkohol konsumieren würden und sich wieder an Werten ihrer Großeltern orientierten. Eher augenzwinkernd formulierte sie: „Wenn alle Chinesen jeden Tag ein Glas Wein tränken, wäre das Problem schon gelöst“.

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Reinhold Hörner, Weinbaupräsident der Pfalz, erkennt diesen unruhigen Markt, aber hält die Winzer entlang der Weinstraße gleichzeitig für gut gewappnet. „Die Pfalz behauptet sich weiterhin im Vergleich zu anderen Weinbauregionen. Dennoch verzeichnete die Region in den schwierigen Jahren 2023 und im ersten Halbjahr 2024 Absatzrückgänge“, stellte er fest. Oft würden fehlende Umsätze durch Preissteigerungen aufgefangen. Vorbei sind derweil die Corona-Jahre, in denen sich der pfälzische Wein noch besser verkauft hat und die Energiepreise noch niedriger waren. Die Suche nach Effizienzsteigerungen geht auch in der Pfalz weiter. Einer der positiven Aspekte, der für die Pfalz spricht, ist der Umstand, dass der weltweite Konsum von Weißwein gegenüber dem Rotwein stabiler zu sein scheint. Hier verfügt die Weinstraße über ein breites Angebot - auch von neuen pilzresistenten Rebsorten.

Bedeutung von entalkoholisiertem Wein wird sukzessive größer

Was ebenfalls weiter geht, ist die Suche nach neuen Konsumenten-Gruppen im sogenannten „No & Low“-Bereich. So bezeichnet die Branche entalkoholisierte Weine und Getränke mit niedrigem Alkoholgehalt. Boris Kranz, Erster Vorsitzender von Pfalzwein e. V., sagte: „Hier sind wir stark aufgestellt. Diese führende Rolle gilt es gerade jetzt, Schritt für Schritt weiter auszubauen.“ Hoffnung macht ihm, dass die Pfalz schon vor einigen Jahren Wege eingeschlagen hat, die in anderen Weinbauregionen erst jetzt beschritten werden. Was in Zukunft noch besser gelingen soll, ist das Influencer-Marketing, das auch die jüngere Zielgruppe noch eher anspricht.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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