Landau. „Das war das größte Publikum, das je einer Amtseinführung beigewohnt hat. Punkt“. Es war Sean Spicer, Sprecher im Weißen Haus in Washington, der am Tag nach der Amtseinführung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump die erste Lüge der neuen Regierung verbreitete. Allerspätestens an diesem Januarmorgen wusste jeder, dass die Wahrheit von nun ab unter Druck geraten würde. „Alternative Fakten“ nennt man das seither. Denn eigentlich hatten Bilder, die aus der Luft aufgenommen worden waren, bewiesen, dass bei Barack Obamas Amtseinführung viel mehr Menschen auf der National Mall gewesen waren. Ein Untersuchungsbericht legte später den Verdacht nah, dass Trump sich von da an Bilder wünschte, die diesen Eindruck ausräumten. Wurden also im Nachhinein Bilder nach Gusto des Präsidenten bearbeitet?
Was ist Wahrheit? Unter dieser Überschrift treffen sich am Dienstag und Mittwoch vorwiegend Journalisten und Medienmacher, aber auch Wissenschaftlerinnen und Kirchenleute in Landau bei der Evangelischen Akademie der Pfalz zu den 7. Südwestdeutschen Medientagen. Kooperationspartner sind neben dem Deutschen Journalistenverband Rheinland-Pfalz und der Landeszentrale für politische Bildung unter anderem auch der „Mannheimer Morgen“ und „Die Rheinpfalz“ sowie die Medienanstalt Rheinland-Pfalz.
Bernhard Pörksen hält Vortrag
Mit einer gewissen Spannung wird der Abendvortrag des Tübinger Uni-Professors Bernhard Pörksen auf dem Hambacher Schloss erwartet. Er spricht am Dienstag ab 19.15 Uhr zur Wahrheitsillusion. Der Titel seiner Rede: „Warum Gewissheiten gefährlich werden können - und wir sie trotzdem brauchen“. Mit auf dem Podium sitzt Christoph Picker, der als Kirchenfunktionär und Buchautor Organisator und Moderator der zweitägigen Veranstaltung ist. Unsere Gesellschaft werde angesichts alternativer Fakten, Propaganda, Verschwörungserzählungen und der Abkopplung politischer Diskurse von der Wirklichkeit dazu genötigt, neu und grundsätzlich darüber nachzudenken, was Wahrheit bedeutet, sagt er im Vorfeld. Zudem freut er sich, dass schon im Vorfeld der Medientage sehr viel Zusammenarbeit stattgefunden habe. Das sei bereichernd.
Marco Pecht, Nachrichtenchef beim „MM“, beschäftigt sich in seinem Vortrag mit Wahrheiten und Halbwahrheiten in Presse, Öffentlichkeitsarbeit und politischer Kommunikation. Als Praxisbeispiele, in denen öffentliche Kommunikation unter Druck gekommen ist, dienen am Dienstag die Ahrtal-Flut und ein Tötungsdelikt im westpfälzischen Kusel. Darüber sprechen unter anderem Rheinpfalz-Redakteur Georg Altherr und Gianna Niewel von der Süddeutschen Zeitung.
„MM“-Chefredakteur Karsten Kammholz findet es sinnvoll, dass die Redaktion mit gleich mehreren Vertretern vor Ort ist, denn auch Nachrichtenchefin Madeleine Bierlein leistet einen Diskussionsbeitrag. Kammholz sagt: „Die Südwestdeutschen Medientage dienen der Reflexion über unser journalistisches Handeln. Dass wir uns in diesem Jahr in unterschiedlichen Formaten dem Wahrheitsbegriff nähern wollen, ist anspruchsvoll - genau deswegen ist der ,Mannheimer Morgen’ sehr gern als Medienpartner an Bord.“
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