Florida. Unbeschwert reinfeiern, daraus wird wohl nichts. Am Tag vor seinem 77. Geburtstag am 14. Juni muss Donald Trump mal wieder vor Gericht. Diesmal nicht in New York. Sondern in Miami, nahe seiner Privatresidenz Mar-a-Lago, wo im vergangenen Sommer die Bundespolizei FBI zu einer weltweit beachteten Razzia hereinplatzte und kistenweise Akten mitnahm.
Den früheren US-Präsidenten, momentan Umfragekönig der republikanischen Partei für die Wahl 2024, erwartet eine historische Premiere. Noch nie wurde seinesgleichen nach Bundesrecht strafrechtlich angeklagt. Weil er am Ende seiner Amtszeit im Januar 2021 massenweise geheime Staatsdokumente mitgehen ließ und hartnäckig für sich behielt, droht dem Milliardär im Falle einer Verurteilung eine jahrelange Haftstrafe.
Vorwürfe haben es in sich
Die von Sonderermittler Jack Smith in knapp sieben Monaten prozessreif ausermittelten Vorwürfe haben es in sich: Neben Verstößen gegen das Spionagegesetz, vorsätzlichem Zurückhalten von Staatsdokumenten, die die nationale Sicherheit betreffen, etlichen Falschaussagen und der Verschwörung zur Behinderung der Justiz werden bei der Anklageverlesung am Dienstag weitere Vorwürfe zur Sprache kommen. Vorwürfe wohlgemerkt, die von einer aus normalen Bürgern zusammengesetzten Geschworenenjury bereits für zutreffend gehalten wurden.
Nachdem seine Anwälte offiziell informiert worden waren, reagierte Trump gewohnt aggressiv. Er nannte die amtierende Regierung von Joe Biden „korrupt“ und konstatierte: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas einem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten passieren könnte.“
Insider berichten, dass Trump frustriert ist, weil ihm Berater bis zuletzt vermittelt hätten, dass es keine Anklage geben werde. Sein Zorn gilt auch seinem früheren Stabschef Mark Meadows, der mit der Staatsanwaltschaft einen „Deal“ gemacht haben soll, um sich Straffreiheit im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol 2021 zu sichern.
Obwohl Details der sieben Anklagepunkte, über die US-Leitmedien vorab berichteten, öffentlich noch nicht bekannt sind, sprang das republikanische Establishment dem Wahlverlierer von 2020 fast geschlossen zur Seite. Stellvertretend erklärte der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, Steve Scalise: „Seien wir uns darüber im Klaren, was da vor sich geht: Joe Biden setzt das Justizministerium gegen seinen eigenen politischen Rivalen als Waffe ein.“
Allein Asa Hutchinson forderte Konsequenzen. Der ehemalige Gouverneur von Arkansas, der ebenfalls zu den republikanischen Bewerbern für 2024 zählt, erklärte: „Donald Trump steht die Unschuldsvermutung zu. Aber die laufenden strafrechtlichen Verfahren stellen eine massive Ablenkung dar. Das verstärkt die Notwendigkeit, dass Donald Trump seine Bewerbungskampagne beendet.“
„Politisch ausbluten“?
Intern geht man davon aus, dass Trump „politisch ausbluten“ könnte, wenn in den nächsten Wochen auch aus dem Bundesstaat Georgia eine Anklage kommen sollte. Dort hatte Trump massiven Druck auf Wahlbeamte ausgeübt, das Ergebnis der Wahl 2020 nachträglich zu seinen Gunsten frisieren zu lassen. Die Staatsanwältin Fani Willis in Atlanta will voraussichtlich im Juli oder August Anklage erheben.
Der Fall von Jack Smith, das sagen selbst Republikaner, ist der bisher schwergewichtigste unter den vielen juristischen Baustellen Trumps. Bisher ist nicht klar, welche geheimen Unterlagen, die militärische und geheimdienstliche Informationen enthalten sollen, Trump mit nach Mar-a-Lago genommen hat. Und warum er sie, trotz gerichtlicher Strafandrohung, nicht früh und vollständig dem Nationalarchiv übergeben hat. Und weshalb er offenbar seine Anwälte belogen hat, als diese in der ersten Jahreshälfte 2022 gegenüber der Justiz erklärten, alle Dokumente seien ausgehändigt worden.
Republikanische Wahlstrategen wittern Gefahr. Sollte sich herausstellen, dass Trump Amerikas Sicherheitsinteressen etwa im Nahen Osten zu Geld machen wollte, in dem er geheime Infos über Atomwaffen und potenzielle Angriffsszenarien gegen Teheran an Dritte weitergab oder dies gegen Vorteilsgewährung in Aussicht stellte, „könnte sich die öffentliche Meinung auch in konservativen Kreisen drehen und den Ruf nach einer Alternative lauter werden lassen“.
Jack Smith geht mit der Anklage in Florida ein Risiko ein. Im demokratisch dominierten Washington wäre eine Geschworenenjury mutmaßlich Trump-kritischer gewesen. In Florida hat der Ex-Präsident mehr Anhänger. Entscheidend wird auch sein, welche(r) Richter(in) den Fall zugewiesen bekommt. Es gibt in Florida etliche von Trump ernannte Bundesrichter. Wer den Zuschlag erhält, entscheidet ein Computerprogramm mit Zufallsgenerator.
Bei alledem ist gar nicht klar, wann ein Prozess stattfinden könnte. Im Frühjahr 2024 muss sich Trump bereits in New York (wegen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar) verantworten. Jedes Datum danach käme dem Wahltermin im November gefährlich nahe. Nicht auszuschließen, dass der Fall Miami erst nach der Präsidentschaftswahl eröffnet wird. Wäre Trump dann wieder Commander-in-Chief, könnte er den Prozess abblasen.
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