Bildung:

Brauchen wir noch klassische Medien? Branche diskutiert in Landau

Über sich selbst und ihr tägliches Tun diskutieren Journalisten, Wissenschaftler und Verlagsleute bis Donnerstag in Landau und Neustadt. Funktioniert das Geschäftsmodell und was machen soziale Medien mit der Demokratie?

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Stephan Alfter
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Brauchen wir die klassischen Medien noch: (v.l.) Karsten Kammholz, Andrea Römmele, Holger Martens und Amelie Marie Weber diskutieren. © S. Alfter

Landau. Werden klassische Medien wie Tageszeitungen in der Zukunft noch gebracht? Diese provokative Frage stand am Mittwoch im Mittelpunkt der Südwestdeutschen Medientage in den Räumen der Evangelischen Akademie der Pfalz. Aufgeworfen hat sie nicht zuletzt der CDU-Parteichef Friedrich Merz, als er bei der Talkrunde eines Karnevalsvereins im Jahr 2020 sagte: „Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne. Sie können heute über Ihre eigenen Social-Media-Kanäle, über YouTube, Sie können ein Publikum erreichen, das teilweise die Öffentlich-Rechtlichen, auch die privaten institutionalisierten Medien, nicht mehr erreichen.“

Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne.
CDU-Politiker Friedrich Merz über klassische Medien

Hatte Friedrich Merz recht? Mit dieser Frage beschäftigte sich unter anderem Christoph Neuberger, Direktor des Weizenbaum-Instituts der Freien Universität Berlin, in einem Vortrag. Er konstatierte, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Öffentlichkeit inzwischen vielfältig sind - und zwar über die großen Plattformen der sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok. Neuberger nennt diesen Prozess - wie schon andere vor ihm - die Plattformisierung der Gesellschaft.

Welche Auswirkungen das Auftauchen dieser Phänomene auf die klassischen Medien hat, konnte jeder erleben, der Donald Trump bei Twitter folgte, bis die Plattform ihn sperrte. Millionen Menschen lasen damals „alternative Fakten“, wie eine Sprecherin des Weißen Hauses das mal nannte. Im Klartext wiesen Beobachter dem früheren amerikanischen Präsidenten die tausendfache Verbreitung von Falschinformationen nach. Kann der klassische Tageszeitungsjournalist seine Funktion als Gatekeeper, also quasi als qualitätssichernde Instanz, in dieser Gemengelage noch erfüllen? Die ursprüngliche Aufgabe hieß schließlich mal, Informationen zu sammeln, sie zu prüfen, sie auszuwerten und sie schließlich in einer möglichst einfachen Sprache für die Konsumenten aufzubereiten.

Christoph Neuberger, Direktor des Weizenbaum-Instituts der Freien Universität Berlin. © Stephan Alfter

Durch seine große Gefolgschaft bei Twitter konnte Trump diese Instanz überspringen und seine Botschaften direkt an sein Publikum adressieren. Vielfach wurden sie unkritisch und dankbar aufgesogen. Auf diese Möglichkeit hob auch Friedrich Merz in seinem „karnevalistischen“ Statement ab. Das auch von Neuberger zitierte postfaktische Zeitalter hatte spätestens im Jahr 2016 begonnen. Eine Gefahr für die Demokratie?

Das Leiden der klassischen Medien, dem nicht nur Tageszeitungen, sondern auch das lineare Fernsehen und die Radiosender unterliegen, hat aber lange vor Donald Trump angefangen. Im Gegensatz zum Jahr 2000 werden in Deutschland heute täglich nur noch 15 Millionen Tageszeitungen verkauft - eine Halbierung. „Wo stehen wir derzeit?“, fragte Neuberger. 39 Prozent der 18- bis 24-Jährigen holten sich ihre Informationen über soziale Medien. Noch immer gebe es aber eine große Zurückhaltung, im Internet für Informationen Geld zu bezahlen.

Es braucht in diesen Zeiten eine wirksame vierte Gewalt.
Andrea Römmele Professorin an der Hertie School Berlin

Die Welt zu einem besseren Platz machen - das wollte Google-CEO Larry Page genauso wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Vielfalt, Freiheit und Gleichheit wurden gesprochen. Gleichzeitig häuften sich in den vergangenen Jahren kritische Stimmen. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit würden durch die genannten Plattformen nicht gestärkt, sondern untergraben. Es handle sich nämlich um vorwiegend ökonomische Interessen der Betreiber und das Sammeln vieler Daten. Die durch das Internet entstandene Vielfalt werde von den Konsumenten gar nicht ausgenutzt, stellte Neuberger fest und sprach stattdessen von einer starken Konzentration von Aufmerksamkeit auf die großen Portale.

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Andrea Römmele, Porfessorin an der Hertie School Berlin, sprach angesichts eines klar sichtbaren Rückgangs bei Informations- und Pressefreiheit von deutlich schlechteren Bedingungen von Journalisten als Beobachter von Regierenden. Zeitungsjournalismus leide unter einem Spardiktat, sagte sie. Höhere Papierpreise und steigende Zustellkosten seien Brandbeschleuniger. Das könne im schlimmsten Fall zu „Nachrichtenwüsten und zu einer Oligarchisierung“ führen, so Römmele. Öffentlich-rechtliche Medien seien in einer Demokratie ein stabilisierender Faktor.

Karsten Kammholz, Chefredakteur des „Mannheimer Morgen“, sowie Holger Martens, Geschäftsführer bei „Die Rheinpfalz“, erläuterten in Impulsvorträgen die aktuellen Herausforderungen von Tageszeitungen in der Metropolregion.

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Von
Christoph Schwennicke
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