Justiz

St. Leon-Rot: Was man bisher über die Bluttat und den Verdächtigen weiß

Fast sechs Monate nach Tod einer 18-Jährigen in St. Leon Rot erhebt die Staatsanwaltschaft Heidelberg Anklage gegen den 18-jährigen Sohn eines Polizisten. Er soll sie mit einem Messer ermordet haben

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Stephan Alfter
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Schmetterlinge aus Papier liegen bei der Trauerfeier auf der Treppe vor dem Altar der St. Mauritius-Kirche in St. Leon-Rot. © dpa

Der furchtbare Femizid an einer 18-jährigen Schülerin an einem Donnerstag Ende Januar ist zurück in den Schlagzeilen. Nach rund vier Monaten umfangreicher Ermittlungsarbeit hat die Heidelberger Staatsanwaltschaft bereits Mitte Mai Anklage gegen einen 18 Jahre alten Mitschüler erhoben, dies aber aufgrund einer Panne jetzt erst öffentlich gemacht. Nach allem, was man bisher sicher weiß, war der Tatverdächtige zeitweise mit dem Mädchen liiert. Ihm wird vorgeworfen, sie am Morgen des 25. Januar „mit einem Messer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen angegriffen und getötet zu haben“, schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung. Der Vorwurf heißt also Mord.

Konkreter benannt werden die niedrigen Beweggründe nicht. Sie werden Thema im noch nicht terminierten Gerichtsverfahren sein. Die Polizei hatte im Anschluss an das Geschehen vom 25. Januar den Begriff Beziehungstat benutzt. Medien verwendeten hingegen vielfach das Wort Femizid, weil davon auszugehen ist, dass das Mädchen eben deshalb sterben musste, weil sie ein Mädchen ist - und offensichtlich nicht nach dem Willen des nun Taverdächtigen gehandelt hat. „Bild“ hatte sogar von einem Telefonat zwischen dem 18-Jährigen und der Mutter des Opfers berichtet. Unmittelbar nach dem Tod des Mädchens soll er demnach zur ihr gesagt haben: „Mich verlässt niemand.“

Mädchen ist in einem Aufenthaltsraum des Löwenrot-Gymnasiums verstorben

Gestorben ist das Mädchen den Ermittlungen zufolge in einem Aufenthaltsraum des von beiden besuchten Löwenrot-Gymnasiums. Der Tatverdächtige habe die 18-Jährige dort aufgesucht und mit einem Messer auf sie eingestochen. Der Angriff erfolgte nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden für das Opfer völlig unerwartet. Wehren konnte sich das Mädchen nicht. Die Frage, ob man den Tatverdächtigen nach dem 26. November 2023 als Ermittlungsbehörden noch intensiver hätte im Auge haben und sanktionieren müssen, wurde zumindest unmittelbar nach den brutalen Vorgängen fast exakt zwei Monate später in den sozialen Netzwerken diskutiert.

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Krankenhausreif habe der Ex-Freund sie damals geschlagen, war auf dem Internetmedium TikTok von offensichtlichen Bekannten der Beiden zu lesen. Beide Vornamen wurden dort von den Mitschülern genannt. Bestätigt hat die Staatsanwaltschaft die Geschehnisse vom November nun schriftlich: „Insoweit besteht der dringende Tatverdacht, dass der Angeschuldigte die junge Frau zu Hause in ihrem Zimmer mit der Faust ins Gesicht sowie auf die Brust geschlagen hat. Durch die Schläge erlitt das Tatopfer erhebliche Verletzungen, insbesondere im Gesicht“, heißt es in der Mitteilung. Eine Strafe hat es für den 18-Jährigen dafür nicht gegeben.

Ein Annäherungsverbot hätte das Opfer selbst erwirken müssen, sagte die Polizei damals auf Anfrage dieser Redaktion. So blieb es bei einer Gefährderansprache, einer Warnung an den 18-jährigen Deutschen, der unseren Recherchen zufolge Sohn eines Polizisten ist, der in Hockenheim lebt. Viel wurde spekuliert, ob und welche Rolle die Trennung seiner Eltern für den jungen Mann psychisch gespielt haben könnte. Der Satz: „Mich verlässt niemand“, den er zur Mutter des Opfers am Telefon gesagt haben soll, nährte die Vermutung, dass er unter der Trennung litt. Kein Vergleich jedoch zum Leid, das die Familie und die Freunde des Opfers erleben. Ein 18-jähriges Mädchen, das auf diese Weise auf dem Leben gerissen wird, erzeugt Aufsehen und Anteilnahme. Die Gefühle der Mama des Mädchens möchte wohl niemand in seinem Leben jemals nachvollziehen müssen.

Über vermeintlichen Migrationshintergrund des Tatverdächtigen wurde in den sozialen Netzwerken gemutmaßt

Typisch aber auch für die sozialen Netzwerke, dass über einen vermeintlichen Migrationshintergrund des Tatverdächtigen gemutmaßt wurde, statt zunächst einfach mal nur still zu trauern. Bundesweit berichten Medien über den Femizid, was auch damit zu tun hat, dass der mutmaßliche Täter sich auf seiner Flucht in einem dunklen Fiesta bis ins niedersächsische Seesen mehrerer weiterer Taten schuldig gemacht haben soll. Neben dem Tatvorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens werden ihm zwei Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt.

Das Löwenrot-Gymnasium, das intensive Trauerarbeit möglich gemacht hat, wollte sich seit der Gedenkfeier für das Mädchen nicht mehr öffentlich äußern. 650 Schüler hatten das Gebäude verlassen, als die Tat geschah. Eine psychische Betreuung gab es schon am Tag selbst. Ein Kommunikationsexperte wies seither alle Medienanfragen zurück. Nun rücken die Ereignisse wieder in den Vordergrund. Die Jugendkammer als Schwurgericht des Landgerichts Heidelberg beraumt die Verhandlungstermine an.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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