Mannheim. Liegt eine Lösung der Mobilitätswende in der Metropolregion Rhein-Neckar auf der Plus-Eins-Ebene? So spricht man in Expertenkreisen über jenen Bereich, der über der Straße und der Schiene - ergo in der Luft - liegt? Werden Menschen also in zehn Jahren wie selbstverständlich in Seilbahnen einsteigen, um beispielsweise in Heidelberg auf eben jener Plus-Eins-Ebene vom Neuenheimer Feld zu einem Verkehrsknotenpunkt am Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen zu „fliegen“?
Von wo sie dann - gewissermaßen auf Ebene Null - mit Fahrrad, Auto, Straßenbahn oder Zug zurück nach Hause fahren? Und ist eine elektrische Seilbahn womöglich das beste Instrument, um zukünftige Brückensperrungen zwischen Ludwigshafen und Mannheim nicht zum Problem werden zu lassen?
Idee der Seilbahn bei der BASF
Sagen wir es so: Es gibt eine große Begeisterung unter Politikern und Wissenschaftlern für diese Idee, wie sich am Donnerstag in der Baumhainhalle des Luisenparks beim VRN-Seilbahntag mit 150 Zuhörern aus Wirtschaft und Verwaltung zeigte. Viel weniger klar ist indessen, welcher kommunale Verkehrsträger sich traut, in ein Feld und damit in einen Markt zu springen, der in Deutschland bis dato ein Aschenputtel-Dasein fristet.
Folgt man Christian Specht in seiner Funktion als Vorsitzender des Zweckverbandes Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN), kann das Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen im regionalen ÖPNV nicht nur mit den klassischen Verkehrsmitteln erreicht werden. Er beschwor am Donnerstag insofern sich selbst und andere, eine Offenheit für neue Denkweisen und neue Modelle an den Tag zu legen. Specht sponn vor Jahren den Gedanken, BASF-Produkte per Güterseilbahn zum trimodalen Container-Terminal auf Mannheimer Seite zu befördern. Diese Idee ist aber aus unterschiedlichen Gründen beiseite gelegt worden. Die BASF hatte andere Pläne.
Seilbahnen bieten Vorteile
Im globalen Maßstab - etwa in der bolivianischen Hauptstadt La Paz oder in Mexiko City - sind urbane Seilbahnkonzepte schon seit längerer Zeit gefragt. Auf den passenden Strecken bieten Seilbahnen Vorteile gegenüber konventionellen Nahverkehrsmitteln. Sie verbrauchen kaum Flächen auf dem Boden, denn außer an den Stationen muss kaum etwas versiegelt werden. Der Energieeinsatz ist überschaubar, die Kosten sind daher vergleichsweise niedrig. Eine Fahrt ist quasi barrierefrei, und der Aufbau der Stützen dauert weniger lange als der Bau einer asphaltierten Straße. Es gibt keine Staus und daher eine Verlässlichkeit hinsichtlich der Fahrzeiten.Baden-Württemberg fördert Seilbahnen
Was also hindert Kommunen daran, Seilbahnen wie auf der Bundesgartenschau in Mannheim nicht nur als touristisches Highlight zu präsentieren, sondern sie auch tariflich in ihren Nahverkehr zu integrieren? Elke Zimmer, in Mannheim lebende Staatssekretärin im baden-württembergischen Verkehrsministerium, appellierte am Donnerstag an die Akteure, mutig zu sein. „Wir brauchen endlich jemanden, der springt“, sagte sie und verwies auf die Fördermöglichkeiten durch das Land Baden-Württemberg mit 50 Prozent Unterstützung und mehr. Seit 2015 gebe es ein Seilbahngesetz, das nun nochmals überarbeitet werden müsse.
Die Frage nach den Gesetzen ist in diesem Zusammenhang nicht ganz unproblematisch, denn dass Seilbahnen in einer Stadt konkret über Wohngebieten schweben, scheint angesichts einer anderen Rechtslage hinsichtlich der Überflugsrechte ausgeschlossen. Jürgen Follmann, Wissenschaftler der Hochschule Darmstadt und so etwas wie ein Vordenker und Antreiber der Seilbahn-Bewegung in Deutschland, ordnete am Donnerstag ein, was das Verkehrmittel kann und wo es sinnvoll eingesetzt wäre. „Klimafreundlich und platzsparend“ seien urbane Seilbahnen. Sie könnten Hindernisse wie Flüsse und andere Trassen überwinden und dienten so dem Lückenschluss, ohne dass lange Planungsphasen für Brücken oder gar U-Bahnen nötig seien.
Für die bevorstehenden Baumaßnahmen zwischen Mannheim und Ludwigshafen, etwa an der in die Jahre gekommenen Konrad-Adenauer-Brücke, stellten Seilbahnen eine ideale Zwischenlösung dar.
Vier Seilbahnen sind im VRN Gebiet denkbar
Mehr als einmal zur Sprache kam dafür der Hang der Deutschen zur Regulatorik, weswegen man auf Vertreter aus Holland unter den Zuhörern deutete, die 2025 in Amsterdam eine Seilbahn in Betrieb nehmen wollen und den vermeintlich besseren Weg genommen hätten: Nämlich erstmal viel umzusetzen, und die Regulatorik später anzugehen.
Im VRN-Gebiet wurden in den vergangenen Jahren vier Korridore aus 20 denkbaren Trassenführungen ausgewählt und näher betrachtet. Neben den genannten und am ehesten realisierbaren Verbindungen in Heidelberg und zwischen Ludwigshafen und Mannheim wurde auch eine ÖPNV-Verbindung zwischen Mannheim-Neckarau und Altrip einer Detailbetrachtung unterzogen. Mit dem Ergebnis, dass eine Förderfähigkeit wohl nicht ausgeschlossen wäre und eine Kleinbuslinie, die bisher über die Fähre funktioniert, ersetzt werden könnte. In Wiesloch-Walldorf machte man sich Gedanken über eine Einseilumlaufbahn zur Erschließung des Gewerbegebiets. Christian Specht kündigte an, den Seilbahn-Aspekt im VRN-Gebiet bei künftigen Vorhaben noch intensiver mitzudenken.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Wir müssen Seilbahnen als zusätzliche Chance Im regionalen Nahverkehr sehen