Heidelberg. In dem Berufungsverfahren vor dem Heidelberger Landgericht erweist sich die Beweisaufnahme rund um die sogenannte Normannia-Affäre als mühsames Zusammensetzen von Puzzlesteinen. In zweiter Instanz sitzen noch zwei Burschenschafter auf der Anklagebank – ihnen werden gefährliche Körperverletzung und tätliche Beleidigung vorgeworfen.
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Am Donnerstag befragt die Kammer als ersten Zeugen jenen inzwischen in Erlangen lebenden 29-Jährigen, der nach dem Stiftungsfest in dem Heidelberger Verbindungshaus Anzeige erstattet hatte – mit dem Vorwurf, er sei als „Judensau“ beschimpft, von einer Gruppe mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen worden. Weil der Abend vier Jahre zurückliegt, betont der Mann aus der IT-Branche mehrfach, sich an manche Details nicht mehr konkret zu erinnern, und verweist auf Aussageprotokolle aus der Zeit, als er die Ereignisse noch frisch im Kopf hatte. Die Befragung kreist neben Abläufen, was sich wann wie abgespielt hat, auch darum, was es mit dem „Gürteln“ auf sich hat.
Schließlich haben die Angeklagten im ersten Verfahren das Herausziehen ihrer Gürtel aus dem Hosenbund, um sich damit auf den Hintern zu hauen, als spätpubertäres Jungmänner-Gerangel geschildert. Der Zeuge, der damals in einer anderen Verbindung aktiv war, erzählt, an einem solchen „Gürteln“ in Spaßatmosphäre schon zuvor in der Normannia-Villa teilgenommen zu haben. „Aber nur einmal, dann wollte ich so etwas nicht mehr!“ An dem Festabend Ende August 2020 sei die Situation aber völlig anders gewesen: Sechs Burschenschafter, schildert er, hätten unvermutet mit ihren Gürteln auf ihn eingeschlagen. Gefragt nach seinen Verletzungen nennt er Blutergüsse in der Lendengegend, außerdem Schmerzen im Intimbereich.
Mit der metallenen Schnalle des Gürtels zugeschlagen
Zur Sprache kommt, dass die Normannia später versuchte, „Gürteln“ als burschenschaftliches Traditionsritual hinzustellen und entsprechende Wikipedia-Artikel veröffentlicht hat – diese aber nach Unterlassungsverfügungen wieder löschte. Die Kammer möchte von dem Zeugen wissen, woher Burschenschaft-Mitglieder von seinem Familienhintergrund wussten. „Ich habe offen darüber gesprochen, dass ich nicht jüdisch bin, aber meine Oma.“
Aus Dresden ist jener Arzt angereist, der im ersten Prozess noch auf der Anklagebank saß und freigesprochen wurde. Er hat damals – nach eigener Aussage angetrunken – die Attacke mit den Gürteln und das Münzenwerfen beobachtet. Der Angeklagte aus Köln, so der 30-Jährige, habe mit der metallenen Gürtelschnalle zugeschlagen. „Es waren viele Emotionen im Spiel, und alles ging sehr schnell.“ Ja, am nächsten Tag sei der aus dem Ruder gelaufene Abend „noch großes Thema gewesen“. Ein Burschenschafter aus Saarbrücken habe geprahlt, es dem „Jud“ gigantisch gegeben zu haben.
Ein anderer Festgast hat zwar in jener Nacht keine eigenen Beobachtungen gemacht, aber am nächsten Morgen in der Villa Gespräche zur Rekonstruktion der Geschehnisse geführt und diese notiert. Auch er belastet insbesondere den aus Köln stammenden Angeklagten. Der Zeuge räumt freilich ein, dass er sein Protokoll wohl weniger hart formuliert hätte, wenn er sich nicht in jener Nacht mit dem Normannia-Mitglied gestritten hätte: „Der machte sich respektlos über mich lustig.“
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