Justiz

Missbrauchsfall von Edenkoben: Prozess beginnt mit skurrilen Details

Er werde das Jahr nicht überleben. Er habe Krebs. Unter anderem das hat der Angeklagte im Gerichtssaal erzählt. Die Entführung und den sexuellen Missbrauch einer Zehnjährigen räumt er ein. Unklar bleibt die Causa Fußfessel

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Stephan Alfter
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Der Angeklagte Arthur K. betritt den Gerichtssaal und verbirgt sein Gesicht hinter einem Aktendeckel, als er mit seiner Verteidigerin Gabriele Haas spricht. © U. Anspach/dpa

Landau. Ob er sich für das schämt, was ihm da vorgeworfen wird? Schließlich finden sich Angeklagte wie er sogar unter Schwerverbrechern im Knast am unteren Ende der Hackordnung wieder. Scham - diesen Ausdruck würden wohl alle Anwesenden im bis auf den letzten Platz gefüllten Raum 309 des Landauer Landgerichts gerne sehen. Ein entsprechender Nachweis ist im Gesicht des Angeklagten, der in Wittlich in U-Haft sitzt, aber nicht zu führen.

Als der 62-jährige Arthur K. am Freitagmorgen im Anorak mit Kapuze den Saal betritt, verdeckt er seinen kahlen Schädel und sein eher rundes Gesicht mit dem grauen Oberlippenbart hinter einem Din A4 großen Aktendeckel. Das alles passiert in einer solchen Stille, dass selbst die Auslöser der klickenden Fotokameras wie ein erstes Donnerwetter klingen.

Der Mann, der von dem Rummel um seine Person recht unbeeindruckt, fast geschäftsmäßig wirkt, wird etwa 60 Minuten später einiges dazu erzählen, wie sein Leben bisher abgelaufen ist. Ein Leben, das ihn mehrfach und insgesamt 20 Jahre hinter Gitter führte. Ein Leben, das ihn in den 90er Jahren schon einmal zum Sexualstraftäter machte. Ein Leben, dessen Inhalt oft Schrott war. „Ich war Schrottler“, sagt Arthur K. der Vorsitzenden Richterin Claudia Kurtze wörtlich, als sie fragt, wie er seinen Lebensunterhalt verdiente.

Zehnjähriges Mädchen in Edenkoben entführt

Was man ihm vorwirft, ist an dieser Stelle bereits mehrfach geschildert worden: Er soll am 11. September ein zehnjähriges Mädchen in Edenkoben auf dem Schulweg in seinen Wagen gedrückt und es später in einem leerstehenden Gebäude einer früheren Papierfabrik in Lindenberg sexuell missbraucht haben.

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Was sich dort genau abgespielt hat, bleibt hinter verschlossenen Türen. Die erste Entscheidung, die das Gericht am Freitag trifft, besteht im Ausschluss der Öffentlichkeit für die Dauer der intimen Schilderungen. Einem entsprechendem Antrag der Staatsanwaltschaft, dem sich Nebenklage und Verteidigung anschließen, gibt die Vorsitzende Richterin am Freitag statt. Es gehe um „schutzwürdige Interessen“ - nämlich die des zehnjährigen Mädchens. Zweimal verlassen daraufhin alle Zuschauer und Beobachter den Raum für einige Minuten.

Der Angeklagte Arthur K. hat zwölf Geschwister

Was nach der Verlesung der Anklage folgt, ist ein anstrengender Ritt durch die wenigen Höhen und die vielen Tiefen einer einigermaßen gescheiterten Existenz. Arthur K. wurde als eines von 13 Geschwistern geboren. Seine eigenen Schilderungen lassen auf eine recht frühe Verrohung schließen. Seine Rhetorik lässt wenig Raum für differenzierende Sichtweisen. Eigentlich - und das wird der Haupteindruck dieses Tages bleiben - sah er sich schon immer als Opfer und die anderen waren aus seiner Sicht die Täter.

Die einzige Ausnahme, die der Angeklagte in dieser Hinsicht macht, ist exakt der Vorgang, um den es hier geht. Durch seine Verteidigerin Gabriele Haas aus Ludwigshafen lässt der etwa 1,75 große Mann, der eine Zeit lang geboxt haben will, die Tat einräumen. „Er bedauert das und wird nichts bestreiten“, sagt Haas. Die Staatsanwaltschaft strebt für den Mann die Sicherungsverwahrung im Anschluss an eine Haftstrafe an.

Schon in einer Vernehmung hatte K. zugegeben, sich „des Mädchens bemächtigt“ zu haben. Das ist auch schon alles, was man konkret zu den Ereignissen des 11. September erfährt. Am 14. Juli, also gerade acht Wochen zuvor, war er aus einer dreijährigen Haft entlassen worden.

Der Rest, den Arthur K. am Freitag von sich gibt, erinnert mitunter an eine Märchenstunde. Richterin Kurtze hält ihm beispielsweise vor, dass er sich an einer Raststätte einem Mädchen genähert und sogar gefilmt haben soll. Arthur K. erwidert, dass das Handy, das er gemäß der polizeilichen Auflagen eigentlich gar nicht hätte besitzen dürfen, von alleine angefangen habe zu filmen, während es aus seiner Jackentasche gehangen habe. Es wird nicht die einzige skurrile Geschichte bleiben, die K. den Anwesenden erzählt.

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Was hat es mit der Fußfessel auf sich?

Als er sich am Samstag, 9. September, bei einem Jugendwettkampf an der Edenkobener Sporthalle herumgetrieben haben soll, habe er nur Gurken und Tomaten aus einem dort befindlichen Hochbeet mitnehmen wollen. Dass er Anfang September das Geschehen um die Schule herum mehrfach beobachtet haben soll, erklärt er damit, dass er seinen Katheter, auf den er angewiesen sei, habe entleeren müssen. „Ich habe nichts Unrechtes getan“ - dieser Satz fällt immer wieder. Auch als die Richterin die Umstände einer angeblichen Führerscheinprüfung in Polen hinterfragt, gibt K. eine abenteuerliche Story von sich, nach der er sechs Monate dort gelebt habe. Allein: Als er nach dem Ortsnamen gefragt wird, hat er keine Antwort.

Keine befriedigende Antwort erbrachten die Nachfragen zur Fußfessel, die Arthur K. angeblich habe tragen müssen. Er sagt jedoch, dass er einen tatsächlichen Bescheid, der ihn zum Tragen verpflichtet habe, erst am 19. September bekommen habe. Da saß er aber schon wieder in Haft. Sagt er an dieser Stelle die Wahrheit?

Dass alles so weit gekommen sei, schiebt er übrigens auf die Hetzjagd, die es auf ihn im Internet gegeben habe, nachdem in Neustadt bekannt geworden sei, dass er auf freiem Fuß sei. An Staatsanwaltschaft und Nebenklage gerichtet formuliert er, dass sie sich keine Gedanken mehr machen müssten, er werde eh in diesem Jahr sterben. „Ich habe einen bösartigen Blasenkrebs.“

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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