Edenkoben. Für ein zehnjähriges Mädchen aus der Pfalz muss es ein Martyrium gewesen sein: Die Schülerin kommt an einem Morgen nicht am Gymnasium in Edenkoben an, sie wird auf dem Schulweg entführt und sexuell misshandelt.
Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen und beschäftigte die Politik in Rheinland-Pfalz. Hätte der 62-jährige Mann, der ab Freitag vor dem Landgericht in Landau steht, nicht längst wieder hinter Gittern sitzen müssen?
Um welche Vorwürfe geht es?
Ein zehnjähriges Mädchen kommt am Montagmorgen nicht am Edenkobener Gymnasium an. Ihr Vater meldet sie bei der Polizei als vermisst, nachdem er von der Schule informiert worden ist, dass seine Tochter fehlt. Eine Zeugin meldet zur selben Zeit ein verdächtiges Fahrzeug in Schulnähe.
Rund zwei Stunden später nehmen Beamte nach einer Verfolgungsfahrt den nun vor Gericht stehenden Mann auf der B9 bei Kandel fest. Es stellt sich heraus, dass er der Polizei lange einschlägig bekannt ist. Es wird bekannt, dass er das Mädchen, das noch im Auto sitzt, am Morgen nach der Entführung in einem leer stehenden Gebäude im Landkreis Bad Dürkheim sexuell missbraucht haben soll.
Was schildern die Ermittler?
Im Landauer Landgericht wird am Freitagmorgen die Anklage verlesen. Darin steht vor allem das, was Ermittler in den vergangenen Monaten schon öffentlich preisgegeben haben. Nämlich, dass der mutmaßliche Täter sich am Morgen gegen 7.40 Uhr mit einem grünen Audi A4 mit Neustadter Kennzeichen in der Nähe der Schule des Mädchens aufgehalten hat - und zwar an einem Feldweg, den die Schulkinder gewöhnlich nutzen.
Seinen offensichtlich vorhandenen Plan habe er in die Tat umsetzen können, indem er das zehnjährige Mädchen in jenem Moment packte, da es das Auto passierte. Er habe sich „des Mädchens bemächtigt“, ließ der mutmaßliche Täter nach Angaben der Justiz in einer Vernehmung verlauten.
Wie lief die Fluchtfahrt ab?
In der Anklageschrift steht, dass der Beschuldigte gegen 9.40 Uhr mit dem Mädchen zurück Richtung Edenkoben fuhr, um das Kind in der Nähe der Schule abzusetzen. Dabei sei das Auto von fahndenden Polizisten unweit des Kreisverkehrs zwischen Maikammer und Edenkoben auf der L 516 ausgemacht worden.
Der 62-Jährige habe sofort stark beschleunigt. Er sei grob verkehrswidrig und rücksichtlos mit Höchstgeschwindigkeit geflohen, um die Aufdeckung einer Straftat zu verhindern, heißt es. Eine Straßensperre der Polizei habe er umfahren und dabei ein Auto gerammt. Vor seiner Festnahme auf der B9 kurz nach der Ausfahrt Kandel-Süd soll er so schnell an einem Radfahrer vorbeigerast sein, dass dieser durch den Luftdruck das Gleichgewicht verlor und stürzte.
Welche Vorgeschichte gibt es?
Im Juli 2023 ist der 62-Jährige letztmals aus der Haft entlassen worden. Er ist mehrfach wegen Sexualstraftaten verurteilt worden und saß insgesamt schon 20 Jahre im Gefängnis. Ein Gutachter sagte schon früher über ihn: „Er ist eine absolute Gefahr.“ Er wurde ab Juli engmaschig von der Polizei überwacht. Unter anderem wurde ihm auch untersagt, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen. Er durfte weder ein internetfähiges Handy noch einen Laptop besitzen, um keine Foto- oder Videoaufnahmen herstellen zu können. Die Staatsanwaltschaft strebt für den einschlägig Vorbestraften die Sicherungsverwahrung im Anschluss an eine Haftstrafe an.
Warum Kritik an der Justiz?
In der Neustadter Öffentlichkeit wurde der Mann als tickende Zeitbombe wahrgenommen. Weil der Beschuldigte gegen Auflagen, darunter das Tragen einer elektronischen Fußfessel, verstieß, war ein Haftbefehl gegen ihn unterwegs, der aufgrund einer Erkrankung einer Mitarbeiterin aber mit Verzögerung an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet wurde. Die Tat hätte womöglich verhindert werden können. Gleichzeitig steht im Gesetz, dass eine Fußfessel nicht unter Zwang angelegt werden darf. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) sagte, dass er keinen Fehler der Justiz sehe. Die Voraussetzung für eine Sicherungsverwahrung habe nicht vorgelegen.
Gibt es schon Konsequenzen?
Der Mainzer Landesinnenminister Michael Ebling will das Polizei- und Ordnungsgesetz novellieren und den Rechtsrahmen für das Tragen einer elektronischen Fußfessel verschärfen. Die Novelle soll noch 2024 verabschiedet werden.
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