Finanzen

Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg: Drei Städte im Schulden-Vergleich

Schulden, Defizite, Gewerbesteuer: Wir ordnen die finanzielle Situation der Großstädte in der Region im Vergleich ein. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung gibt es einen klaren „Gewinner“.

Von 
Julian Eistetter
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Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg – drei Großstädte stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Sparen ist angesagt. © Rinderspacher

Rhein-Neckar. Die finanzielle Situation der Kommunen in Deutschland ist angespannt wie nie. Im Jahr 2024 verzeichneten die Städte und Gemeinden ein Rekorddefizit von insgesamt 24,8 Milliarden Euro. Gestiegene Sozial- und Personalausgaben sorgen allenthalben für leere Kassen, zumal durch die schwache Konjunktur die Steuereinnahmen zuletzt stagnierten. Von diesen Problemen sind auch – und teilweise in ganz besonderem Maß – die Großstädte in der Metropolregion Rhein-Neckar betroffen. Wir haben uns einige wichtige Kennzahlen in den Haushalten von Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg angeschaut und vergleichend nebeneinandergelegt – auch wenn ein solcher Vergleich seine Tücken hat.

Schuldenstand

Den mit Abstand größten Schuldenberg schiebt die Stadt Ludwigshafen vor sich her. Auf 1,1 Milliarden Euro belaufen sich die Verbindlichkeiten in der zweitgrößten rheinland-pfälzischen Stadt. Mannheim hat aktuell Schulden in Höhe von 558 Millionen Euro, in Heidelberg liegt der Schuldenstand 2025 bei 323 Millionen Euro, wie ein Stadtsprecher mitteilt.

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„Der Schuldenstand ist ein erster Indikator für die Finanzlage einer Stadt“, sagt Désirée Christofzik, Inhaberin des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Die bloße Summe zeige jedoch noch kein vollumfängliches Bild. „Man muss sich dann natürlich genauer anschauen, wie und warum diese Schulden entstanden sind. Wurde viel investiert? Oder wurden strukturelle Defizite durch Schulden ausgeglichen?“, so die Expertin. Auch ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre könne helfen.

Désirée Christofzik ist Inhaberin des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. © Universität Speyer

Betrachtet man die drei Großstädte, so konnte seit 2020 einzig Ludwigshafen seinen Schuldenstand verringern: von 1,2 auf 1,1 Milliarden Euro. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Land Rheinland-Pfalz die Hälfte der offenen Kassenkredite der Stadt in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro übernommen hat. Die Schuldenlast wäre ansonsten mit 1,6 Milliarden Euro noch bedeutend höher.

In Mannheim ist der Schuldenstand seit 2020 von rund 502 Millionen auf 558 Millionen Euro angestiegen. Den größten prozentualen Anstieg in diesem Zeitraum hat mit knapp 43 Prozent Heidelberg vorzuweisen, wo vor fünf Jahren die Schuldenlast noch bei 226 Millionen Euro lag. Bis Ende 2026 rechnet die Stadt indes mit einer weiteren massiven Neuverschuldung. Der Schuldenberg wird nach Angaben eines Sprechers auf 467 Millionen Euro anwachsen und hätte sich dann innerhalb von sechs Jahren mehr als verdoppelt.

Pro-Kopf-Verschuldung

Noch besser veranschaulichen lässt sich die Verschuldung einer Stadt nach Angaben von Finanzwissenschaftlerin Christofzik anhand der Pro-Kopf-Verschuldung. „Die Schulden werden dabei auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt umgerechnet“, erklärt sie. Durch die Darstellung des Schuldenrucksacks, den jeder Bürger einer Stadt theoretisch auf dem Rücken hat, könne man unterschiedlich große Städte besser vergleichen.

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Den mit Abstand größten Rucksack müssen wenig überraschend die Menschen in Ludwigshafen schleppen. Rund 180.000 Bürgerinnen und Bürger leben dort laut Auskunft der Stadtverwaltung aktuell. Umgerechnet macht das eine Schuldenlast von 6.111 Euro pro Kopf. Dahinter folgt Heidelberg mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2071 Euro (156.000 Einwohner insgesamt), dann Mannheim mit einer Summe von 1.755 Euro (318.000 Einwohner).

In der Realität muss sich zwar kein Bürger tatsächlich mit der angegebenen Summe belastet fühlen. „Die Städte müssen die Verschuldung ja nicht zwingend auf 0 Euro runterschrauben. Sie dürfen nur nicht dauerhaft mehr Schulden aufnehmen als sie Vermögen aufbauen“, sagt Christofzik. Wenn das aber der Fall ist, bekommen die Bewohner hoch verschuldeter Städte die Probleme mittelfristig (im Geldbeutel) zu spüren. Denn entweder müssten Kommunen dann Steuern erhöhen oder freiwillige Leistungen – etwa im Kultur- oder Sportbereich – kürzen. „Das sind zwei Hebel, mit denen die Kommune ihr Defizit verringern kann.“ In Ludwigshafen geschieht das bereits seit Jahren. Mannheim und Heidelberg setzen nun ebenfalls drastische Sparprogramme um.

Gesamtergebnis

Ein Teil der kommunalen Haushaltspläne ist der Ergebnishaushalt. In diesem werden die geplanten Erträge und Aufwendungen für ein Haushaltsjahr ausgewiesen. Unter dem Strich wird dort also abgebildet, ob eine Kommune einen Überschuss erwirtschaftet oder ein Defizit zu Buche steht.

Blickt man auf die kalkulierten Gesamtergebnisse von Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg, steht die Quadratestadt in 2025 und 2026 vergleichsweise noch am besten da. Für das laufende Haushaltsjahr rechnet die Verwaltung mit einem Minus von 15,4 Millionen Euro, für 2026 sogar mit einem leichten Plus von 23,9 Millionen Euro. Ein großes Problem in der Quadratestadt ist aber die fehlende Liquidität.

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Noch düsterer sieht es beim Gesamtergebnis in Heidelberg und Ludwigshafen aus. In der Unistadt am Neckar wird für das Jahr 2025 ein Minus von 98,9 Millionen Euro erwartet, 2026 eines von 82,6 Millionen. Noch größere Defizite weist die Chemiestadt auf: 55,7 Millionen Euro im laufenden Jahr, satte 147,8 Millionen Euro in 2026.

Gewerbesteuereinnahmen

Ein wichtiger Indikator für die Konjunktur sind die Gewerbesteuereinnahmen einer Kommune. In Krisenzeiten können diese erheblich schwanken, da die ansässigen Unternehmen selbst keine hohen Gewinne erwirtschaften. Auch hier sind die Voraussetzungen in den drei Großstädten der Region sehr unterschiedlich: Ludwigshafen als Stadt mit schwächelnder chemischer Industrie, Heidelberg als Wissenschaftsstandort mit vielen Start-ups, Mannheim als bedeutender Wirtschaftsstandort mit großen Unternehmen unter anderem aus den Branchen Automobil, Maschinenbau, Pharma und Chemie.

Bei den geplanten Gewerbesteuereinnahmen liegt entsprechend auch Mannheim mit laut Plan 440,5 Millionen Euro 2025 und 461,6 Millionen Euro 2026 deutlich vorn. Die Prognose für das laufende Haushaltsjahr hat die Verwaltung jedoch schon deutlich nach unten korrigieren müssen. Aktuell rechnet man noch mit 350 Millionen Euro.

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Ludwigshafen kalkuliert in beiden Haushaltsjahren mit 130 Millionen Euro an Einnahmen aus der Gewerbesteuer – die geringste Summe der drei Städte trotz des weltgrößten Chemiewerks der BASF. „Die BASF bringt uns so gut wie nichts“, hatte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck kürzlich bei einem TV-Auftritt bei Markus Lanz im ZDF über die finanzielle Situation ihrer Stadt gesagt.

In Heidelberg rechnet man nach Angaben eines Sprechers in diesem Jahr mit 145 Millionen Euro, 2026 mit 153,3 Millionen Euro Gewerbesteuer-Einnahmen.

Perspektiven

Dass sich die finanzielle Situation der Kommunen so rapide verschlechtert, ist laut Désirée Christofzik auch darauf zurückzuführen, dass Bund und Länder in der Corona- und der Energiekrise die Städte und Gemeinden noch stark abgeschirmt haben. „Unter anderem wurden Steuerausfälle ausgeglichen“, sagt sie. Jetzt schlage die gesamtstaatliche Entwicklung stärker auf die Kommunen durch. „Die Kommunen trifft es jetzt also mit Verzögerung“, so die Expertin.

Ob nun die ständigen Klagen der Kommunen in Richtung Bund und Länder nach einer bedarfsgerechteren Ausstattung berechtigt seien, oder manche Städte auch lange über ihren Verhältnissen gelebt hätten, will Christofzik nicht abschließend beurteilen. „Die Länder sind verantwortlich für ihre Kommunen und es gibt Anzeichen, dass einzelne Länder dieser Verantwortung in der Vergangenheit nicht gerecht geworden sind“, sagt sie aber.

Die Voraussetzungen in den Ländern seien hier jedoch sehr unterschiedlich, weshalb ein Vergleich etwa von Mannheim und Heidelberg mit Ludwigshafen auch schwierig sei. Fakt sei aber, dass es nun akut einen erheblichen Konsolidierungsbedarf in den Kommunen gebe. „Da muss nun an den möglichen Stellschrauben gedreht werden.“

Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg sind zwar als Städte sehr unterschiedlich, dennoch eint sie der Kampf gegen die finanzielle Schieflage. Das wurde vor einigen Monaten auch beim „Gipfel der Metropolregion“ des „Mannheimer Morgen“ mit den Oberbürgermeistern Eckart Würzner (2.v.l.), Jutta Steinruck und Christian Specht (2.v.r.) deutlich. © Christoph Bluethner

Ob die Sparbemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, muss sich zeigen. Mannheim hat vom Regierungspräsidium die Auflage bekommen, bis 2028 wieder eine Mindestliquidität von 33 Millionen Euro zu erreichen. Die aktuellen Sparvorgaben werden aber bei Weitem nicht ausreichen, dieses Ziel zu schaffen. Heidelberg muss 70 Millionen bis Ende 2026 zusammenkratzen.

In Ludwigshafen gibt es solche konkreten Sparvorgaben seitens der Aufsichtsbehörde nicht. Dass sich die Situation hier in den nächsten vier Jahren aber wohl kaum erheblich verbessern wird, zeigt die jüngst veröffentlichte vorläufige Finanzplanung: Bis 2029 steigt das jährliche Defizit immer weiter auf dann 202 Millionen Euro.

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Hoffnung macht aus Sicht der Finanzexpertin ein Blick auf die Steuerschätzungen. Diese würden zeigen, dass die Einnahmen zumindest mittelfristig für die Kommunen in ihrer Gesamtheit stärker steigen könnten als die Preise. „Wir haben es also nicht mit einer erodierenden Steuerbasis zu tun“, so Christofzik. Allerdings stehe dem eine hohe Ausgabendynamik gegenüber und die Entwicklungen in den Städten könnten sehr unterschiedlich sein. Der Bund stelle zudem über das neue Sondervermögen Mittel für die Länder und Kommunen bereit, die vor allem für Investitionen genutzt werden sollen. Das könne für Entlastung bei einzelnen Kommunen sorgen, löse letztlich aber keine strukturellen Probleme.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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