Ludwigshafen. Seit Freitagabend, 21. Oktober, ist bei der Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises mit Sitz in Ludwigshafen nichts mehr, wie es vorher war. Mehr als zehn Wochen arbeiten insgesamt mehr als 700 Beschäftigte nunmehr in einer Art Notbetrieb. An jenem besagten Abend stellte IT-Chef Martin Frank fest, dass Daten in großen Mengen abfließen. Heute weiß man, dass es etwa 100 Gigabyte waren, die von der Hackergruppe Vice Society, deren Aufenthaltsort nach wie vor unbekannt ist, verschlüsselt worden sind. Aufgetaucht sind die Dinge dann zum Leidwesen von bis zu 6000 Betroffenen (wir berichteten) am 11. November - und zwar im Darknet, einem kaum überwachbaren Teil des Internets.
„Wir haben dann den Stecker gezogen“, lässt sich Landrat Clemens Körner (CDU) gerne zitieren, wenn man ihn fragt, was an besagtem Freitagabend im Oktober in einer Art Erste-Hilfe-Maßnahme geschah. Nun zeigt sich Körner zuversichtlich, dass die größten Folgen bis Ostern 2023 bewältigt sein könnten. Fast sechs Monate wären bis dahin vergangen.
Cyberattacken nicht versicherbar?
Sechs Monate, in denen jedem der etwa 400 Mitarbeitern an PC-Arbeitsplätzen bewusst geworden sein dürfte, wie verletzbar das Geflecht ist, das um sie herum existiert. Wo das Einfallstor war, über das die Hacker ihre schadhafte Software (Ransomware) wie ein Gift in das System spritzen konnten, ist nach wie vor Gegenstand der Untersuchungen des Landeskriminalamtes und der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz. Dort hält man sich bedeckt, geht aber nicht von schnellen Ermittlungserfolgen aus.
Experten des Mannheimer Chaos Computer Clubs sagten schon im November, dass die Erfolgschancen der Justiz extrem gering seien. Es war der erste Angriff auf eine Verwaltungsbehörde in Rheinland-Pfalz, der derart große Folgen nach sich zieht. Und so ist Clemens Körner ein mitunter gefragter Mann. „Am 16. Januar bin ich bei der Versicherungskammer Bayern als Gesprächspartner eingeladen“, erzählt er gegenüber dieser Redaktion. Für das Unternehmen sei er dann gewissermaßen ein Sparringspartner in der Frage, ob und wie solche Angriffe zukünftig versichert werden könnten.
Kein Geringerer als Mario Greco, der Vorstandschef der größten europäischen Versicherungsgesellschaft Zurich, hat vergangene Woche gegenüber der britischen „Financial Times“ jedoch den Satz gesagt: „Was nicht mehr versicherbar sein wird, ist Cyber“. Er schätzte die finanziellen Folgen von Hackerangriffen damit als höher ein als jene durch Naturkatastrophen. „Was ist, wenn jemand die Kontrolle über lebenswichtige Teile unserer Infrastruktur übernimmt, was sind die Folgen?“, fragte er.

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Dass die Gefahr sogenannter Cyberangriffe zugenommen hat und dass solche Attacken täglich auf irgendeine Weise stattfinden, wird den handelnden Akteuren auch auf der politischen Ebene immer bewusster. Auf der Internetpräsenz des rheinland-pfälzischen Innenministeriums heißt es dazu: „Vor dem Hintergrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine sehen die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes derzeit eine erhöhte Bedrohungslage auf dem Gebiet der Cybersicherheit.“ So hat nach einigen Wochen des Zögerns auch die rheinland-pfälzische Landesregierung in Person von Minister Alexander Schweitzer (SPD) im Dezember gegenüber dem Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises ihre tatkräftige Unterstützung in der Krise zugesagt.
Landrat brauchte neuen Ausweis
Wie Clemens Körner nun öffentlich machte, würden Investitionen in neue Hardware, die für die kommenden Jahre geplant waren, nun vorgezogen. Bedeutet nach seiner Darstellung: Jeder der rund 400 Mitarbeiter bekommt einen neuen PC an seinem Arbeitsplatz.
„Die Prozesse laufen wieder, aber sie laufen langsamer als gewohnt“, sagt Körner zu den aktuellen Problemen. Als Beispiel sei hier angeführt, dass die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1964 angehalten sind, bis 19. Januar ihre alten Papierführerscheine in Plastikführerscheine zu verwandeln, indem sie selbige bei ihrer Verwaltung beantragen. Ist das bis dahin nicht geschehen, drohen - etwa bei einer Verkehrskontrolle - Bußgelder. Dazu sind aber Karteikartenabschriften notwendig. Doch das ist nur eines der Probleme, die zu lösen waren zuletzt. Immerhin funktioniert inzwischen die Telefonanlage wieder - und der Landrat hat einen neuen Personalausweis sowie neue EC-Karten. Denn: Auch er persönlich war betroffen. Seine bisherigen Daten tauchten im Darknet auf.
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