Silvesterknaller - Krankenhäuser der Region verzeichnen zum Jahreswechsel normalerweise deutlich mehr Brandverletzungen / Fingeramputationen keine Seltenheit

Kliniken erleichtert über Verkaufsverbot für Böller

Von 
Bernhard Zinke
Lesedauer: 
Geht nicht selten schief: Vor allem die Ludwigshafener BG-Klinik muss in Silvesternächten viele Opfern misslungener Silvesterknallereien versorgen. © dpa

Rhein-Neckar. Der Bundesverband Pyrotechnik ist gar nicht glücklich darüber, dass das Silvesterfeuerwerk zum zweiten Mal hintereinander ausfällt. Grund für das Verbot ist laut Gerichtsentscheidung, dass die pandemiebedingt stark beanspruchten Krankenhäuser nicht noch weiter durch Unfälle im Umgang mit den Sprengkörpern belastet werden sollen. Vor Gericht zauberte die Branche eine eigene Gefahrenanalyse hervor. Demnach liege die Hospitalisierungsinzidenz durch Verletzungen mit Feuerwerk zum Jahreswechsel bei durchschnittlich 2,3 bis 3,3 Fällen pro 100 000 Einwohner beziehungsweise bei 1,8 bis 2,5 Fällen pro Notaufnahme.

Mehrfache Fingeramputationen keine Seltenheit

Die Krankenhäuser der Region zeichnen da allerdings ein ganz anderes Bild. Die BG Klinik in Ludwigshafen-Oggersheim hat beispielsweise an normalen Jahreswechseln so viel zu tun, dass sie oft nicht einmal alle Verletzungen noch in der Neujahrsnacht operieren kann. Das bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte auch in den ersten Tagen des Jahres noch die Verletzungen durch Silvesterkracher operativ versorgen müssen. „Wir begrüßen das Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern ausdrücklich!“ sagt Leila Harhaus, Leitende Oberärztin und stellvertretende Direktorin der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Mikrochirurgie und Schwerbrandverletztenzentrum. Die Professorin verdeutlicht: „Wir sehen in normalen Jahren durchaus sehr viele und zum Teil sehr schwerwiegende Verletzungen, die häufig bleibende Schäden und damit Funktionseinschränkungen insbesondere für junge Menschen zur Folge haben.“

Die ersten Verletzten würden üblicherweise schon direkt pünktlich zum Jahreswechsel eingeliefert. Behandeln müssen die Mediziner schwere bis schwerste Handverletzungen. Mehrfache Fingeramputationen sind keine Seltenheit. Und auch Augenverletzungen gehören zu den Schädigungen. Es verletzten sich vor allem junge Menschen, haben die Mediziner der BG Klinik beobachtet. Dass das Verkaufsverbot fruchtet, hat die Klinik im vergangenen Jahr eindeutig festgestellt: Man habe keinen einzigen Verletzungsfall durch einen Feuerwerkskörper behandeln müssen. Also sei ein Verkaufsverbot absolut sinnvoll und aus medizinischer Sicht unbedingt zu begrüßen.

Mehr zum Thema

Sicherheit

Was an Silvester in Mannheim erlaubt ist - und was nicht

Veröffentlicht
Von
Lisa Uhlmann
Mehr erfahren
Politik

Sperrstunde und vielerorts Böllerverbot an Silvester im Südwesten

Veröffentlicht
Von
dpa/lsw
Mehr erfahren
Allgemeinverfügung

Neue Corona-Regeln für die Silvesternacht in Mannheim

Veröffentlicht
Von
pm/sh
Mehr erfahren

In dasselbe Horn stößt das Uniklinikum Mannheim. Das Argument des Bundesverbands Pyrotechnik, wonach viele Verletzungen nur ambulant behandelt werden müssten, greife überhaupt nicht. „Aktuell sorgen Covid-19-Patienten für viel Betrieb - auch in der Notaufnahme“, sagt ein Sprecher der Universitätsmedizin. Corona-Patienten müssten strikt isoliert werden, das sorge für zusätzlichen Aufwand. „Daher ist unser Team froh über jeden vermeidbaren Notfall, der nicht eintritt - also auch nicht in der Notaufnahme versorgt werden muss.“

Auch Opfer von Schlägereien

In Nicht Corona-Zeiten schwankt die Anzahl der Verletzten von Jahr zu Jahr. In der Regel müssten Verletzungen an den Händen und Augen sowie Knalltraumata versorgt werden. Hinzu kämen Alkoholvergiftungen und Verletzungen durch Schlägereien, meist verursacht durch übermäßigen Alkoholgenuss. „Dass Feiern dieses Jahr nur eingeschränkt möglich sind, wird die Notaufnahmen also voraussichtlich auch in Bezug auf solche Fälle entlasten“, so das Mannheimer Klinikum.

„Angesichts der aktuellen Entwicklung in der Corona-Pandemie glaube ich, dass die Entscheidung richtig war“, sagt auch die Leiterin der Zentralen Patientenaufnahme der GRN-Klinik in Schwetzingen, Liliana Ertl. Die promovierte Ärztin rechnet ebenfalls auch mit weniger Alkoholvergiftungen. Dies alles werde sich positiv auf die reguläre Notfallversorgung aller Patienten auswirken - „inklusive der Corona-Patienten, deren Behandlung bekanntermaßen aufwändiger ist“.

Das Uniklinikum Heidelberg hat zum Jahreswechsel in der Regel mehr mit den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums zu kämpfen - und das deutlich mehr als im Durchschnitt. Misslungene Silvesterknaller spielen hier eine eher untergeordnete Rolle, wie eine Sprecherin sagt. Insofern begrüßten die Mitarbeitenden des Uniklinikums angesichts der Belastungen durch die Pandemie jede Maßnahme, die zu einer Reduzierung von Unfällen führe. Eben auch, dass nicht so exzessiv gefeiert werden soll.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

Thema : Coronavirus - aktuelle Entwicklungen im Überblick

  • Mannheim Urlaub und die Pflicht zur Online-Registrierung: Was Reiserückkehrer beachten müssen

    Wer Urlaub in einem Risikogebiet (Inzidenz über 50) macht, muss bei der Rückkehr nach Deutschland einiges beachten. Selbst Geimpften und Genesenen drohen Bußgelder, wenn sie sich nicht anmelden.

    Mehr erfahren
  • Karte und Grafiken Coronavirus: Fallzahlen aus Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg und Rhein-Neckar

    Wie viele Coronavirus-Fälle wurden in der Region registriert? Wir geben einen Überblick über die bestätigten Fälle in der Metropolregion Rhein-Neckar und im Main-Tauber-Kreis.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen