Bistum Speyer

"Keine Hoffnung mehr": Speyerer Generalvikar Andreas Sturm tritt zurück

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Steuerte das Bistum Speyer durch die Corona-Krise: Andreas Sturm. © Bistum Speyer

Rhein-Neckar. Er galt im Bistum Speyer als Erneuerer, als Vertreter einer jüngeren Generation von Geistlichen, die verstanden hat, dass es ohne den großen Bewusstseinswandel und einen Paradigmenwechsel in der Katholischen Kirche nicht mehr geht. Am Freitag hat der 47-jährige Andreas Sturm jetzt aber seiner Hoffnungslosigkeit Ausdruck verliehen und ist von seinem Amt als Generalvikar zurückgetreten, das er seit dem Jahr 2018 ausgefüllt hatte. Er war damit vier Jahre lang der zweitmächtigste Mann im Bistum. Als Bischof Karl-Heinz Wiesemann im vergangenen Jahr infolge öffentlich bekannt gewordener Missbrauchsfälle im Speyer der 1960er und 70er Jahre aus gesundheitlichen Gründen mehr als sechs Monate ausfiel, übernahm Sturm in Zusammenarbeit mit Weihbischof Otto Georgens dessen Aufgaben.

Überraschend ist, dass der Pfälzer nicht nur sein Amt abgibt, sondern von der Römisch-Katholischen Kirche zur Altkatholischen Kirche übertritt. Er wolle dort künftig als Priester tätig sein, schreibt Andreas Sturm in einer persönlichen Erklärung. Zur Begründung für seinen Schritt führt er aus: „Ich habe im Lauf der Jahre Hoffnung und Zuversicht verloren, dass die Römisch-Katholische Kirche sich wirklich wandeln kann. Gleichzeitig erlebe ich, wie viel Hoffnung in laufende Prozesse wie zum Beispiel den Synodalen Weg gesetzt wird. Ich bin aber nicht mehr in der Lage, diese Hoffnung auch zu verkünden und ehrlich und aufrichtig mitzutragen, weil ich sie schlichtweg nicht mehr habe.“ Auf E-Mail-Anfrage dieser Redaktion antwortete Sturm, dass persönliche Gespräche an diesem Tag nicht möglich seien. Er habe sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht und wünsche allen Gottes Segen.

„Dann kann Kirche einpacken“

Als der „Mannheimer Morgen“ im Februar 2021 ein langes Interview mit Sturm führte, das im Zuge einer Dokumentation für die ARD sowie das Y-Kollektiv entstanden ist und das die öffentlich gewordenen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs im Zusammenhang mit dem Speyerer Kinderheim Engelsgasse thematisierte, gab sich Sturm noch kämpferisch. Gleichwohl sagte er schon damals: „Wenn wir jetzt hier nicht ehrlich in der notwendigen Schonungslosigkeit aufklären, dann verlieren wir als Kirche jegliche Reputation - und dann können wir als Kirche auch einpacken.“ Schon diese Aussage ließ tief blicken. Auch in den Monaten danach wurde Sturm sichtbar als jemand, der sich für die Rechte von Homosexuellen in der Kirche einsetzte.

Mehr zum Thema

Kommentar Der Rücktritt des Generalvikars ist ein dramatischer Verlust

Veröffentlicht
Kommentar von
Stephan Alfter
Mehr erfahren
Katholische Kirche

Bistum Speyer stimmt für Einführung einer Frauenquote

Veröffentlicht
Von
Stephan Alfter
Mehr erfahren
Katholische Kirche

Deutliche Worte vom Generalvikar

Veröffentlicht
Von
sal
Mehr erfahren

Er gehe nicht mit Ärger und Wut, schreibt er nun in einem offenen Brief, sondern mit einer großen Hoffnung für sich und seine Berufung. Zugleich betont Sturm, er erlebe das Bistum Speyer „auf einem guten Weg“, sei es bei dem schwierigen Thema der Aufarbeitung des Missbrauchsgeschehens, aber auch in Bezug auf die Umsetzung des Visionsprozesses. Bischof Wiesemann hat - so wurde es in einer Pressemitteilung des Bistums am Freitagmittag verbreitet - den Rücktritt von Andreas Sturm vom Amt des Generalvikars angenommen und ihn zugleich von allen priesterlichen Aufgaben entbunden. Zuvor hatte Sturm Wiesemann mitgeteilt, dass er „aus persönlichen Gründen“ aus dem Dienst der Diözese Speyer ausscheiden wird. Wiesemann habe die Erklärung von Andreas Sturm - „wenn auch mit großem Bedauern“ - mit sofortiger Wirkung angenommen, schreibt das Bistum. Das sei ihm persönlich äußerst schwer gefallen, denn er habe mit Andreas Sturm auf „zutiefst vertrauensvolle Weise“ zusammengearbeitet. Der Bischof betont, dass er die Gründe Andreas Sturm zwar respektiere, er sie jedoch nicht teile. Auch er sehe den Erneuerungsbedarf in der Kirche, doch gleichzeitig nehme er auch wahr: „Wir befinden uns mitten in lebendigen Prozessen, die genau das engagiert thematisieren und, da bin ich mir sicher, die Kirche und ihr Handeln verändern, auch wenn es einzelne Rückschläge geben sollte.“

Markus Magin ist Nachfolger

Er sei Sturm zutiefst dankbar, dass er ihn in der langen Zeit der Erkrankung mit großem Einsatz in seiner sympathischen und weltoffenen Art vertreten habe, schreibt der Bischof in einem Schreiben an die Mitarbeitenden des Bistums. Der scheidende Generalvikar habe insgesamt 20 Jahre lang im Bistum Speyer gewirkt und der Diözese Speyer wichtige und richtungsweisende Impulse gegeben. Wiesemann nennt dabei als Erstes Sturms „umsichtigen Umgang mit dem Thema Missbrauch und sein entschiedenes Eintreten für Betroffene sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche“. Mit aller Kraft habe Sturm sich dafür eingesetzt, dass „begangenes Unrecht umfassend aufgearbeitet wird, strukturelle Missbrauchsursachen aufgedeckt und möglichst beseitigt werden“. Ein ebenso wichtiges Anliegen sei es ihm gewesen, die Teilhabemöglichkeiten aller Gläubigen in der Kirche zu stärken. Auch die Erarbeitung der Bistumsvision und der begonnene Strategieprozess seien geprägt von seiner Handschrift. Zudem habe er das Bistum mit Vorsicht und Augenmaß souverän durch die Zeit der Corona-Pandemie gesteuert.

Zum Nachfolger im Amt des Generalvikars hat Bischof Wiesemann Markus Magin (57) berufen, seit 1994 Priester der Diözese Speyer. Magin habe sich an seinen Wirkungsorten als Kaplan, Pfarrer und seit 2009 als Regens des Bischöflichen Priester- und Pastoralseminars St. German in Speyer durch ein „breites theologisches Wissen, eine tiefe geistliche Verwurzelung und ein großes Organisations- und Kommunikationstalent“ ausgezeichnet.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen