Heidelberg.
Zwischen 1945 und 1955 werden 60 000 nicht-eheliche Kinder von deutschen Frauen und alliierten Soldaten geboren. Die Hälfte haben amerikanische Väter, 4800 davon Schwarze. Die meisten Väter kehren nach der Geburt des Kindes, manche sogar davor, in die USA zurück. Teils, weil sie – wie Bob im Roman – von der Army abgezogen werden, teils, weil sie zu Hause Frau und Kinder haben. Für Besatzungssoldaten gilt auch nicht die deutsche Rechtsvorschrift, für den Unterhalt des Kindes bis zum 16. Lebensjahr sorgen zu müssen. Viele Mütter kennen nicht einmal den richtigen Namen des Vaters.
Diese Frauen erleben im Land heftige Ablehnung. Anschaulich die Szene im Buch, als Greta mit ihrer Tochter Marie in der Rohrbacher Straße unterwegs ist: „Plötzlich hielt neben ihr eine ältere Frau, betrachtete Marie und spuckte in den Kinderwagen.“
Diese Vorgänge sind zwar fiktiv. Doch sie entsprechen der damaligen Stimmung im deutschen Volk. Das reicht bis in akademische Kreise. So formuliert der Kolumnist Walther von Hollander: „Es ist nicht nur so, dass der deutsche Mann besiegt heimkommt. Mit ihm sind die Sieger eingezogen, und er muss feststellen, dass ein kleiner, nicht sehr wertvoller Teil der Frauen den Siegern anheimfällt.“ 1967 erhält er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
Der Bischof von Passau, Simon Landersdorfer, versteigt sich gar zu dem „Hirtenwort“: „Deutsche Mädchen, auch junge Kriegerfrauen, sogar Mütter schämen sich nicht, fremde Soldaten durch ihr aufreizendes Benehmen und ihre jedem Anstand Hohn sprechenden Kleider herauszufordern, sich ihnen in dirnenhafter Weise förmlich aufzudrängen.“
Gegenteilige Stimmen sind selten. Von Luise Rehling etwa, Frau eines Pfarrers und Abgeordnete der CDU im Bundestag. „Bemühen wir uns, in Deutschland den Mischlingen nicht nur die gesetzliche, sondern auch die menschliche Gleichberechtigung zu gewähren“, appelliert sie in einer Rede im März 1952: „Ich meine, wir hätten hier die Gelegenheit, einen Teil der Schuld abzutragen, die der Nationalsozialismus durch seinen Rassendünkel auf das deutsche Volk geladen hat.“
Selbst die Kleinen bleiben vom Hass nicht verschont. Als 1952 die ersten afro-deutschen Kinder eingeschult werden, verlangen immer mehr Eltern, dass ihre Sprösslinge nicht mit diesen in einer Bank sitzen sollen – für die betroffenen jungen Seelen traumatische Erfahrungen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Rassismus ist eine Gefahr für uns alle!